Zur geplanten wissenschaftlichen Veranstaltung mit Francesca Albanese und Eyal Weizman am 19.02.2025
Angesichts der aktuellen Polarisierung und der nicht kalkulierbaren Sicherheitslage hat das Präsidium entschieden, dass die für den 19.02.2025 geplante wissenschaftliche Veranstaltung mit Vortrag und Diskussion mit der UNO-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese und dem Direktor von „Forensic Architecture“ Eyal Weizman an der Freien Universität nicht als öffentliche Präsenzveranstaltung stattfinden kann. Das Präsidium hat den organisierenden Professor*innen angeboten, eine Realisierung der wissenschaftlichen Veranstaltung im digitalen Raum zu ermöglichen.
Die Freie Universität Berlin stellt sich ihrer Verantwortung als Ort der freien Wissenschaft und des offenen Diskurses. Wissenschaftsfreiheit bedeutet, dass auch kontroverse Themen diskutiert werden können - gleichzeitig müssen Universitäten sicherstellen, dass wissenschaftliche Veranstaltungen in einem Rahmen stattfinden, der einen sachlichen Austausch ermöglicht. „Wo, wenn nicht an einer Universität können kontroverse Debatten geführt, Standpunkte gehört und wissenschaftlich eingeordnet werden. Wissenschaftsfreiheit ist ein grundgesetzlich geschütztes Gut, welches man nicht hoch genug bewerten kann. Politische und öffentliche Einflussnahme und zunehmende Polarisierung schaden der Wissenschaft.“, sagte Prof. Günter M. Ziegler.
Erklärung von Prof. Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin, zur geplanten Veranstaltung mit Francesca Albanese und Eyal Weizman, unter Tagesordnungspunkt „Mitteilungen und Anfragen“ der 822. Sitzung des Akademischen Senats am 12.02.2025:
– Es gilt das gesprochene Wort –
Wie Sie alle aus der Presse mitbekommen haben werden, gibt es zurzeit eine umfassende Kontroverse um eine anstehende Veranstaltung mit Francesca Albanese, Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die besetzten Gebiete Palästinas, und Eyal Weizman, Gründer und Direktor des Forensic Architecture-Projekts und Professor of Spatial and Visual Cultures an der University of London.
Geplant ist ein wissenschaftlicher Vortrag mit anschließender Diskussion, der von mehreren Professor*innen der FU Berlin aus den Geistes- und Sozialwissenschaften gemeinsam organisiert wurde mit dem Ziel eines wissenschaftlichen Austauschs über grundlegende Fragen des rechtlichen, politischen und gesellschaftlichen Umgangs mit dem Krieg in Israel und Palästina.
Es gibt an den Universitäten in Berlin unter Studierenden und Mitarbeiter*innen ein großes Bedürfnis nach inhaltlichen Diskussionen zu diesem Themenkomplex, für die es aber aufgrund der polarisierten öffentlichen Diskussion und politischen Interventionen kaum die entsprechenden Räume gibt. Es gehört zu den grundlegenden Aufgaben der Universität, solche Räume zu eröffnen und wissenschaftlich fundierte Diskussionen auch über kontroverse Fragen zu ermöglichen. Es ist etwas Besonderes für eine Universität, Vorträge von UN-Vertreter*innen zu hören und eine einmalige Gelegenheit für Studierende, in Austausch mit ihnen treten zu können.
Es gibt nun aus verschiedenen Richtungen massive Kritik an beiden Gästen der geplanten Veranstaltung, inklusive Vorwürfen von Antisemitismus und Hamas-Verharmlosung. Auf Basis dieser Vorwürfe bin ich nachdrücklich dazu aufgefordert worden, die Veranstaltung sofort abzusagen.
Um das klarzustellen: Natürlich bieten wir Antisemitismus an der Freien Universität keine Bühne! Und nein, Antisemitismus ist nicht durch die Wissenschaftsfreiheit gedeckt.
