Willkommen im virtuellen Semester
In dieser Woche hat das Sommersemester angefangen – und alles ist anders als sonst: Wegen der Coronavirus-Pandemie musste innerhalb kurzer Zeit ein virtuelles Semester auf die Beine gestellt werden.
21.04.2020
Was bedeutet es für eine international vernetzte Universität, wenn ihr Lehrangebot für rund 33000 Studierende und 4000 Doktorandinnen und Doktoranden digitalisiert werden muss? Wie lassen sich etwa 4500 ursprünglich geplante Vorlesungen, Seminare, Übungen, Tutorien und Praktika in den insgesamt 180 Studiengängen der Freien Universität digital abhalten? Wie soll man forschen, wenn Labore geschlossen sind, wenn Grabungen und Feldforschung ausfallen? Wie kann weiter mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern von ausländischen Universitäten und Forschungseinrichtungen an gemeinsamen Projekten gearbeitet werden, wenn Reisen zu Konferenzen, Arbeitstreffen und Tagungen unterbleiben müssen? Und ganz praktisch: Wer kümmert sich um die Pflege der Pflanzen und seltenen Sammlungen im Botanischen Garten? Wer versorgt die Tiere und Pflanzen in Biologie und Veterinärmedizin, wenn auf dem Campus minimaler Präsenzbetrieb angeordnet ist?
Es ist ein Kraftakt, ein Semester zu organisieren, das völlig ohne Präsenzveranstaltungen auskommen muss. Es ist eine Riesenherausforderung, es ist work in progress. Und es ist angesichts der Gefahren durch die weltweite Ausbreitung des Coronavirus’ unumgänglich.
„Wir hatten gar keine andere Wahl, als unser Studienangebot konsequent zu digitalisieren“, sagt Jörg Aschenbach, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Veterinär-Physiologie und Prodekan für Lehre am Fachbereich Veterinärmedizin. „Unsere Studierenden müssen bestimmte Fächer mit einem festgesetzten Stundenumfang in einer bestimmten Semesterreihenfolge absolvieren. Das ist so in der Verordnung zur Approbation von Tierärztinnen und Tierärzten festgelegt. Erst wenn ein Studienabschnitt beendet ist, können die Studierenden in den nächsten eintreten.“
Veranstaltungen zu verschieben, sei deshalb keine Option gewesen. Es mache sich nun bezahlt, sagt Aschenbach, dass in den vergangenen zehn Jahren am Fachbereich viele E-Learning- Initiativen gestartet worden sind: QuerVet etwa – eine Zusammenarbeit mit der Physik-Didaktik der Freien Universität und dem Center für Digitale Systeme (CeDiS). Das Projekt, bei dem Studierende über eine Lernplattform interdisziplinäre Fallbeispiele aus dem Arbeitsalltag von Tierärzten abrufen und bearbeiten können, wird schon seit 2016 in der Lehre eingesetzt.
Großer Zuspruch der Studierenden
Sozusagen am offenen Herzen arbeiten mussten Informatik-Professor Lutz Prechelt und sein Team: In deren Blockseminar war Anfang März der erste Verdachtsfall auf eine Coronavirus-Infektion an der Freien Universität aufgetreten, der sich kurz darauf bestätigte: Die Lehrveranstaltung in der vorlesungsfreien Zeit musste deshalb spontan das Format ändern und vom Präsenz- in den Online-Betrieb wechseln, berichtet Lutz Prechelt.
Mithilfe von Vorlesungsvideos aus vorangegangenen Jahren und durch „fieberhaftes Ausprobieren“ von Kommunikations-und Arbeitsplattformen konnten Vorlesung und Übungsbetrieb Ende März erfolgreich abgeschlossen werden – mit großem Zuspruch der Studierenden für die flexible Reaktion des Lehrteams.
Digital tagen
In der Physik lief bereits eine Woche vor Vorlesungsbeginn so ziemlich alles online: Gruppenseminare, Diskussionen und die Betreuung der Studierenden. „Wir sammeln auch schon Erfahrungen mit Disputationen und Mastervorträgen per Videokonferenz“, sagt der Dekan Professor Roland Netz. Alle Lehrveranstaltungen und Tutorien könnten im virtuellen Raum stattfinden. „Für einige Praktika haben wir interaktive Online-Angebote erstellt, andere müssen auf die vorlesungsfreie Zeit verschoben werden.“
Auch der Fachbereichsrat habe digital schon getagt, über eigens eingerichtete Chats tausche man sich zu Forschung und Lehre und über die Sorgen des Alltags aus.
