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Treffen Naturkatastrophen Frauen und Männer unterschiedlich?

24. Januar: Öffentlicher Vortrag von Professorin Pilwha Chang, die in diesem Semester die Internationale Gastprofessur für Geschlechterforschung der Freien Universität innehat

23.01.2017

Pilwha Chang, Professorin für Gender Studies in Ostasien und derzeit internationale Gastprofessorin für Geschlechterforschung der Freien Universität.

Pilwha Chang, Professorin für Gender Studies in Ostasien und derzeit internationale Gastprofessorin für Geschlechterforschung der Freien Universität.
Bildquelle: Pilwha Chang

Was Naturkatastrophen mit Frauenforschung zu tun haben? Sind nicht bei Dürreperioden oder Überschwemmungen alle gleichermaßen Opfer, Frauen wie Männer? Pilwha Chang kennt diese Frage – aber sie kennt auch die Fakten: Bei der Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean am 26. Dezember 2004 etwa seien zwei Drittel der Opfer Frauen gewesen, sagt die Koreanerin. Chang, die 1984 an der Ewha Womans University in Seoul den ersten Lehrstuhl für Gender Studies in Ostasien übernommen hatte, begann nach dem Tsunami nach Gründen für dieses Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern zu suchen. Sie fand soziale und kulturelle Ursachen, wie etwa die traditionell unterschiedliche Aufgabenverteilung: Die Männer seien größtenteils zum Fischen auf See gewesen und so der Flutwelle entkommen. Die Frauen hingegen seien in ihren Häusern überrascht worden. Hinzu komme, dass Frauen in der Region üblicherweise in ihrer Kindheit seltener rennen, auf Bäume klettern oder Schwimmen lernen als Jungs.

Erster Lehrstuhl für Gender Studies

Pilwha Chang ist eine der renommiertesten Wissenschaftlerinnen auf ihrem Gebiet und hat die Entwicklung der Geschlechter- und Frauenforschung in Asien maßgeblich geprägt. Die unterschiedlichen Auswirkungen von Naturkatastrophen auf Frauen und Männer ist nur eines der Themen, die Chang bei ihrem Vortrag „(Eco)Feminists and the search for sustainable communities“, den sie an der Freien Universität halten wird, diskutieren will. Die Vorlesung findet im Rahmen ihrer Gastprofessur an der Freien Universität statt, der „Dahlem International Network Professorship for Gender Studies“.

Wichtige Netzwerke

Pilwha Chang wurde 1951 in Seoul geboren. Von 1971 bis 1974 studierte sie im Bachelorstudiengang an der Ewha Womans University englische Literaturwissenschaft und schloss einen Masterabschluss in „Women and Education“ an der britischen University of Hull an. 1984 promovierte sie über dasThema „Women and Development“ an der University of Sussex. Nicht zuletzt durch die Gründung der Asian Association of Women’s Studies und der Leitung des Korean Women's Institute sowie des Asian Center for Women's Studies hat sie bis heute die Entwicklung der Gender Studies in Korea maßgeblich geprägt und die Vernetzung von Frauen-Forscherinnen auf dem Kontinent gefördert. Zu ihren Arbeitsschwerpunkten gehören die Sozial-, Arbeits- und Entwicklungspolitik aus Genderperspektive.

Während ihrer Gastprofessur an der Freien Universität beschäftigt sich Pilwha Chang insbesondere mit dem Thema Nachhaltigkeit aus der Geschlechterperspektive und arbeitet dabei mit dem Institut für Koreastudien, der Graduate School of East Asian Studies (GEAS) und dem Margherita-von-Brentano-Zentrum für Geschlechterforschung zusammen. Gerade in der Genderforschung sei es wichtig, Netzwerke zu bilden, ist Pilwha Chang überzeugt. „An der Ewha Womans University hat die Frauenforschung ein eigenes Institut, sodass wir unsere eigene Identität haben.“ Natürlich sei die Frauenforschung ein interdisziplinäres Feld, sagt Chang, weshalb am Korean Women's Institute sechs Professorinnen und Professoren aus den unterschiedlichsten Bereichen wie Philosophie, Anthropologie, Soziologie und Geschichte tätig seien, die eng miteinander kooperierten.

