Erinnerungen bewahren
LANGE NACHT DER WISSENSCHAFTEN Geschichte, Kunst und Kulinarisches
Die Unibibliothek, das Visual History Archive und eine Oper erzählen von Opfern des Holocaust
Von Ortrun Huber
Er weiß, dass er nicht mehr lange wird Zeugnis ablegen können. Wider das Vergessen zu arbeiten, ist deshalb das dringende Anliegen von Werner Bab. Der 82-Jährige hat das Konzentrationslager Auschwitz überlebt. Und weil immer weniger Opfer und Zeugen des nationalsozialistischen Terrors berichten können, erzählt Werner Bab den Jüngeren seine Geschichte. Erinnerungen, die er sich erstmals in einem Gespräch mit Mitarbeitern der US-amerikanischen Shoah Foundation wieder ins Gedächtnis gerufen hatte.
„Darkling“ erzählt in Gedichten, projezierten Bildern sowie Collagen aus Texten und Tonlandschafteneindringlich von den Schrecken des Holocaust. Foto:G. Goodstein/FFUB |
Die Shoah Foundation geht auf Hollywood-Regisseur Steven Spielberg zurück. Während der Dreharbeiten zu Spielbergs Spielfilm „Schindlers Liste“ hatten zahlreiche Holocaust-Überlebende den Wunsch geäußert, vor der Kamera über ihre Erinnerungen zu berichten. 1994 rief der Regisseur deshalb die gemeinnützige Organisation zur Dokumentation von Zeitzeugenberichten des Holocaust ins Leben. In 56 Ländern wurden seitdem fast 52 000 Interviews geführt. Im Dezember des vergangenen Jahres erhielt die Freie Universität Berlin dann als erste Hochschule außerhalb der USA einen elektronischen Zugang zu dem Archiv des „Shoah Foundation Institute for Visual History and Education“ der University of Southern California (USC).
Während der „Langen Nacht der Wissenschaften“ können die Besucher beim gemeinsamen Themenschwerpunkt „Erinnerungen an den Holocaust“ der Universitätsbibliothek und des Centers für Digitale Systeme (CeDiS) dieses größte historische Video-Archiv weltweit kennen lernen. Interessierte erhalten bei Präsentationen einen Einblick in das wertvolle digitale Archiv, das von CeDiS-Mitarbeitern betreut wird, und können an Computern selbstständig oder angeleitet recherchieren. Außerdem berichtet der Zeitzeuge Werner Bab über seine Erfahrungen während des nationalsozialistischen Terrors. In der Eingangshalle der Universitätsbibliothek erwartet die Besucher eine Literatur-Ausstellung zum Thema Holocaust. Zudem werden im Informationszentrum digitale Quellen über den Nationalsozialismus vorgestellt.
Den Kontakt zum Video-Archiv des „Shoah Foundation Institute“ stellte der US-amerikanische Förderkreis „Friends of Freie Universität Berlin“ (FFUB) in New York her. Bereits kurz darauf bemühte sich der FFUB mit Erfolg um die Aufführung von „Darkling“, einer bei ihrer Weltpremiere 2006 in New York gefeierten Opernproduktion des „American Opera Projects“ (AOP). Heute Abend wird nun im Max-Kade-Auditorium des jüngst wiedereröffneten Henry- Ford-Baus die Adaption des gleichnamigen Buchs von Anna Rabinowitz zu sehen sein. Zusammengefügt sind Erzählungen aus der Zeit des Holocaust, die aus alten Briefen und unidentifizierten Fotos entstanden sind. Das Ergebnis ist eine Oper in zeitgenössischer Form: Dichtung wird mit Live-Musik unterlegt, das Drama mit projizierten Filmen und Bildern, mit Collagen aus gesprochenem Text und aufgezeichneten Tonlandschaften verflochten.
Die Veranstaltungen zum Thema „Erinnerungen an den Holocaust“ und die Aufführung der Opernproduktion sind zeitlich aufeinander abgestimmt. So können nach der Präsentation des Visual History Archive etwa das Zeitzeugengespräch mit Werner Bab und anschließend „Darkling“ besucht und damit die Erinnerungen möglichst vieler bewahrt werden.
„Erinnerungen an den Holocaust“, Ort: Universitätsbibliothek, Garystraße 39, 14195 Berlin, Gebäudenr. 3. Angaben zu Veranstaltungszeiten von Präsentationen, Zeitzeugengespräch und betreuter Recherche im Video-Archiv sowie weitere Infos unter www.ub.fu-berlin.de oder www.vha.fu-berlin.de.