Ähnliche Wege werden in der Biologie, Chemie und Pharmazie beschritten. Doch die Digitalisierung stößt hier auch an Grenzen, weil ein hoher Anteil an praktischer Ausbildung zum Studium gehört – sei es im Labor oder im Feld. „Jede Chemikerin und jeder Pharmazeut muss lernen, mit den eigenen Händen Wirkstoffe herzustellen und zu reinigen“, sagt Studiendekan Jörg Rademann. „Wir planen deshalb, die Laborpraktika in der vorlesungsfreien Zeit nachzuholen.“
In der Biologie konnten jedoch auch kreative Lösungen ohne Qualitätsverlust entwickelt werden: So können Studierende mithilfe von Smartphone-Apps wie pl@ntnet Praxisübungen zur Bestimmung heimischer Pflanzenarten allein in öffentlichen Parks durchführen.
Die Dahlem School of Education, unter deren Dach die Lehrkräftebildung der Freien Universität gebündelt wird, macht „digi4all“ für ihre Studierenden zugänglich. Das E-Learning-Studienangebot zur Digitalisierung in der Lehrkräftebildung wurde von Ralf Romeike entwickelt, Professor für Informatik-Didaktik an der Freien Universität.
Seit 20 Jahren digitales Lernen
Das digitale Lernen und Lehren hat an der Freien Universität Tradition: Seit rund 20 Jahren bietet CeDiS, das Center für Digitale Systeme, technisches Rüstzeug und Unterstützungsangebote in den Bereichen E-Learning, E-Examinations, E-Publishing und E-Research an.
„Für das digitale Sommersemester haben wir vor allem Angebote für Lehre, Studium und Prüfungswesen ausgearbeitet, die einfach umsetzbar und für eine möglichst große Anzahl an Lehr-, Lern- und Prüfungsformaten anwendbar sind“, erklärt CeDiS-Leiter Albert Geukes.Viele neue Ideen und Anregungen seien von den Lehrenden selbst gekommen: „Gemeinsam verantwortlich handeln – das Motto der Universität seit dem Ausbruch der Pandemie – bestimmt auch unsere Arbeit.“
Unterstützung bei hochschuldidaktischen Fragen, die sich durch die Umstellung aufs digitale Semester ergeben, bietet das am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie angesiedelte Team des Qualifizierungs- und Weiterbildungsprogramms SUPPORT für die Lehre: „E-Learning folgt anderen Gesetzen als die Präsenzlehre“, erläutern Katja Reinecke und Michaela Gugeler. „Wir beraten gern bei der Entwicklung kreativer Lösungen.“
Wie an allen Fachbereichen wurde auch in den Wissenschaftsbereichen Erziehungswissenschaft und Grundschulpädagogik sowie Psychologie alles fürs Lernen und Lehren im präsenzfreien Semester vorbereitet. Zudem hat das Team des Forschungsprojekts ProChild kurze Videos erstellt mit „Tipps für den Familien-Alltag in Corona-Zeiten“.
Am Arbeitsbereich Gesundheitspsychologie läuft im Rahmen der COVID-19-Forschung eine internationale Online-Studie zum „Händewaschverhalten“, an der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fachbereichs beteiligt sind. Die Hochschulambulanz für Psychotherapie der Freien Universität übernimmt die immer – und in diesen Zeiten besonders – wichtige Aufgabe, Menschen zu versorgen, die unter psychischen Erkrankungen leiden: vor Ort oder in Videosprechstunden.
„Ist ein digitales Semester für unsere Studierenden zumutbar und zu leisten?“
Am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften mit seinen zahlreichen Einzelfächern von Altorientalistik über Kunstgeschichte und Judaistik bis zu Vorderasiatischer Archäologie kann fast die gesamte Lehre digital stattfinden. „Das sind wir unseren Studierenden schuldig“, sagt der Dekan, Geschichtsprofessor Oliver Janz. Die Situation stelle allerdings alle – in der Wissenschaft wie in der Verwaltung – vor deutliche Herausforderungen und verlange ihnen große Anstrengungen ab.