Große Schritte zur Gleichberechtigung

Pilwha Chang spricht von dem Glück, dass die Frauen- und Entwicklungsforschung zu ihrer Studienzeit an der University of Sussex einen großen Aufschwung erfahren hat: „So konnte ich von dem fortgeschrittenen Forschungsniveau sehr profitieren.“ Als die Wissenschaftlerin Mitte der achtziger Jahre zurück nach Korea ging, erlebte das Land gerade ein rasches ökonomisches Wachstum und wurde für die Wissenschaft zu einem interessanten Forschungsobjekt. Auch die Frauenforschung habe in Korea seitdem eine starke Entwicklung durchgemacht. Möglich geworden sei dies durch das stetige Engagement der Ewha Womans University, die 1886 als erste koreanische Frauenhochschule gegründet worden war, sagt Chang. „Frauen zu unterrichten, war damals ein großer Schritt. Der zweite große Schritt führt über das Bewusstsein, dass es nicht an den Frauen liegt, dass die Gesellschaft ihre Kompetenz nicht nutzt, sondern an den gesellschaftlichen Strukturen.“

Frauen in Führungspositionen

So wie in Deutschland mit Angela Merkel zum ersten Mal eine Frau Kanzlerin ist, war Park Geun-hye die erste Präsidentin Südkoreas. „Doch Angela Merkel ist erfolgreicher als Park Geun-hye“, sagt Pilwha Chang mit Blick auf die Suspendierung der koreanischen Präsidentin Ende vergangenen Jahres. Pilwha Chang interessiert Angela Merkels Karriere und ob die Erziehung der Kanzlerin in der DDR die Grundlage für ihren Führungsstil als Politikerin ist.

In Korea gebe es ein altes Sprichwort, sagt die Wissenschaftlerin: Wenn Frauen und Geschirr das Haus verlassen, gehen sie kaputt. Das würde dort offenbar noch von zu vielen wörtlich genommen. „Ich sehe in Deutschland, wenn auch von einem sehr oberflächlichen Standpunkt aus, dass man hier viel eher bereit ist, Frauen in Führungspositionen zu akzeptieren und zu respektieren als in Korea. Eine Aufgabe der koreanischen Frauenforschung sollte es sein, sich damit zu beschäftigen, wie Frauen ermutigt werden können, eine Führungsrolle einzunehmen.“

Weitere Informationen

Vortrag „(Eco)Feminists and the search for sustainable communities“

Zeit und Ort

  • 24. Januar 2017, 18.00 Uhr
  • Freie Universität Berlin, Großer Hörsaal der „Holzlaube“, Fabeckstraße 23-25, 14195 Berlin (U-Bhf. Dahlem-Dorf, U 3)

Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt.

„Dahlem International Network Professorship for Gender Studies“

Die Gleichstellung der Geschlechter und die Förderung der Geschlechterforschung ist seit mehr als drei Jahrzehnten im Selbstverständnis der Freien Universität verankert und deshalb auch zentraler Bestandteil ihres Zukunftskonzepts, mit dem die Universität in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder 2012 erneut erfolgreich gewesen ist.

Die Gastprofessur „Dahlem International Network Professorship for Gender Studies“ wird im Rahmen des Zukunftskonzepts seit 2013 jährlich ausgeschrieben und an eine herausragende Wissenschaftlerin oder einen herausragenden Wissenschaftler auf diesem Gebiet vergeben. Die Professur unterstützt die Aktivitäten zur Verstärkung der internationalen Ausrichtung der Geschlechterforschung an der Freien Universität.

Im Wintersemester 2013/14 wurde sie mit der kanadischen Politikwissenschaftlerin und Lateinamerika-Expertin Verónica Schild von Western University London, Ontario, erstmals besetzt. Außerdem hatten die iranische Archäologin Leila Papoli Yazdi und die rumänische Gesundheitsexpertin Irina Catrinel Crăciun die Professur inne.

Internationale Gastprofessur für Geschlechterforschung an der Freien Universität Berlin