Vom Influenza-A-Virus bis liberale Werte
Einstein Stiftung fördert an der Freien Universität zwei neue Visiting Fellows und verlängert zwei bestehende Fellowships
Nr. 008/2025 vom 21.01.2025
Wie gut können liberale Ideen und Werte autoritärer Unterdrückung standhalten? Wie funktionieren antivirale Arzeien und was lässt sich daraus zur Vorbereitung auf künftige Pandemien lernen? Versprechen Methoden zur Erforschung von Entstehung und Verschwinden atmosphärische Wirbel und Ozeanströme auch Erkenntnisgewinn über Entstehen und Zerfall sozialer Kohärenz? Fragen wie diese erforschen insgesamt vier Visiting Fellows an der Freien Universität Berlin, deren (Weiter-) Förderung die Einstein Stiftung Berlin jüngst bekannt gegeben hat.
Tomila Lankina, Professorin an der London School of Economics, will als Einstein Visiting Fellow am Exzellenzcluster SCRIPTS der Freien Universität Berlin klären, ob das städtische Bürgertum Russlands und der Ukraine seine liberalen Werte in der Sowjetunion beibehielt und wie sich die kommunistische Unterdrückung langfristig auf das Protestverhalten dieser Gruppen auswirkte. Da Feldforschung in Russland derzeit nicht möglich ist, wird Lankina in ihrem Forschungsprojekt mit Exilgemeinschaften in Berlin zusammenarbeiten.
Nevan Krogan, Leiter des Instituts für Quantitative Biowissenschaften an der University of California, San Francisco (USA), wird als Einstein Visiting Fellow an der Freien Universität Berlin untersuchen, wie das Influenza-A-Virus das Proteom (also die Gesamtheit produzierter Proteine und ihrer Signalwege) infizierter Wirtszellen umstrukturiert, um sich selbst zu vermehren. In Zusammenarbeit mit der Gruppe von Christian Freund, Sprecher des Transregio TRR186, wird Krogan analysieren, welche Modifikationen an den Wirtsproteinen nach der Infektion menschlicher Lungenzellen auftreten. Mit modernster Massenspektrometrie, Elektronenmikroskopie und molekularem Modellieren soll dann untersucht werden, wie sich Virus- und Wirtsproteine zu Komplexen zusammenfügen. Die gewonnenen Daten sollen dabei helfen, den Wirkmechanismus neuer antiviraler Arzneien zu verstehen, mögliche neue Ansatzpunkte für Medikamente zu identifizieren und so letztlich die Vorbereitung auf Pandemien zu verbessern.
Für zwei weitere Einstein Visiting Fellows wurden Verlängerungen der Förderung bewilligt: Alva Noë, Professor für Philosophie und Kognitionswissenschaften von der University of California, Berkeley (USA), setzt sein Projekt "Reorganizing Ourselves" an der Freien Universität Berlin fort. Ziel ist es, Gemeinsamkeiten zwischen Kunst und Philosophie als Reflexionsformen untersuchen.
Ebenfalls weiterführen wird Gary Froyland, Professor für Mathematik von der University of New South Wales (AUS), seine Forschung an der Freien Universität Berlin zur Vorhersagbarkeit von komplexen dynamischen Phänomenen in den Ozeanen und der Atmosphäre sowie in der Gesellschaft weiterführen. Um zwischen diesen stark unterschiedlichen Anwendungsfeldern eine Brücke zu schlagen, erforscht Froyland gemeinsam mit Fachkolleg*innen mittels mathematischer Methoden sogenannte kohärente Strukturen, die in diesen dynamischen Prozessen verborgen liegen. Die Wissenschaftler*innen untersuchen, wie sich atmosphärische Wirbel und Ozeanströme herausbilden und wieder verschwinden und gehen somit ungelösten Fragen der Strömungsdynamik nach. Ferner will Froyland prüfen, inwieweit man derartige Methoden auf das Entstehen oder den Zerfall sozialer Kohärenz übertragen könnte.
Die Einstein Stiftung Berlin
Die Einstein Stiftung Berlin ist eine gemeinnützige, unabhängige und wissenschaftsgeleitete Einrichtung, die 2009 als Stiftung bürgerlichen Rechts gegründet wurde. Sie fördert Wissenschaft und Forschung fächer- und institutionenübergreifend in und für Berlin auf internationalem Spitzenniveau. Rund 240 Wissenschaftler:innen – unter ihnen drei Nobelpreisträger –, über 70 Projekte und acht Einstein-Zentren wurden bislang gefördert. (jkr)
Weitere Informationen
- zum Einstein Visiting Fellows Programm: https://www.einsteinfoundation.de/foerderung/einstein-visiting-fellow
- zur Pressemitteilung der Einstein Stiftung: https://www.einsteinfoundation.de/presse/2025/17012025-02/2025