Prüfgremien
Der Auftrag in beiden Fällen bestand darin, die Dissertation nach § 34 Abs. 7 des Berliner Hochschulgesetzes zu prüfen. Das zweite Prüfgremium prüfte unter Einbeziehung der Ergebnisse der drei Gutachten, darunter das von Professor Battis, das die Freie Universität Berlin im Sommer 2020 in Auftrag gegeben hatte.
Nach § 34 Abs. 8 des Berliner Hochschulgesetzes entscheidet das Präsidium auf Vorschlag eines Prüfgremiums im Sinne von § 34 Abs. 8 des Berliner Hochschulgesetzes. Der ursprüngliche Schlussbericht trug nach den im Gutachten von Prof. Dr. Dr. h. c Battis vom 4. November 2020 dargestellten rechtlichen Maßstäben nicht die darauf gestützte Entscheidung des Präsidiums. Es sollte deshalb diese Entscheidung überprüft und eventuell eine neue Entscheidung auf der Grundlage eines neuen Vorschlags getroffen werden.
Dem zweiten Prüfgremium gehörten an:
- Prof. Dr. Sérgio Costa (Vorsitz)
- Prof. Dr. Kirstin Drenkhahn
- Prof. Dr. Jürgen Neyer
- Prof. Dr. Dieter Ohr
- Prof. Dr. Christian Pestalozza
- Prof. Dr. Joachim Trebbe
- Dr. Kirsten Jörgensen
Zum ersten Prüfgremium zählten:
- Prof. Dr. Edgar Grande
- Prof. Dr. Miriam Hartlapp
- Prof. Dr. Bernd Ladwig (Vorsitz)
- Prof. Dr. Barbara Pfetsch
- Dr. Ingo Peters
Vorsitzende übernehmen in Prüfgremien organisatorische Aufgaben. Die Verantwortung für die Überprüfung und für das Ergebnis tragen alle Mitglieder gleichgestellt.
Nach § 34 Abs. 8 des Berliner Hochschulgesetzes liegt es in der Zuständigkeit des Promotionsausschusses des betroffenen Instituts, hier des Otto-Suhr-Instituts, ein Prüfgremium einzurichten, das in der Zusammensetzung einer Promotionskommission nach der zum Einsetzungszeitpunkt am Fachbereich gültigen und somit aktuellen Promotionsordnung entspricht. Hiernach muss das Gremium mit mindestens vier Hochschullehrerinnen oder Hochschullehrern und einer promovierten akademischen Mitarbeiterin oder einem promovierten akademischen Mitarbeiter, besetzt sein. Es können externe Hochschullehrerinnen oder Hochschullehrer eingesetzt werden, von den Hochschullehrerinnen oder Hochschullehrern müssen jedoch mindestens drei Mitglieder dem Fachbereich angehören.
Die Betreuerin der Doktorarbeit war kein Mitglied des ersten oder zweiten Prüfgremiums, das einen Entscheidungsvorschlag zu unterbreiten hatte, ob der Doktorgrad durch Täuschung durch die Doktorandin erworben wurde.
Dies gilt auch für die Einsetzung des zweiten Prüfgremiums: Die Betreuerin der Doktorarbeit war an der Einsetzung dieses Gremiums nicht beteiligt. Die Freie Universität hält fest, dass weder die Betreuung noch die Bewertung der Dissertation Gegenstand des hier einschlägigen Verfahrens im Sinne von § 34 Abs. 7 des Berliner Hochschulgesetzes waren und sind. Die Betreuerin der Doktorarbeit war Anfang 2019, zum Zeitpunkt der Bitte von Franziska Giffey, ihre Dissertationsarbeit zu überprüfen, Vorsitzende des Promotionsausschusses. Als solche war sie bei der Einsetzung des Gremiums gemäß § 34 Abs. 8 des Berliner Hochschulgesetzes stimmberechtigt beteiligt. Da der Beschluss von allen vier Mitgliedern des Promotionsausschusses getroffen wurde und da weder die Betreuung noch die Bewertung der Dissertation, sondern die Klärung der Täuschungsvorwürfe Gegenstand des Verfahrens im Sinne von § 34 Abs. 7 des Berliner Hochschulgesetzes waren, hielt die Freie Universität Berlin die Mitwirkung der Betreuerin der Doktorarbeit in diesem Rahmen für regelkonform.
Nach erneuter kritischer Prüfung könnte in Zukunft der mögliche Anschein einer Besorgnis der Befangenheit besser vermieden werden, wenn Betreuende im Promotionsverfahren nicht an der Entscheidung über die Einsetzung eines solchen Prüfgremiums mitwirken. An der Einsetzung des zweiten Gremiums war die Betreuerin der Doktorarbeit daher nicht beteiligt.
Die Freie Universität legt einerseits selbst großen Wert auf Transparenz der Verfahren; sie muss andererseits aber die schutzwürdigen Interessen ihrer Studierenden und Promovierenden in Prüfungsprozessen, Persönlichkeitsrechte an privaten Notizen und Unterlagen sowie die Rechtssicherheit und Vertraulichkeit von Prüfungs- und Begutachtungsprozessen achten. Rechtssicherheit musste zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens gewährleistet sein.
Beide Prüfgremium kommen zu dem Ergebnis, dass im Falle der Dissertation Täuschung und zumindest bedingter Vorsatz vorlag und dass die Arbeit nicht den Vorgaben der guten wissenschaftlichen Praxis entspricht. In einer Gesamtbewertung kam das erste Prüfgremium zu der Empfehlung, das Mittel der Rüge zu nutzen, den Doktorgrad aber nicht zu entziehen. Die drei Rechtsgutachten, nach denen das Präsidium schlussfolgerte, es sei allenfalls in einem minderschweren Fall eine Rüge möglich, lagen zu dem Zeitpunkt der Empfehlung des ersten Prüfgremiums und der Entscheidung des Präsidiums noch nicht vor. Das zweite Prüfgremium konnte die nunmehr erkannte Rechtslage durch die drei vorliegenden Gutachten nutzen und seine Empfehlung vor diesem Hintergrund ausrichten.
Das Präsidium stellte in Kenntnis der drei Gutachten und auf Basis des Berichts des zweiten Prüfgremiums fest, dass kein minderschwerer Fall vorliegt und entschied daher am 8. Juni 2021, die Rüge-Entscheidung aufzuheben und den Doktorgrad zu entziehen.
Es wurde wie beim ursprünglichen Verfahren zur Überprüfung der Dissertation nach § 34 Abs. 7 und 8 des Berliner Hochschulgesetzes verfahren. Das Präsidium bat den Fachbereich, durch den Promotionsausschuss ein Prüfgremium gemäß § 34 Abs. 8 des Berliner Hochschulgesetzes einzusetzen. Es bestand der Wunsch, das Verfahren - ungeachtet der Komplexität und trotz der Pandemielage - möglichst in der Vorlesungszeit des Wintersemesters abzuschließen. Doch der notwendige Findungsprozess zur Besetzung des Prüfgremiums erwies sich als aufwendiger als erhofft. Danach konnte das Prüfverfahren zügig durchgeführt werden.