Studie: Rechtspopulistische Netzwerke nutzen für das Thema Klimawandel eine eigene Sprache und beeinflussen die Kommunikation der AfD
Politikwissenschaftler Prof. Dr. Curd Knüpfer und Dr. Matthias Hoffmann von der Freien Universität Berlin werteten Onlinetexte und Social-Media-Post rechtspopulistischer Nachrichtenseiten aus
Nr. 087/2024 vom 26.04.2024
Rechtspopulistische Netzwerke kommunizieren online und in Sozialen Medien über den Klimawandel in einer eigenen Sprache und beeinflussen damit maßgeblich die Kommunikation der AfD. Zu diesem Ergebnis kommen die beiden Politikwissenschaftler Prof. Dr. Curd Knüpfer und Dr. Matthias Hoffmann von der Freien Universität Berlin. In ihrer Studie, die gerade im Fachmagazin Political Communication erschienen ist, identifizierten die Wissenschaftler 69 klimaspezifische Begriffe, die besonders häufig von Netzwerken am rechten Rand des politischen Spektrums verwendet werden und in den klassischen Medien keine Rolle spielten. Dazu zählten Begriffe wie „Ökopopulisten“ „Greta-Jugend“, „Klimanazis“, „Klimafanatiker“ und „Klimasekte“. Die AfD greift in ihrer Kommunikation auf den Input rechtspopulistischer Nachrichtenseiten zurück, wie die Forscher weiter herausfanden: Auf den untersuchten rechtspopulistischen Nachrichtenseiten tauchten 42 Prozent der identifizierten Begriffe auf, bevor sie in den Posts der AfD Verwendung fanden.
„Diese Ergebnisse deuten auf größere ideologische Netzwerke hin, die abseits der herkömmlichen Massenmedien rund um das Themenfeld Klimawandel eine eigene Form der Sprache kultivieren“, erläutert der Politikwissenschaftler Curd Knüpfer. Es zeige sich, dass die politische Plattform der AfD sich hier bei der inhaltlichen Färbung der Thematik – dem sogenannten Framing – direkt bediene, diese aufgreife und ihr somit eine weitere Verbreitung und Relevanz bescheren könne. Für ihre Studie werteten die Wissenschaftler rund 11.000 Onlineartikel und rund 18.000 Social-Media-Posts der AfD, besonders aktiver Influencer-Accounts und rechter Nachrichtenseiten in einem Zeitraum von 1,5 Jahren anlässlich der Europawahl 2019 aus.
Durch quantitative Textanalyse identifizierten die Forscher Begriffe und kurze Phrasen, die in dem Zeitraum nur in Online-Netzwerken der AfD und rechtspopulistischen Medien auftauchten, nicht aber in klassischen Massenmedien. Die Begriffe und Phrasen fallen in zehn größere Kategorien, die den – aus Sicht dieser Netzwerke – vermeintlichen „Glauben“ an Klimawandel darstellen als ein ideologisches, totalitäres oder pseudo-religiöses Projekt. Ein Framing, das auf eine direkte Leugnung des Klimawandels hindeutet, tritt zwar auch auf, kommt aber deutlich seltener vor. Ebenso finden sich der Studie vorrangig Begriffe, die darauf abzielten, bestehende politische Ansätze oder politische Gegner anzugreifen oder abzuwerten. „Es werden dabei kaum Problemdefinitionen gefunden, die direkt auf den Klimawandel als Problem oder auf umsetzbare politische Ziele oder auf praktikable Lösungsansätze hinweisen“, betont Curd Knüpfer. Stattdessen werde hier vorrangig suggeriert, politische Gegner redeten ein nicht ernstzunehmendes Problem herbei.
In einem weiteren Schritt wurde mit Hilfe von Zeitreihenanalyse ermittelt, in welcher Abfolge die Begriffe in diesen Netzwerken auftauchen. Hier zeigt sich eine Dynamik, nach der die AfD sich aktiv aus ihren digitalen Netzwerken und bei „alternativen Medien“ bedient, und sich deren Framing zu Nutze macht.(cwe)
Klima-Begriffe in rechtspopulistischen Netzwerken nach zehn Oberthemen:
- Ideologie
„grüne Ideologien”, “Ökopopulisten”, “Ökosozialisten”, “Klimaideologen”, “grüne Ideologen”, “Klima-Ideologen”, “grüne Ideologie”, “links-grüne”, “Klima-Ideologie”)
- Totalitarismus:
„Stasi-Methoden“, „Öko-Stasi“, „Klima-Verhör“, „Enteignungsphantasien, „Indoktrinieren“, „Greta-Jugend“, „Klimanazis“, „Öko-Diktatur“
- Irrsinn/Geisteskrankheit:
„Klima-Wahnsinnige“, „Massenpsychose“, „Autohass“, „Klima-Irrsinn“, „Klimawahn“
- Hysterie / Panikmache:
„Hysteriker“, „unverantwortliche Panikmache“, „reine Panikmache“, „Klima-Alarmismus“, „Klima-Alarmisten“, „Klimahysteriker“
- Religion / Kult:
„Hohepriesterin“, „Klimafanatiker“, „Gretas Jünger“, „Öko-Fanatiker“, „Greta-Kult“, „Klima-Kult“, „Klima-Religion“, „Klima-Jünger“, „Klima-Kirche“, „Klima-Sekte“, „Greta-Jünger“
- Heuchelei / Moralische Überheblichkeit:
„Klimasünder Fußballfan“, „Hypermoralisten“, „pure Heuchelei“, „grüne Doppelmoral“, „Hypermora“, „Bessermenschen“, „Wasser predigen“
- Herablassung/Abschätziges gegenüber Fridays for Future / Greta Thunberg:
„schwänzende Schüler“, „Schulschwänzer-Demos“, „Klima-Schulschwänzer“, „Klein-Greta“, „Klima-Greta“
- Negieren/Abstreiten:
„Fake-Wissenschaft“, „Klimaerkältung“, „Deutschland bibbert“, „Energiewende irgendetwas bewirken“, „Klimalüge“
- Kosten:
„Atemsteuer“, „höchsten Strompreis“
- Anderes:
„GEZ-Mafia“, „menschengemachtes CO2“, „Abschaffung Deutschlands“, „politisch unliebsame Professoren“, „Klimahüpfer“, „Deutschland verrecke“, „Palmöl-Plantagen“, „Umweltzerstörungspartei“, „Atomlobby“, „Klimaschädlinge“, „Gegenöffentlichkeit“
Weitere Informationen:
Die Studie „Countering the ‚Climate Cult‘ – Framing Cascades in Far-Right Digital Networks“ ist Political Communication erschienen und online abrufbar unter: https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/10584609.2024.2332762.
Kontakt
- Prof. Dr. Curd Knüpfer, John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin, E-Mail curd.knuepfer@fu-berlin.de
- Dr. Matthias Hoffmann, Babeș-Bolyai University, Cluj-Napoca, Romania, E-Mail matthias.hoffmann@ubbcluj.ro