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Zwischen den Fronten

Julian Jestadt schickt Post aus Jerusalem: Kürzlich war er zum zweiten Mal im Westjordanland

17.01.2020

Das Bild zeigt Julian Jestadt im Botanischen Garten in Jerusalem. Die 1931 begründete Anlage befindet sich auf dem Campus der Hebrew University.

Das Bild zeigt Julian Jestadt im Botanischen Garten in Jerusalem. Die 1931 begründete Anlage befindet sich auf dem Campus der Hebrew University.
Bildquelle: Privat

Zwei aufgebrachte Menschengruppen stehen sich schreiend und wild gestikulierend am Abhang des Hill 833 südlich von Hebron gegenüber. Von weitem sehe ich einen jungen Mann blutend am Boden liegen, Bisswunden am linken Oberarm. Während ich mich dem Geschehen langsam durch die Olivenbäume des steinigen Tales nähere, fahren mehrere Fahrzeuge der Israel Defense Forces vor. Eine der israelischen Friedensaktivistinnen, die ich heute aus Interesse durch die Westbank begleite, warnt mich: „Wenn Steine fliegen, entferne dich rückwärts, um ausweichen zu können!“

Am Hill 833: Ein Siedler steht einer Gruppe von Palästinensern gegenüber. Er lässt seine Pistole, die er in seiner rechten Hosentasche hat, keinen Moment los. Palästinenser filmen, um sich zu schützen. Israel Defense Forces versuchen zu vermitteln.

Am Hill 833: Ein Siedler steht einer Gruppe von Palästinensern gegenüber. Er lässt seine Pistole, die er in seiner rechten Hosentasche hat, keinen Moment los. Palästinenser filmen, um sich zu schützen. Israel Defense Forces versuchen zu vermitteln.
Bildquelle: Privat

Drei Zonen Westbank: Zone C steht unter israelischer Verwaltung. Zone B wird sowohl von Israelis als auch von Palästinensern verwaltet. Zone A steht unter palästinensischer Kontrolle. Israelis ist der Zutritt dort untersagt.

Drei Zonen Westbank: Zone C steht unter israelischer Verwaltung. Zone B wird sowohl von Israelis als auch von Palästinensern verwaltet. Zone A steht unter palästinensischer Kontrolle. Israelis ist der Zutritt dort untersagt.
Bildquelle: Privat

Bei meinem zweiten Ausflug in die Westbank, auf Deutsch Westjordanland, gerate ich in eine Auseinandersetzung zwischen Palästinensern und jüdischen Siedlern. Was für mich zwangsläufig aufregender „Konflikttourismus“ bleibt, ist für die Bewohner der Westbank – 2,6 Millionen Palästinenser und 700.000 jüdische Siedler – trauriger Alltag. Mal werfen Palästinenser Steine, mal zerstören Siedler palästinensische Olivenbäume. Ein Kreislauf von Provokationen, Gewalt und Pauschalverurteilungen mit mal mehr, mal weniger blutigen Auswüchsen.

Zwei Männer sitzen auf den Ruinen der Moschee ihres Dorfes. Israel Defense Forces haben sie zerstört, weil Palästinenser sie ohne Baugenehmigung gebaut haben. Eine Genehmigung bekommen sie nicht, weil das Gebiet zur Militärzone erklärt wurde.

Zwei Männer sitzen auf den Ruinen der Moschee ihres Dorfes. Israel Defense Forces haben sie zerstört, weil Palästinenser sie ohne Baugenehmigung gebaut haben. Eine Genehmigung bekommen sie nicht, weil das Gebiet zur Militärzone erklärt wurde.
Bildquelle: Privat

Israel eroberte 1967 im Sechs-Tage-Krieg die Westbank, die nach internationalem Recht als besetzt gilt. Seitdem werden Siedler durch günstiges Bauland, staatliche Subventionen und den religiös motivierten Wunsch, das biblische Eretz Israel wieder zu besiedeln, in die Westbank gelockt. Inzwischen gibt es dort mehr als 250 Siedlungen, die eine Zweistaatenlösung immer unwahrscheinlicher werden lassen.

Das führt zu Situationen wie der oben beschriebenen. Jüdische Siedler baden in dem Wassertank von Palästinensern. Die Situation eskaliert: Geschrei, Beschimpfungen, ein Palästinenser wird von dem Hund eines Siedlers gebissen. Erst als das Militär eine Sperrzone errichtet, entspannt sich die Lage wieder.

Während die Siedlungen mehrheitlich als völkerrechtswidrig angesehen werden, vollzog die Trump-Administration im November vergangenen Jahres eine Kehrtwende: Die Siedlungen seien „nicht per se unvereinbar mit internationalem Recht“, hatte US-Außenminister Mike Pompeo erklärt. Eine Neubewertung, die die Lage weiter verschärfen könnte.

Weitere Informationen

Julian Jestadt schickt ein Semester lang „Post aus…Jerusalem“! Er ist einer von elf Autorinnen und Autoren, die von ihren Auslandsstudienaufenthalten für campus.leben berichten, ihre Artikel finden Sie hier.

Hier lesen Sie Julian Jestadts erste Post aus Jerusalem auf Deutsch oder Englisch. Seine zweite Post ist auch auf Englisch verfügbar.