Geschlossene Büros und Bibliotheken, eingeschränkter Zugang zu Lehrmaterialien, das verordnete Homeoffice, Kommunikation allein über E-Mails, Konferenzschaltungen oder Telefonate – alles sei kompliziert und zeitintensiv: „Jeden Tag werden die Probleme, die der ,minimale Präsenzbetrieb’ der Universität mit sich bringt, deutlicher“, sagt der Historiker. Hinzu kämen Belastungen im Privatleben durch geschlossene Kitas und Schulen: „Das ist vor allem für die befristet Beschäftigten ein Problem, die sich noch qualifizieren müssen und an Doktorarbeiten oder Habilitationen sitzen. Das bereitet uns Sorgen.“
Oliver Janz hofft vor allem eines: dass die durch das digitale Semester erschwerten Bedingungen Studierenden wie Lehrenden die große Leidenschaft für ihre wissenschaftlichen Gegenstände nicht nehmen mögen.
Forschung aus dem Homeoffice
In der Wirtschaftswissenschaft ruhen Laborexperimente und solche Projekte, für die man etwa das Forschungsdatenzentrum besuchen müsste, erläutert Jochen Hundsdoerfer, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Studiendekan des Fachbereichs. Abgesehen davon laufe die Forschung vom Homeoffice aus weiter. Das Lehrangebot fürs Sommersemester stehe – dank des großen Einsatzes am gesamten Fachbereich, wie Manuela Kasper aus dem Verwaltungsleitungsteam betont – zu fast 100 Prozent unter Nutzung diverser Online-Formate.
Ähnliches berichtet Theocharis Grigoriadis, Professor für Volkswirtschaftslehre am Osteuropa-Institut: Über die Lernplattform Blackboard und die Videokonferenz-Plattform Cisco Webex könnten Lehrveranstaltungen „problemlos durchgeführt“ werden. In einem sozial-und geisteswissenschaftlichen Institut könnten die Forschungsaktivitäten im Homeoffice fortgesetzt werden.
Auch in den inhaltlich und geografisch benachbarten Fachbereichen Politik- und Sozialwissenschaften sowie Rechtswissenschaft konnte das meiste auf Online-Betrieb umgestellt werden – „und zwar mit großem Enthusiasmus“, wie Politikwissenschaftsprofessor und Dekan Thomas Risse sagt.
Ignacio Czeguhn, Professor für Zivilrecht und Dekan des Fachbereichs Rechtswissenschaft, greift auf vorhandene digitale Lehrangebote zurück: Seit rund acht Jahren setzt er an seinem Arbeitsbereich das E-Learning-Programm „Culpanet“ ein. Damit erarbeiten die Jura-Studierenden selbstständig Falllösungen. Anschließend erhalten sie von den Dozierenden Hinweise zu den Lösungen sowie Verbesserungsvorschläge.
Lebensumstände der Studierenden
Labor- und Geländepraktika fallen in den Fachgebieten Geologie, Geografie und Meteorologie in diesem Semester wohl aus – diese wichtigen Lehrformen in der geowissenschaftlichen Ausbildung würden nachgeholt, sobald es die Umstände erlauben, sagt Studiendekan Professor Michael Schneider. Vorlesungen, Übungen und Seminare fänden digital statt. „Wichtig ist uns am Fachbereich vor allem, so weit wie möglich auf die besonderen Lebensumstände der Studierenden in dieser schwierigen Zeit Rücksicht zu nehmen.“
Die Situation der Studierenden beschäftigt auch Jessica Gienow-Hecht, Professorin für Neuere und Neueste Geschichte und Vorsitzende des Institutsrats am John-F.-Kennedy-Institut für Nordamerikastudien: „Wir werden rund 80 Prozent unserer Lehre anbieten können und dies ausnahmslos digital. Aber ist ein digitales Semester zumutbar für unsere Studentinnen und Studenten und zu leisten? Haben alle einen belastbaren Zugang zu Kommunikationsmitteln und -plattformen – unabhängig davon, wo sie sich derzeit auf der Welt befinden? Wir müssen die gängigen Kriterien und Anforderungen von Lesematerial und Forschungsaufgaben über Sprachnachweise, Transkripte bis hin zu Außenterminen und Auslandsstudium anpassen.“ In Online- Meetings, in die auch die Studierenden einbezogen sind, soll versucht werden, diese Fragen zu thematisieren und zu lösen.
