SCRIPTS – Contestations of the Liberal Script
Der erfolgreiche Exzellenzcluster erforscht Anfeindungen liberaler Gesellschaftsentwürfe und die Resilienz demokratischer Staaten / Interview mit Cluster-Sprecherin Tanja Börzel, Freie Universität Berlin
22.05.2025
Clustersprecherin und Politikprofessorin Dr. Tanja Börzel
Bildquelle: Vinicius Doti / Fundação Fernando Henrique Cardoso
Der Exzellenzcluster „SCRIPTS: Demokratie unter Druck“ wird fortgesetzt, eine zweite Förderphase – von Januar 2026 an für sieben Jahre – wurde am 22. Mai 2025 bewilligt. Cluster-Sprecherin Tanja Börzel, Professorin für Politikwissenschaft, im campus.leben-Interview über die Forschungsfragen der ausgehenden Förderphase und Schwerpunkte der kommenden Jahre.
SCRIPTS: Demokratie unter DruckDer Exzellenzcluster Contestations of the Liberal Script (SCRIPTS) beschäftigt sich mit Anfechtungen der liberalen Ordnung: Das Erstarken populistischer Parteien oder der Krieg in der Ukraine – das Forschungsthema ist hochaktuell.
Antragstellende Hochschule: Freie Universität Berlin
Sprecherin: Prof. Dr. Tanja Börzel (Freie Universität Berlin)
campus.leben: Welche Forschungsfragen werden bei SCRIPTS bearbeitet?
Tanja Börzel: Im Cluster SCRIPTS geht es darum, die sich weltweit verschärfenden Auseinandersetzungen um liberale Gesellschaftsentwürfe zu verstehen und zu erklären – wir fragen danach, wie liberale „Skripte“ entstehen, was sie ausmacht und auf welche Anfechtungen sie stoßen, sowohl im Inneren, zum Beispiel durch den wachsenden autoritären Populismus, als auch von außen, etwa durch aggressive Staaten.
Dabei untersuchen wir, wie sich solche Anfechtungen manifestieren und welche Folgen sie haben, etwa indem liberale Demokratien erodieren. Gleichzeitig wollen wir herausfinden, was freiheitliche Gesellschaften resilient macht.
Welche Schwerpunkte haben Sie in den vergangenen Jahren gesetzt?
In der ersten Förderphase haben wir vor allem daran gearbeitet, die sich verschärfenden Anfechtungen liberaler Gesellschaftsmodelle besser zu verstehen – also: Was bringt autoritären Populismus und andere antidemokratische Kräfte hervor? Inwiefern verstärken externe Krisen wie Kriege, Pandemien oder wirtschaftliche Krisen die Ursachen solcher Anfechtungen, die liberale Ordnungen selbst erzeugen, weil sie zentrale Versprechen wie die Freiheit und Gleichheit aller nicht einlösen?
Dabei geht es nicht nur darum, einzelne Phänomene zu analysieren. Das Konzept des „liberalen Skripts“, also eine Art Drehbuch für die Organisation liberaler Gesellschaften, ermöglicht es uns, diese Entwicklungen vergleichend über Ländergrenzen und Weltregionen hinweg zu erfassen und zu erklären.
Was sind erste Ziellinien, die Sie in der neuen Förderphase erreichen wollen?
In der zweiten Förderphase möchten wir bei SCRIPTS in den Blick nehmen, wie sich die Anfechtungen liberaler Gesellschaftsentwürfe auswirken. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage nach der Resilienz. Warum sind einige Demokratien in der Lage, mit zunehmender Polarisierung und Radikalisierung umzugehen, während andere ihre liberalen Grundprinzipien zur Disposition stellen? Was sind die politischen, rechtlichen und gesellschaftlich-kulturellen Rahmenbedingungen demokratischer Resilienz? Wie kann die liberale Demokratie geschützt und die regelgeleitete und liberale internationale Ordnung bewahrt und reformiert werden?
In unserer institutionellen Arbeit wollen wir internationale Partnerschaften vor allem im sogenannten Globalen Süden weiterentwickeln, Wissenschaftler*innen in frühen Karrierephasen fördern und die Infrastruktur für die Sammlung, Aufbewahrung und Verbreitung von Forschungsdaten insbesondere aus instabilen und autoritären Kontexten ausbauen.
Inwiefern bereichert die Arbeit des Clusters die Forschungslandschaft in Berlin? Was ist einzigartig an dem Cluster?
Die Forschung von SCRIPTS ist vergleichend, global ausgerichtet und interdisziplinär – wir bringen unterschiedliche Perspektiven zusammen aus den Politik- und Sozialwissenschaften, der Geschichtswissenschaft, der Rechtswissenschaft, der Erziehungswissenschaft sowie den Regionalstudien.
Das gelingt uns zum einen durch unser institutionelles Netzwerk in Berlin: SCRIPTS ist ein Verbund, der drei Universitäten und drei außeruniversitäre Forschungsinstitute zusammenbringt. Zum anderen können wir auf mehr als 20 internationale Partnerschaften bauen, um Wissenschaftler*innen aller Karrierestufen aus den verschiedenen Weltregionen in unsere Forschung einzubinden.
Ein besonderes Merkmal bei SCRIPTS ist die Offenheit nach innen und nach außen – auch in Richtung Politik, Medien und Zivilgesellschaft.
Inwiefern ist Ihre Forschung von gesellschaftlicher Relevanz?
Die Anfechtungen liberaler Gesellschaftsmodelle weltweit spalten Gesellschaften und werden immer stärker von politischer Gewalt begleitet. Die Forschung von SCRIPTS sucht nach den Ursachen von Polarisierung und Radikalisierung und fragt, wie demokratische Gesellschaften mit diesen Herausforderungen umgehen können. Dazu sind wir im direkten Wissensaustausch mit Politik und Zivilgesellschaft. Wir haben schon länger eine Partnerschaft mit dem Auswärtigen Amt, um Erkenntnisse des Clusters in die Außenpolitik einzubringen.
Diesen institutionalisierten Wissensaustausch werden wir in der zweiten Phase erweitern, unter anderem mit dem Bundesinnenministerium, mit politischen Stiftungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen. Verschiedene Formate des Wissenstransfers und der Wissenschaftskommunikation richten sich an eine breitere Öffentlichkeit.
Wie ist die Idee zu einem Forschungscluster, also einem größeren Forschungsverbund, ursprünglich entstanden?
Die Erforschung komplexer und global vernetzter Herausforderungen liberaler Gesellschaftsentwürfe in den verschiedenen Weltregionen und in der internationalen Politik kann nur in einem großen Verbund gelingen, der wissenschaftliche Exzellenz bündelt und verschiedene Perspektiven über Disziplinen, Regionen und gesellschaftliche Bereiche hinweg zusammenführt. Wir freuen uns, nach der erfolgreichen ersten Förderphase auf die weitere und erneute Zusammenarbeit mit vielen Kolleg*innen an unseren Forschungsfragen.
Die Fragen stellten Kerrin Zielke und Christine Boldt