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„Exzellenz ist ein gemeinsamer Weg“

Interview mit Professor Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin und Sprecher der Berlin University Alliance, zur Entscheidung über die Förderung von Exzellenzclustern

23.05.2025

Prof. Dr. Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin und Sprecher der Berlin University Alliance

Prof. Dr. Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin und Sprecher der Berlin University Alliance
Bildquelle: David Ausserhofer

Mit der Einwerbung des neuen Physikclusters Center for Chiral Electronics – ein gemeinsames Projekt mit der Universität Halle-Wittenberg und der Universität Regensburg – und der Bewilligung der Fortführung der Exzellenzcluster MATH+ und SCRIPTS war die Freie Universität Berlin im Rahmen der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder erneut sehr erfolgreich. Im Rahmen der Berlin University Alliance (BUA) – des Verbunds von Freier Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Technischer Universität Berlin und Charité – ist die Freie Universität als Mitträgerin der Charité – Universitätsmedizin Berlin zudem an dem weitergeförderten Cluster NeuroCure und an dem neueingeworbenen Cluster ImmunoPreCept beteiligt. Diese Entscheidungen hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft am 22. Mai 2025 bekanntgegeben.

Exzellenzcluster sind ein zentraler Baustein im Bewerbungsprozess für die zweite Förderlinie im Exzellenzwettbewerb: Eine Universität braucht mindestens zwei Exzellenzcluster, um sich für den Status einer Exzellenzuniversität bewerben zu können. Bei einem Universitätsverbund wie der BUA sind mindestens drei Exzellenzcluster erforderlich – und jede Universität des Verbundes muss an mindestens einem Cluster beteiligt sein. Diese Bedingungen hat die BUA jetzt für die nächste Runde erfüllt.

Herr Professor Ziegler, was bedeutet das Ergebnis für Sie – für die Freie Universität Berlin und für die Berlin University Alliance?

Günter M. Ziegler: Für die Freie Universität Berlin ist das großartig: drei Exzellenzcluster – der neu eingeworbene Physikcluster Center for Chiral Electronics mit Halle und Regensburg, der gemeinsame Berliner Mathematik-Cluster MATH+ und das Demokratie-Projekt SCRIPTS. Und dann noch die beiden Exzellenzcluster aus der Universitätsmedizin der Charité, an denen wir als Mitträgerin der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der gemeinsamen medizinischen Fakultät von Freier Universität Berlin und Humboldt-Universität, beteiligt sind.

Für uns an der Freien Universität ist jeder erfolgreiche Cluster ein vielfacher Gewinn: Er bringt und hält Menschen zusammen – Wissenschaftler*innen, Organisator*innen, Kommunikator*innen, Unterstützerinnen, die gemeinsam ein Großprojekt stemmen, er ermöglicht Weltklasse-Forschung, fördert interdisziplinäre Zusammenarbeit, verstärkt unsere internationale Sichtbarkeit, befeuert wissenschaftliche Karrieren – und bringt unsere Themen in gesellschaftliche Debatten.

Sehr bedauerlich ist deshalb, dass „Temporal Communities – Doing Literature in a Global Perspective“ nicht als Exzellenzcluster weitergefördert wird. Dieser literaturwissenschaftliche Cluster erforscht seit 2019, wie Literatur durch die Epochen hindurch über die jeweils vielfältigen Verbindungen zwischen Menschen und die wechselnden Verflechtungen mit anderen Künsten und Medien immer neue Welten entwirft. So entstehen neue Perspektiven auf Literatur und auf Zusammenhänge, jenseits von Schubladen mit Zeitstrahlen von Nationalliteraturen.

Ich danke den Cluster-Sprecher*innen Andrew J. Johnston und Anne Eusterschulte sowie Anita Traninger vor 2024 für ihre großartige Arbeit und ihr Engagement. Wir setzen uns dafür ein, dass die Arbeit des Clusters fortgeführt und seine Vision weiterverfolgt wird. Wie das gelingen kann, das werde ich als Präsident der Freien Universität mit meinen Kolleg*innen im Präsidium und den Fachbereichen besprechen.