Zu Hause fehlen die technischen Ressourcen
Auch für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sei die aktuelle Situation eine Herausforderung. Zwar sei das Homeoffice für Geistes- und Sozialwissenschaftler grundsätzlich keine Neuheit: „Wenn Daten, Literatur-Recherchen, Forschungsmaterialien eingeholt und gesichert sind, arbeiten und schreiben in der vorlesungsfreien Zeit viele von zu Hause aus“, sagt Jessica Gienow-Hecht.
Die jetzige Lage sei jedoch anders: „Keiner von uns hat zu Hause die technischen Ressourcen, die uns am Institut zur Verfügung stehen; das fängt bei leistungskräftigen Scannern, Kopierern und Computern an und endet bei der Institutsbibliothek.“ Von einem abgeschlossenen Arbeitsraum in der Wohnung ganz abgesehen. Davon betroffen seien auch die Beschäftigten in der Universitätsverwaltung – ohne deren Arbeit und Einsatz keine Abteilung, kein Institut und kein Fachbereich auch nur ansatzweise funktionieren würde.
Für viele Familien, sagt die Wissenschaftlerin, sei die Situation, in der Homeoffice und Homeschooling nebeneinander stattfinden müssten, eine Belastungsprobe – das sei für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am John-F.-Kennedy-Institut genauso wie andernorts in Berlin oder im Rest der Republik.
Telefonkonferenzen statt persönlicher Kontakte
Nur wenige Beschäftigte arbeiten derzeit mit einer Ausnahmegenehmigung auf dem Campus. Dazu gehört – neben der Corona-Taskforce – jeweils eine Notbesetzung in der Personalabteilung, den Bereichen Finanzen, Einkauf und Stellenwirtschaft, der Sozialberatung, der Poststelle, der Technischen Abteilung, der Studierendenverwaltung, den Fachbereichsverwaltungen, der Abteilung Forschung und im Präsidium.
Für die meisten hat sich der Arbeitsplatz ins Homeoffice verlagert, wodurch sich auch die Kommunikation ändert: Telefon- und Videokonferenzen über die Plattformen Cisco Jabber und Cisco Webex ersetzen den persönlichen Kontakt.
Bücher können digital ausgeliehen werden
Die Grundlagen hierfür wurden unter Hochdruck organisiert: Innerhalb von drei Tagen musste die Kapazität einiger Dienste durch die Aufrüstung vorhandener Server oder durch zusätzliche neue Server im Hintergrund stark erhöht werden, sagt Harald Scheelken, kommissarischer Leiter des Hochschulrechenzentrums Zedat. Zeitgleich mussten nötige Software-Lizenzen beschafft werden.
Auch durch die tatkräftige Unterstützung der IT-Fachleute in den Fachbereichen, Zentralinstituten und der Verwaltung sei es gut gelungen, die technischen Voraussetzungen für das Arbeiten von zu Hause aus zu schaffen, sagt Harald Scheelken.
An der Universitätsbibliothek (UB) und den Fachbibliotheken wurde nach ihrer Schließung ein Service eingerichtet: Wer ein Buch „entleihen“ möchte, kann dessen Digitalisierung in Auftrag geben. Eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter vor Ort scannt den Text – sofern es das Urheberrecht zulässt – innerhalb von 72 Stunden ein und versendet ihn per E-Mail.
