„Schwarze Identität bleibt bis heute zu einem erheblichen Teil fremdbestimmt“
Sebastian Jobs, Professor für die Geschichte Nordamerikas am John-F.-Kennedy-Institut
04.10.2024
Sebastian Jobs, Professor für die Geschichte Nordamerikas am John-F.-Kennedy-Institut
Bildquelle: Bernd Wannenmacher
Als sich Kamala Harris im Juli 2024 innerhalb kürzester Zeit als Präsidentschaftskandidatin der Demokratischen Partei durchsetzte, stellte ihr Kontrahent, Donald Trump, in einer seiner ersten Reden sogleich ihre Identität in Frage. Er behauptete, sie hätte sich aus Karrieregründen erst im Laufe der Zeit dafür entschieden, schwarz zu sein. Diese rassistische dogwhistle kommt freilich nicht überraschend, aber sie zeigt vor allem die enorme Geschichtsvergessenheit Trumps und seiner Anhänger – denn die eigene Hautfarbe war für Afroamerikanerinnen und -amerikaner in den USA so gut wie nie eine Wahl.
Schon 1662 widmete sich eines der frühesten Gesetze zu Sklaverei in Virginia den Kindern von versklavten Frauen und weißen Männern. Aus Angst um den eigenen Besitz wurden diese per Gesetz automatisch zu Sklaven erklärt, die keinerlei Bürgerrechte einfordern konnten. Sie konnten weder dem Status als Versklavte noch dem Label als schwarz gelesene Menschen entkommen. Dies setzte sich auch nach dem Ende der Sklaverei fort, als pseudo-wissenschaftlich schon ein Tropfen vermeintlich „schwarzen Bluts“ genügte, um Schwarzsein zu definieren.
Ende des 19. Jahrhunderts begannen Afroamerikanerinnen und -amerikaner zwar auch, die eigene Kultur und Intellektualität mit Stolz zu vertreten. Und doch bleibt schwarze Identität bis heute zu einem erheblichen Teil unfreiwillig und fremdbestimmt: Barack Obama – sein Vater stammte aus Kenia, seine weiße Mutter aus Kansas – diente als erster schwarzer Präsident der USA.