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Konfliktfrei + nachhaltig – so kann Konsum gehen

Der Abbau von Rohstoffen schadet oft Mensch und Natur. Können wir uns das bald sparen? Die Politikwissenschaftlerin Lena Partzsch und der Geologe Timm John forschen zu sauberen Lieferketten und nachhaltiger Nutzung von Elementen für Smartphone & Co.

13.05.2025

Bald rentabel recycelbar? Seltene Erden, Kobalt und Nickel aus den großen Magneten von Windkraftanlagen.

Bald rentabel recycelbar? Seltene Erden, Kobalt und Nickel aus den großen Magneten von Windkraftanlagen.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Spätestens nach drei Jahren muss das neueste Smartphone her, klar. Aber wohin mit dem alten? Beim Händler abgeben wäre am besten, damit die Bestandteile recycelt werden können. Doch meist landet das Altgerät in der Schublade, wo schon eine ganze Sammlung schlummert. Und jetzt, wo die US-Zölle noch obendrauf kommen, schnell noch ein iPhone auf Vorrat – bevor aus eh-schon-teuer ein extrem-teuer wird? Nachhaltig ist das alles nicht. Denn die Zukunft liegt in Kreislaufwirtschaft und Urban Mining – der Rückgewinnung wertvoller Metalle aus Altprodukten.

Allein in Smartphones lässt sich nach mehr als 30 Metallen „schürfen“. Darunter auch solchen, deren Gewinnung zur Finanzierung von Gewaltkonflikten beigetragen haben könnte. Als solche gelten Gold, Tantal, Wolfram und Zinn, insbesondere wenn sie aus Minen in der Demokratischen Republik Kongo stammen. „Anders als bei Textilien, deren ethisch korrekte Herstellung durch bestimmte Label zertifiziert wird, gab es bei Rohstoffen lange nichts Vergleichbares“, sagt Lena Partzsch. Die Professorin für Vergleichende Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Umwelt und Klimapolitik am Otto-Suhr-Institut forscht zu Wandel zu mehr Nachhaltigkeit im globalen Süden wie auch im Norden.

Politikwissenchaftlerin Prof. Dr. Lena Partzsch

Politikwissenchaftlerin Prof. Dr. Lena Partzsch
Bildquelle: Kay Fochtmann

„Mit dem Dodd-Frank-Act Section 1502 wurde 2010 festgelegt, dass am Aktienmarkt registrierte Unternehmen, die diese vier Metalle (auch in bereits verarbeiteter Form) in die USA importierten, darlegen müssen, ob sie aus kritischen Minen kommen oder nicht.“ Erstaunlich: Unmittelbar darauf legte Apple all seine Lieferketten offen, obwohl der Dodd-Frank-Act erst ab 2014 umgesetzt wurde.

Seit 2017 gibt es eine ähnliche Konfliktmineralien-Verordnung in der EU. Schon vorher mussten auch europäische Firmen, die in die USA exportieren, eine sogenannte „Verification“ von Rohstoffen beibringen. „Man sieht daran, dass es erst einer Gesetzgebung bedurfte, damit die Unternehmen entsprechende Initiativen starteten“, betont Lena Partzsch. Und diese gehen heute oft weit über die reine Konfliktfreiheit hinaus: Sie garantieren meist auch ökologische und Menschenrechtsstandards. Ein Vorreiter ist „Shiftphone“ mit dem Ziel, negative ethische und ökologische Auswirkungen von der Produktion bis zur Entsorgung von Elektrogeräten zu minimieren. Auch dies erstaunlich, denn in den 2000er-Jahren hatten Firmen wie Nokia noch öffentlich erklärt, dass sich Lieferketten gar nicht nachverfolgen ließen.

Bis Juli 2026 müssen die EU-Mitgliedstaaten die CSDDD (Corporate Sustainability Due Diligence Directive), die europäische Lieferkettenrichtlinie, umsetzen. Aber wie wird die Einhaltung all dieser Vorschriften überprüft?

„Da die Lieferketten von den Konsumentenländern aus verfolgt werden, ist das nicht leicht. Denn Kontrolleure oder Polizei in Drittstaaten zu schicken, ist rechtlich nicht einfach möglich, dafür bräuchte es die Zustimmung der jeweiligen Staaten“, erklärt Lena Partzsch. Und deshalb müssen Nicht-Regierungsorganisationen die Einhaltung der Standards kontrollieren. Das ist mitunter heikel, wenn sie in Initiativen mit Unternehmen kooperieren, die sie zugleich kontrollieren sollen. Wie beispielsweise die „Initiative for Responsible Mining Assurance“ (IRMA), die Unternehmen aus 36 Ländern gemeinsam mit Akteuren aus Zivilgesellschaft und Wissenschaft gegründet haben.