Darüber hinaus werde bei jeder Bestellung geprüft, ob das Buch elektronisch verfügbar ist und, wenn ja, für die Universität gekauft, sagt Andreas Brandtner, Direktor der Universitätsbibliothek: „Unseren gesamten Etat für den Erwerb von Medien setzen wir nun für elektronische Ressourcen ein.“
„Kreativsemester“
Das gerade angelaufene Semester sei ein „Kreativsemester“, sagt Universitätspräsident Professor Günter M. Ziegler. Man probiere vieles aus, nicht alles werde sofort reibungslos funktionieren. Aber der Wille sei da. „Unseren Studierenden sind wir es schuldig, dass sie ihr Studium fortsetzen und abschließen können.“ Wissenschaft spiele derzeit in der Öffentlichkeit eine entscheidende Rolle, auch darum sei es richtig, die Universität trotz der geschlossenen Einrichtungen offen zu halten: „Die Coronavirus-Pandemie wirft viele Fragen auf, deshalb ist die Expertise auch unserer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den vielen Fachgebieten der Freien Universität wichtig.“
50 Jahre LAI – die Jubiläumsfeier wird verschoben
Das Lateinamerika-Institut (LAI) der Freien Universität Berlin besteht seit 50 Jahren. Eigentlich hatte das Jubiläum im Juni mit einem Festakt gefeiert werden sollen und mit einer Ausstellung zur Institutsgeschichte, die im Rahmen eines Praxisseminars für Masterstudierende erarbeitet worden ist. Veranstaltung und Ausstellungseröffnung müssen nun verschoben werden, aufgehoben sei die Feier nicht, sagt Sérgio Costa, Soziologieprofessor und Leiter des LAI. „Wir haben schon Pläne, wie wir das Jubiläum Ende des Jahres oder 2021 nachholen.“
Zugleich liefen die internationalen Aktivitäten des Instituts im Rahmen von Verbundprojekten auf digitaler Ebene weiter, sagt Costa. Dazu gehörten das internationale Graduiertenkolleg Temporalities of Future, das Forschungskolleg Mecila und das Postgraduiertenprogramm trAndeS: „Unsere Kooperationsstrukturen sind so solide, dass wir auch in Zeiten eingeschränkter Mobilität gemeinsam mit unseren lateinamerikanischen Kolleginnen und Kollegen lehren und forschen können.“
Donnerstags um zehn: 15-minütige Twitter-Vorlesung in der Theaterwissenschaft
Flexibel reagieren auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften: Die Theater sind zu? Dann gibt es eine Online-Übung mit einem Dramaturgen, in der an praktischen Beispielen untersucht wird, wie die Bühnen derzeit daran arbeiten, Kontakt zu ihrem Publikum zu halten. Immer donnerstags um zehn Uhr bietet die Professorin für Theaterwissenschaft Doris Kolesch auf Twitter eine viertelstündige „Vorlesung für alle“ an.
„Bei der Umstellung der rund 1000 Lehrveranstaltungen unseres Fachbereichs auf Online- und Distant-Formate hatten wir von Anfang an die Studierenden im Fokus“, sagt die Studiendekanin des Fachbereichs, Literaturwissenschaftsprofessorin Elke Koch. „Wir haben unsere Studentinnen und Studenten deshalb sehr früh informiert und sie gefragt, wer im Sommersemester einen Abschluss plant. So konnten wir diese Gruppe gezielt beraten.“
Die digitalen Lehr- und Lernszenarien seien technologisch einfach gehalten, um möglichst vielen den Zugang zu ermöglichen. „Gerade Studierende, die jetzt ihren Job verloren haben, sollen ihre Zeit produktiv fürs Studium einsetzen können.“ Den Appell der Studiendekanin, die Zeit für aufgeschobene Hausarbeiten zu nutzen, hätten sich offenbar viele zu Herzen genommen: „Besonders bei Modulen, die von Studierenden gern mal aufgeschoben werden, hatten wir so viele Anmeldungen, dass wir kurzfristig zusätzliche Lehrangebote bereitstellen mussten.“
Die Krise macht deutlich: Nicht alles lässt sich ins Virtuelle übertragen
Die erste Semesterwoche ist vorbei. Es läuft – wenn auch nicht ganz ohne Knirschen. Wie auch bei einer Situation, für die es keine Vorlage gibt? Es sei enorm wichtig, dafür zu kämpfen, dass die Studierenden durch die Krise kein Studienjahr verlieren, sagt Veterinärmediziner Jörg Aschenbach. Er hofft dennoch, dass sich die epidemiologische Situation so entwickele, dass noch während des Semesters wieder in den Präsenzmodus gewechselt werden könne: „Die solide Ausbildung am Tier ist schlussendlich nicht durch Online-Lehre ersetzbar.“
Nicht alles lässt sich ins Virtuelle übertragen. Auch das ist schon jetzt ein Ergebnis der Krise: Der direkte Kontakt zwischen Menschen, spontane Gespräche, Diskussionen, die durch zufällige Begegnungen auf dem Flur, nach der Vorlesung oder am Rande von Tagungen entstehen – das fehlt.