Springe direkt zu Inhalt

Vermutung bestätigt: weitere Knochenteile gefunden

Knochenfunde sollen osteologisch untersucht werden

26.07.2016

Seit Mitte Juli wird an der Harnackstraße wieder gegraben. Ein Team vom Institut für Vorderasiatische Archäologie unter der Leitung von Professorin Susan Pollock und Professor Reinhard Bernbeck hebt den Leitungsgraben aus.

Seit Mitte Juli wird an der Harnackstraße wieder gegraben. Ein Team vom Institut für Vorderasiatische Archäologie unter der Leitung von Professorin Susan Pollock und Professor Reinhard Bernbeck hebt den Leitungsgraben aus.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Die Erde wird gesiebt, die geborgenen Knochenteile sollen anschließend osteologisch untersucht werden.

Die Erde wird gesiebt, die geborgenen Knochenteile sollen anschließend osteologisch untersucht werden.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Die Vermutungen haben sich bestätigt: Bei den aktuellen Grabungen an der Harnackstraße im Umfeld der Stelle, an der im Juli 2014 bei Bauarbeiten an den Außenanlagen der Universitätsbibliothek der Freien Universität erstmals menschliche Knochen gefunden worden waren, sind Archäologinnen und Archäologen erneut fündig geworden. Das Team unter der Leitung von Professorin Susan Pollock und Professor Reinhard Bernbeck vom Institut für Vorderasiatische Archäologie der Freien Universität hatte Mitte Juli damit begonnen, den etwa 27 Meter langen Leitungsgraben entlang der Bibliothek, der damals mit der Abraum-Erde von den Bauarbeiten verfüllt worden war, noch einmal aufzugraben.

Obwohl erst knapp die Hälfte des Rohrgrabens wieder eröffnet worden ist, sei bereits eine Vielzahl von menschlichen und tierischen Knochen in der Erde gefunden worden, sagt Susan Pollock, „darunter auch Zähne, Langknochen und Schädelfragmente“. Die Knochen seien ziemlich kleinteilig. Sehr wahrscheinlich sei das eine Folge der Baggerarbeiten in 2014 und der Verfestigung beim Einfüllen der Abraumerde in den Graben.

„Richtige Entscheidung"

Die Universität hatte kürzlich auf Empfehlung der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gemeinsam mit dem Landesdenkmalamt Berlin und der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) entschieden, die archäologischen Grabungen erneut aufzunehmen. Man wollte so sichergehen, dass dort damals keine Knochenteile im Boden verblieben waren. „Es ist eine richtige Entscheidung gewesen, den Graben wieder aufzumachen“, sagt Susan Pollock. „Wie wir vermutet haben, birgt die Abraumerde noch Knochenreste. Vermutlich sind sie bei der Bergung des Fundes 2014 übersehen worden.“

Nach Abschluss der Grabung in etwa zwei Wochen sollen die gesammelten menschlichen Knochenteile – gemeinsam mit den bei Bauarbeiten im November 2015 und Februar 2016 gemachten Funden – analysiert werden, um Näheres über deren Herkunft zu ermitteln. Geplant ist vorerst eine osteologische Bestimmung. Diese Methode könne in gewissen Grenzen Aufschluss geben über das ungefähre Alter und das Geschlecht der Menschen, von denen die Knochenfragmente stammen, erläutert Susan Pollock. Außerdem lasse sich so feststellen, um wie viele Personen es sich mindestens handele. Ergebnisse der Untersuchung würden frühestens Ende des Jahres vorliegen.

Alle Erdarbeiten werden archäologisch begleitet

Nach dem ersten Fund hatte die Universität gemeinsam mit dem Landesdenkmalamt Berlin und der Max-Planck-Gesellschaft – als Nachfolgerin der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft – eine Arbeitsgruppe eingerichtet, um weitere Erkenntnisse über die mögliche Herkunft der Knochen zu gewinnen. Wenige 100 Meter von der Fundstelle entfernt steht das Gebäude, in dem sich bis 1945 das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik befand. Dorthin hatte der KZ-Arzt Josef Mengele bis Kriegsende Leichenteile von Menschen geschickt, die im Vernichtungslager Auschwitz ermordet worden waren. In dem Gebäude befand sich bis 1945 auch eine Sammlung menschlicher Gebeine aus kolonialen Zeiten.

Heute ist das Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität in dem Haus untergebracht. Die Fundstelle liegt am Rande des ehemaligen Gartengeländes einer Villa (heute Ihnestraße 24), die damals als Wohnhaus für den Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts diente.

Seit dem Fund der ersten Knochenteile, die Ende 2014 eingeäschert und bestattet wurden, lässt die Freie Universität alle weiteren Erdarbeiten auf dem betroffenen Areal archäologisch begleiten. Sie steht auch in engem Kontakt mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland und dem Zentralrat der Sinti und Roma in Deutschland, um die künftigen Schritte mit beiden Opferverbänden abzustimmen.

Weitere Informationen

Artikel zum Thema in campus.leben

Juli 2016: Archäologische Untersuchung des Erdaushubs an der Harnackstraße

Februar 2016: Weiterer Fund in der Harnackstraße

November 2015: Erneute Grabung in der Harnackstraße: Archäologen finden Knochenfragmente

Oktober 2015: Neue Grabung soll Gewissheit geben

August 2015: Wissenschaftler finden Tierknochen

Juni 2015: Wissenschaftlicher Blick

Februar 2015: „Unhaltbare Vorwürfe"

Januar 2015: „Ihr, die ihr gesichert lebet…“

November 2014: Gerichtsmedizinischer Bericht zu den Knochenfunden auf dem Campus

Juli 2014: Bauarbeiter stoßen auf menschliche Knochen