Potenziell kritische Metalle werden vom Smartphone bis zum Panzer benötigt. Ob man darauf achten wird, dass das im März, noch im alten Bundestag, verabschiedete Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz ausschließlich in konfliktfreies Metall investiert wird? Lena Partzsch ist skeptisch. „Wir bauen Waffen, von denen wir hoffen, sie nie einsetzen zu müssen. Aber mit dem Kauf der Rohstoffe für die Produktion fördern wir unter Umständen bereits Gewaltkonflikte in anderen Teilen der Welt. Darin liegt schon eine gewisse Ironie.“ Da die Abbaumöglichkeiten weltweit ohnehin begrenzt sind, werde man um Urban Mining nicht herumkommen.

Mineraloge Prof. Dr. Timm John

Mineraloge Prof. Dr. Timm John
Bildquelle: Privat

Wie sinnvoll es ist, seltene Erden und andere wertvolle Elemente zu recyceln, wird klar, wenn man bedenkt, welch gigantische Schätze allein in gebrauchten Smartphones stecken. 300 Milligramm Gold pro Gerät klingt nicht viel. Aber bei rund drei Milliarden Smartphone-Besitzenden weltweit, kommen da schnell 90.000 Kilogramm zusammen. Da sind die zwei, drei Altgeräte pro Person noch nicht mitgerechnet. „Zehn Kilo Erz einer guten Lagerstätte muss man aufarbeiten, um die Goldmenge für ein einziges Smartphone zu gewinnen“, betont Professor Timm John, Leiter des Arbeitsbereichs Mineralogie-Petrologie an der Freien Universität Berlin. „Elektroschrott ist also eine gigantische Ressource – nicht nur für Gold.“ 

Dank neuartiger Chemikalien, wie den ionischen Flüssigkeiten, die sein FU-Kollege Sebastian Hasenstab-Riedel entwickelt hat, werden sich bald viele der kritischen Elemente aus geschredderten Smartphones und anderem Elektroschrott bei niedrigen Temperaturen herauslösen, sauber trennen und wiederverwerten lassen. Natürlich auch Lithium und Kobalt aus Autobatterien, Platin aus Katalysatoren oder Seltene Erden, Kobalt und Nickel aus den großen Magneten von Windkraftanlagen werden damit bald rentabel recycelbar. Am neugegründeten „Forschungszentrum für nachhaltige Ressourcennutzung“ der Freien Universität werden diese und andere Verfahren interdisziplinär und gemeinsam mit Industriepartnern weiterentwickelt.

„Kupfer ist kein so seltenes Metall, wird aber nur zu etwa zehn Prozent recycelt“, sagt Timm John. Was daran liegt, dass Kupferkabel nicht nur an Elektrogeräten und in Autos stecken, sondern in Häusern für viele Jahrzehnte unzugänglich verbaut sind. Warum aktuell beim Verlegen von Glasfaserkabeln die alten Kupferkabel unter den Bürgersteigen liegenblieben, sei kaum nachvollziehbar, meint Lena Partzsch. „Das Ausgraben und Recyclen ist teurer, als Kupfer neu zu kaufen!“

Doch selbst wenn man alles theoretisch recycelbare Kupfer im Kreislauf halten könnte, würde das für den steigenden Bedarf bei weitem nicht reichen, meint Timm John. Denn durch den Ausbau der regenerativen Energien und der Elektrifizierung werde netto sehr viel Kupfer langfristig gebunden. Für alle anderen Bereiche gilt natürlich: „Nachhaltig wäre, im Sinne der Kreislaufwirtschaft schon bei der Konstruktion neuer Produkte und auch beim Hausbau das Recycling gleich mitzudenken.“

Das kann allerdings noch dauern. Selbst aktiv zu werden, geht dagegen schon jetzt. Also in den eigenen Schubladen nach alten Laptops, Handys, Verlängerungs- und Ladekabeln schürfen und sie zu den Sammelstellen der Stadtreinigung bringen – zu „anthropogenen Lagerstätten“, wie Timm John es nennt. Das schafft nicht nur Platz, sondern erleichtert auch das Gewissen beim nächsten Smartphone-Kauf.