Als Sprecher der Berlin University Alliance freue ich mich über insgesamt fünf bewilligte Großprojekte für die nächste Sieben-Jahres-Förderphase. Neben den bereits erwähnten sind zwei an der Charité – Universitätsmedizin Berlin angesiedelte Cluster: NeuroCure, der bereits seit 2007 zunächst im Rahmen der Exzellenzinitiative und dann im Rahmen des Nachfolge-Wettbewerbs Exzellenzstrategie gefördert wurde und nun für weitere sieben Jahre gefördert wird, und der neue Cluster ImmunoPreCept: Zell-basierte molekulare Prävention und Interzeptive Medizin – Erforschung der Schnittstelle zwischen Gesundheit und Krankheit. Ich gratuliere allen beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.

Das Gesamtergebnis zeigt, wie leistungsfähig, kreativ und international sichtbar unsere Spitzenforschung ist. Und wichtiger noch: Die Exzellenzcluster stehen als Leuchttürme in zentralen Bereichen der großartig-vielfältigen Berliner Forschungslandschaft, die wir organisieren, zusammenbringen, unterstützen und sichtbar machen. 

Es ist ja kein Geheimnis, dass wir noch mehr Exzellenzclusteranträge im Wettbewerb hatten. Dass wir die nicht durchgebracht haben, das gehört zu einem kompetitiven Verfahren dazu. Immerhin sind damit weitere Forschungsfelder für Leuchttürme und Großprojekte für die Zukunft markiert. Ich stelle mir das Wissenschaftsberlin gerne als „Insel der tausend Leuchttürme“ vor – und das ist es auch, wenn wir die vielfältige Exzellenz sichtbar machen, die Berlin ausmacht. 

Entscheidend ist, dass wir jetzt nicht zurück, sondern nach vorn blicken – und da sehen und entwickeln wir die Profillinien der Berliner Forschungslandschaft. Aus ihnen entstehen die Forschungsverbünde entlang derer Universitäten und die Charité sowie unsere Forschungsinstitute und Kommunikationsräume wachsen und entlang derer Wissenschaft gedeiht. Insofern signalisieren die fünf Exzellenzcluster auch: „Da ist Exzellenz, da entwickelt sich die Landschaft, und da kommt in Zukunft noch mehr zu den großen Themen unserer Zeit.“

Viele Forscher*innen der Freien Universität haben in den vergangenen Monaten intensiv an Clusteranträgen gearbeitet. Was möchten Sie ihnen mit auf den Weg geben?

Vor allem: großen Dank. Der Aufwand, der in einen Clusterantrag fließt, ist nicht hoch genug zu schätzen – wissenschaftlich, organisatorisch, strategisch, mit Ausdauer und Engagement, Begeisterung und Herzblut. Auch wenn nicht jeder Antrag Erfolg hatte, haben alle mit ihrer Arbeit daran dazu beigetragen, unser Profil zu schärfen und neue Allianzen zu schaffen. Diese Arbeit bleibt, sie inspiriert – und sie wirkt über den Tag der Entscheidung hinaus. Ideen, die dabei in die Welt kommen, sind da, und wir werden sie nicht verfliegen lassen.

Warum sind Exzellenzcluster so wichtig für die Freie Universität – auch unabhängig von der BUA und dem Exzellenz-Wettbewerb?

Cluster bringen Menschen zusammen, untereinander, und im Wissenschaftsraum Berlin um uns herum. Sie sind Impulsgeber, Motoren, Motivationsräume und Experimentierräume. Sie eröffnen Räume für Themen, die ohne diese Förderung vielleicht nicht in derselben Tiefe oder Breite entwickelt würden – von neuen Technologien über Klimaforschung und gesellschaftlichen Zusammenhalt bis hin zu einem Exzellenzcluster wie SCRIPTS, in dem Forschende verschiedener Disziplinen gemeinsam Herausforderungen für die liberale Demokratie erforschen und Lösungen für unsere Gesellschaft vorschlagen.

