Springe direkt zu Inhalt

Erzählungen von Entwurzelung

Das Lateinamerika-Institut zeigt zur Langen Nacht der Wissenschaften am 9. Juni im E-Examinations Center in der Dahlemer Fabeckstraße die Ergebnisse eines Videoprojekts von Geflüchteten und Studierenden

06.06.2018

Wissenschaft von ihrer kreativen Seite: Im Rahmen der Langen Nacht der Wissenschaften zeigt das Lateinamerika-Institut der Freien Universität Berlin vier Kurzfilme und eine Dokumentation. Die Videos sind das Ergebnis des Workshops „Narrativas del Desarraigo“ (Erzählungen von Entwurzelung"), der im Sommer 2016 am Lateinamerika-Institut stattgefunden hat. Gemeinsam haben Studierende und geflüchtete Jugendliche vier Kurzfilme zu den Themen Migration, Flucht, Inklusion und Alltagsleben in Berlin entwickelt. Im vergangenen Dezember ist über den Workshop wiederum ein Dokumentarfilm veröffentlicht worden. Campus.leben im Gespräch mit der Projektleiterin Rocío Elizabeth Vera Santos vom Lateinamerika-Institut der Freien Universität.

Frau Vera, worum ging es bei „Narrativas del Desarraigo“?

„Narrativas del Desarraigo“ war ein sechstägiges Video-Projekt im Rahmen eines meiner Seminare über qualitative Sozialforschung. Durch die gemeinsame Konzeption von Kurzfilmen sollte ein Raum geschaffen werden, in dem Studierende und Geflüchtete sich in einem interkulturellen Dialog austauschen können. Gleichzeitig konnten die Studierenden in dem Projekt ethnografische Methoden anwenden, wie beispielsweise die teilnehmende Beobachtung, das Durchführen von Interviews oder das Verfassen eines Feldtagebuchs. Abschließend haben sie eine Hausarbeit in Form eines ethnografischen Berichts geschrieben. Die Fragestellungen der Studierenden waren dabei unterschiedlich. Eine Hausarbeit bezog sich etwa auf die Rolle der Sprache in einer heterogenen Gruppe, eine andere auf die Rolle der audiovisuellen Kommunikation als sozio-kommunikatives Medium.

Wie funktionierte die Zusammenarbeit zwischen den Studierenden und den Geflüchteten?

Ich hatte zunächst befürchtet, dass die Verständigung ein Problem sein könnte, aber das hat überraschenderweise sehr gut funktioniert. Viele der Geflüchteten sprachen bereits gut Deutsch, außerdem stand uns eine Übersetzerin für Arabisch und Farsi zur Seite. Trotzdem war es natürlich eine Herausforderung, die Vielfalt der Sprachen, Alter, Geschlechter, Interessen und Religionen zusammenzubringen – und mit dem gegebenen Zeitdruck zurechtzukommen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben aber ein großes Verantwortungsbewusstsein gezeigt.

Wovon handeln die vier Kurzfilme?

Das konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selber entscheiden. In dem Video „Träume und Wünsche an einem Sonntag“ stellen die Filmemacherinnen und Filmemacher Besuchern des Berliner Mauerparks philosophische und ontologische Fragen, wie zum Beispiel: „Wo würdest du morgen gern aufwachen?“ oder „Welche wichtigen Leitlinien hast du für dein Leben?“. Der Film „Mahers Reise“ zeigt die Flucht eines Kursteilnehmers von Syrien nach Deutschland. Der Fokus liegt auf seinen dabei durchlebten Gefühlen. Der dritte Kurzfilm „Pick Nick“ handelt von Freundschaft und dem Gefühl des Verlustes eines nahestehenden Menschen. Der vierte Kurzfilm „Klack“ ist eher eine Komödie: Es geht um das Benutzen der Berliner Verkehrsmittel.

Sie haben das Projekt in ein Seminar zur qualitativen Sozialforschung eingebunden. Welche Rolle spielen Videos in der Ethnografie?

Sie spielen eine besondere Rolle. Videos sind eine geeignete Form, um die Sichtweise einer Person oder einer Gruppe in einem bestimmten Kontext zu einer bestimmten Zeit zu verstehen. Im Falle des Projekts erlauben uns die vier Kurzfilme, verschiedene Subjektivitäten und Erfahrungen wahrzunehmen und die sozialen Realitäten anderer zu sehen oder auch neue Perspektiven.

Wie können geflüchtete Menschen von solchen Projekten profitieren?

Ich denke, dass solche Projekte großen Einfluss auf geflüchtete Jugendliche haben können. Sie können sie bestärken und ihnen Selbstbewusstsein verleihen. Durch die Filme haben sie das Gefühl, Einfluss zu haben und ihre Geschichte selbst erzählen zu können. Bei solchen Projekten gibt es außerdem keine Hierarchie, es handelt sich um einen Austausch auf Augenhöhe. Zweifellos war der Workshop eine Bereicherung für alle, die teilgenommen haben – und er ist ein gelungenes Beispiel eines Inklusionsprojekts für geflüchtete Jugendliche.

Wie wurde das Projekt finanziert?

Der Video-Workshop und die vier Kurzfilme wurden vom Lateinamerika-Institut finanziert. Für den kürzlich erschienenen Dokumentarfilm kam das „Welcome@FU“-Programm auf. Außerdem haben die sozialen Vereine MoveGlobal und Samo.fa uns mit kostenfreiem Essen und Übersetzungsarbeit unterstützt.

Die Fragen stellte Leonie Schlick

Weitere Informationen

Die Videos, die im Rahmen des Workshops „Narrativas del Desarraigo“ entstanden sind, werden bei der Langen Nacht der Wissenschaften gezeigt:

Zeit und Ort

  • Sonnabend, 9. Juni 2018, 17 bis 20 Uhr
  • Freie Universität Berlin, E-Examination-Center (EEC), Fabeckstraße 34-36, 1.OG im Gebäude der anorganischen Chemie

Weitere Informationen erteilt

Dr. Rocío Vera Santos, Telefon 030 / 838 58200, E-Mail: rocio.vera@fu-berlin.de