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Wissenschaftsfreiheit sichtbar machen

Politikwissenschaftlerin Janika Spannagel, Freie Universität

04.04.2025

Politikwissenschaftlerin Janika Spannagel, Freie Universität

Politikwissenschaftlerin Janika Spannagel, Freie Universität
Bildquelle: Katy Otto

Von Orbáns Drangsalierung der Central European University 2017, die zu deren Rückzug aus Ungarn führte, über die Untergrabung der Autonomie brasilianischer Hochschulen unter Bolsonaro von 2019 an, hin zu den aktuellen politisch motivierten Kürzungen von Forschungsmitteln in den USA durch die Trump-Regierung: Zunehmend scheint Wissenschaftsfreiheit auch in formal demokratischen Ländern keine Selbstverständlichkeit mehr zu sein. Dass diese Ereignisse tatsächlich nicht nur eine Reihe anekdotischer Vorfälle sind, sondern sich in einen breiteren und globalen Trend einfügen, belegen die Daten des Academic Freedom Index (AFI). Dieser wurde vor fünf Jahren von einem internationalen Team aus Wissenschaftler*innen ins Leben gerufen, um die ersten Anzeichen der Entwicklung besser einordnen zu können.

Beim Academic Freedom Index handelt es sich um ein vergleichendes Messinstrument, das in einer langen Zeitreihe Länder weltweit jedes Jahr hinsichtlich des Grades ihrer Wissenschaftsfreiheit bewertet, darunter beispielsweise Aspekte wie die Freiheit der Forschung und Lehre oder die Hochschulautonomie. Die Indexdaten werden anhand von zahlreichen, standardisierten Einschätzungen von Expert*innen generiert (2.363 Expert*innen weltweit, im Schnitt mehr als zehn pro Länderjahr) und mit einem von Sozialwissenschaftler*innen am V-Dem Institut in Göteborg entwickelten statistischen Modell zusammengefasst. Die Methode von Expert*innen-Befragungen wird in der Demokratie- und Menschenrechtsforschung schon lange angewandt, weil sie als einzige Datenerhebungsform geeignet ist, die gelebte Realität abstrakter Konzepte (wie etwa Forschungsfreiheit) in Ländern verschiedenster Regimetypen und Freiheitsgrade zu erfassen und vergleichbar zu machen.

Die neuste Ausgabe des AFI-Datensatzes von März 2025 zeichnet abermals ein beunruhigendes Bild. Zwar können Jahr um Jahr auch einzelne positive Entwicklungen vermeldet werden, doch insgesamt sind Räume für freie und unabhängige Wissenschaft rückläufig. Das gilt auch für demokratisch geprägte Länder: Die Indexwerte sind hier allein in den vergangenen zehn Jahren um durchschnittlich etwa fünf Prozentpunkte zurückgegangen. Vor allem dort, wo antipluralistische Parteien an die Macht gelangt sind – wie in Ungarn, Brasilien, den USA – sind deutliche Einschränkungen der Wissenschaftsfreiheit zu verzeichnen. Die AFI-Daten helfen, diese Trends zu identifizieren, einzuordnen und genauer zu erforschen. Die Lehren daraus zu ziehen und entsprechend zu handeln, ist allerdings eine Aufgabe für uns alle.

Weitere Informationen

Website Dr. Janika Spannagel