„Rhetorik kann Wahlen entscheiden“
Martin Lüthe, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am John-F.-Kennedy-Institut, Abteilung Kultur
04.10.2024
Martin Lüthe, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am John-F.-Kennedy-Institut, Abteilung Kultur
Bildquelle: Bernd Wannenmacher
Neben dem Wechsel in der Präsidentschaftskandidatur der Demokratischen Partei von Joe Biden zu Kamala Harris in der heißen Phase vor der Wahl wird uns ein weiterer Wandel in Erinnerung bleiben: nämlich der seitens der Demokratischen Partei hin zu einer neuen Rhetorik, die sich am besten an einem kleinen, aber feinen Wort festmachen lässt: weird. Tim Walz, Kamala Harris’ running mate, der den freundlichen Dad aus der sozialen und geografischen weißen Mitte der amerikanischen Gesellschaft verkörpert, bezeichnete insbesondere J. D. Vance, sein republikanisches Pendant, immer wieder mit diesem Attribut: „weird!” – also sonderbar, komisch. Tatsächlich funktioniert diese Zuschreibung, denn wir assoziieren sie nun mit Trump und Vance und bei allem, was sie seitdem tun und sagen, wird gewissermaßen ein „weirdness-check“ seitens der Wählerinnen und Wähler vollzogen.
Wahlkampfrhetorik kann insbesondere in hochmedialisierten Gesellschaften politische Wahlen entscheiden. Donald Trump selbst hat das 2016 gezeigt, als er es schaffte, seine politischen Ziele auch rhetorisch zu verdichten: make america great again fungiert als Akronym MAGA sinn- und identitätsstiftend für einen Großteil seiner Wählerschaft und ist längst zu einer Marke avanciert. Rhetorik und Slogans dieser Art sind wie ein politischer Refrain mit Ohrwurmcharakter.
Die Tatsache, dass Tim Walz so etwas wie den Ober-Normalo der Vereinigten Staaten verkörpert und wie ein Sportcoach mit der Öffentlichkeit spricht, macht die Zuschreibung von „sonderbar“ umso wirksamer, weil das kleine Wort „weird“ authentisch erscheint und an den Republikanern kleben bleibt. Seit Barack Obamas Slogan „Yes, we can!“ haben es die Demokraten nicht mehr geschafft, etwas derart Wirksames zu formulieren. Und es passt ins Bild, dass im Jahr 2024 und nach den Präsidentschaftswahlen von 2016 und 2020 (jeweils mit der Beteiligung von Donald Trump) keine Selbstbeschreibung die größte rhetorische Strahlkraft entfaltet, sondern eine Beschreibung der Gegenseite.