Wissenschaftsfreiheit, die Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre, ist ein zentrales Grundrecht. Art. 5(3) GG. Satz 2 sagt gleichzeitig: „Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“
Gleichwohl beobachten wir alle mit Sorge, dass Wissenschaftsfreiheit international massiv unter Druck steht. Und damit meine ich nicht nur die Situation in Deutschland und nicht nur die dramatische Situation in den USA.
Die Freie Universität ist gegründet worden, um für Wissenschaftsfreiheit einen sicheren Platz zu haben – ein halbes Jahr vor Beschluss des Grundgesetzes [23.5.1949], und auch deshalb heißt sie Freie Universität.
Nun ist die Veranstaltung einerseits von verschiedenen Aktivistengruppen beworben und vereinnahmt worden, die es auch geschafft haben, den Eindruck herzustellen, als seien sie Mitveranstalter oder Kooperationspartner und dass das eben nicht eine Veranstaltung von Wissenschaftler*innen der Freien Universität sei. Und die die Veranstaltung verwenden wollen, um einen schwierigen und belastenden Konflikt selbst auf die Bühne zu bringen, wo es uns doch um einen wissenschaftlichen Diskurs gehen muss.
Es besteht damit die akute Gefahr und, das muss ich leider feststellen, auch die Erwartung, dass man in der Veranstaltung angesichts der aufgeheizten Stimmung, des Aktivismus im Vorfeld und der Mobilisierung nach außen zum eigentlichen Thema gar nicht mehr kommt, sondern stattdessen einen großen Konflikt in den Saal trägt.
Stattdessen bedarf es der wissenschaftlichen, auch kontroversen Debatte, und natürlich brauchen wir das auch an der Freien Universität, wo es dafür ausgewiesene Expertise und ebenso Informationsinteresse und Informationsbedarf gibt.
Gleichwohl müssen wir zur Einsicht kommen, dass wir in der aktuellen Situation die Sicherheit aller Beteiligten und Unbeteiligten der geplanten Veranstaltung nicht mehr vernünftig garantieren können und dass das Ziel einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung aufgrund der starken Polarisierung nicht mehr erreichbar ist.
Daher haben wir als Präsidium entschieden, dass die Veranstaltung nicht wie bisher geplant als öffentliche Präsenzveranstaltung stattfinden kann. Das Präsidium hat den organisierenden Professor*innen angeboten, eine geeignete Realisierung der Veranstaltung an der Freien Universität mit wissenschaftlicher Diskussion im digitalen Raum zu ermöglichen. Hierzu ist die Gruppe der Professor*innen noch im Austausch.
Um es kurz und knapp zu sagen: Weil Ziel und Zweck der wissenschaftlichen Veranstaltung als wissenschaftliche Veranstaltung aufgrund der aktuellen Polarisierung und der nicht kalkulierbaren Sicherheitslage nicht realisiert werden kann, wird die Veranstaltung in der angekündigten Form abgesagt. Die Debatte und die Diskussion soll aber anders ermöglicht werden, dafür ist die FU da.
Wissenschaftsfreiheit ist ein hohes Gut. Das werden wir jetzt und auch in Zukunft verteidigen. Aber klar bleibt: Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung sind weder mit der Wissenschafts- noch mit der Meinungsfreiheit gedeckt. Für sie gibt es an der Freien Universität jetzt und auch in Zukunft keine Bühne.
Ergänzender Hinweis, 13.02.2025: Im späteren Verlauf der AS-Sitzung ließ der Präsident verlauten, gemäß eines just online publizierten Artikels in der taz sei die o.g. Professor*innengruppe nicht bereit, die Veranstaltung in den digitalen Raum zu verlagern. Diese Darstellung der taz erwies sich im Nachhinein als unkorrekt. Stattdessen sind die eigeladenen Referent*innen nicht bereit, die Präsenzveranstaltung durch ein virtuelles Format zu ersetzen. Die taz hat die Passage inzwischen entsprechend korrigiert.