Für die Freie Universität ist das von besonderer Bedeutung: Wir sind schon aus der Gründungsgeschichte heraus eine politische und eine wertegeleitete Universität, wir wollen Verantwortung übernehmen, in die Gesellschaft hineinwirken – und das geht nur mit starker Forschung, die auch international Maßstäbe setzt.

Was bedeutet das Ergebnis für die Zusammenarbeit innerhalb der Berlin University Alliance?

Die BUA lebt davon, dass wir gemeinsam die Forschungslandschaft vermessen und entwickeln und sich dabei die Partner gegenseitig stärken – gerade im Clusterbereich wird das sichtbar. Viele Anträge sind gemeinsam entstanden, mit Wissenschaftler*innen von verschiedenen Standorten. Das stärkt nicht nur die Verbundstruktur, sondern auch jede einzelne Universität.

Die Cluster sind damit beides: gemeinschaftliches Projekt und individuelle Chance. Sie zeigen, dass die Allianz mehr ist als ein Bündnis – sie ist eine Strategie-Plattform und eine Infrastruktur-Basis für exzellente Gemeinschaftsforschung.

Wie geht es jetzt weiter im Bewerbungsprozess der Exzellenzstrategie?

Mit dem Schwung von fünf bewilligten Exzellenzclustern gehen wir weiter: Der nächste Meilenstein ist die Antragstellung für den Verlängerungsantrag der BUA zum 1. August dieses Jahres und dann die Begehung im November. Dort stellen wir uns als Berlin University Alliance der internationalen Gutachtergruppe vor – mit unserem Konzept, unseren Strategien und mit allem, was wir gelernt haben – und damit auch mit geschärfter Vision und Mission.

Wir bereiten uns mit viel Energie darauf vor. Mit denselben Komponenten, die ich gerade für die Arbeit in den Clustern genannt habe: Ausdauer und Engagement, Begeisterung und Herzblut. Und auch hier ist klar: Die Freie Universität bringt ihre Stärken aktiv ein – nicht nur als Teil der Allianz, sondern als Universität mit einem klaren Profil.

Gerade in den kommenden Monaten ist es entscheidend, dass wir auch innerhalb der Freien Universität den Drive und die gemeinsame Richtung spüren. Die nächste Runde der Exzellenzförderung betrifft nicht nur die Berlin University Alliance – sie ist auch für uns als Freie Universität von zentraler Bedeutung: für unsere Forschung, unsere Sichtbarkeit, unsere internationale Anschlussfähigkeit.

Auch wenn die eigentliche Begutachtung im November nicht bei uns vor Ort an der Freien Universität stattfindet, wollen wir als FU sichtbar und geschlossen auftreten. Wir planen, die Begutachtung in einem Hörsaal als Public Viewing zu übertragen – und damit auch den Gutachter*innen zu zeigen: Die Freie Universität steht als große Community hinter diesem Prozess, fiebert mit und bringt sich ein.

Was wünschen Sie sich für die kommende Förder-Phase?

Ich wünsche mir, dass wir das Momentum mitnehmen. Dass wir als Allianz und als Universität zeigen, wie viel in uns steckt – an Ideen, an Energie, an Verantwortung. Und ich wünsche mir, dass wir diesen Prozess auch nutzen, um intern weiter zusammenzuwachsen. Exzellenz ist kein fernes Ziel, sondern ein gemeinsamer Weg. If you want to be fast, run alone. If you want to go far, walk together. Wir sind bei allem, was wir tun, gemeinsam unterwegs.

Die Fragen stellten Christine Boldt und Karin Bauer-Leppin