Tatsächlich Brexit?
Post aus Birmingham: Ben Heiden bereitet sich auf den nun wohl bevorstehenden EU-Austritt der Briten vor und genießt das Studentenleben
20.01.2020
Im strömenden Regen drängeln wir uns zu viert unter einem kleinen Regenschirm. Es ist Samstagabend, und wir stehen in der Schlange für die Fab-Night. Wöchentlich lädt die Studentenunion zur Party in ihren Hallen auf dem Campus. Die „Fab“ ist neben Pub-Abenden, Unisport und Take-Away-Pizza ein zentraler Bestandteil des Birminghamer Studentendaseins. „For some reason I really want to talk about Brexit right now”, beginnt einer der betrunkenen Briten unter unserem Schirm. Und schon sind wir mitten in einer politischen Diskussion über Boris Johnson und die Unsinnigkeit des EU-Austritts.
Viele Studierende durften beim Referendum 2016 noch nicht mitentscheiden. Einen Abschied von der EU will an der Uni fast niemand. Nur auf der Society Fair, die zahlreichen Studierendengruppen zu Beginn des Studienjahrs die Möglichkeit bot, sich den Erstis und anderen Interessierten vorzustellen, fielen einige „Boris Johnson“-Hüte und T-Shirts mit Brexit-Sprüchen auf. Ihre Träger: die Studierendenabteilung der Conservative Party. „Wir wollen die Kontrolle zurück“, erklären sie mir. Sie kritisieren vor allem, dass es der EU-Kommission an demokratischer Legitimation fehlt, und wollen keine Gelder mehr nach Brüssel schicken.
Dass die Scheine auch in die andere Richtung fließen, lassen sie aus. Tatsächlich profitiert gerade Birmingham sehr von europäischen Projektgeldern, die dafür sorgen sollen, dass sich auch britische Städte abseits von London weiterentwickeln können.
Nachdem Boris Johnson im Dezember die Parlamentswahl – und damit die Herzen der überwiegend älteren englischen Generationen – gewonnen hat, scheint dem Brexit nun tatsächlich nichts mehr im Weg zu stehen. Birmingham, die jüngste Stadt Europas, muss sich damit abfinden und kann hoffentlich trotzdem positiv in die Zukunft schauen.
Dass politisches Engagement hier definitiv kein Fremdwort ist, haben mir Diskussionen mit Studierenden im Vorfeld der Wahl gezeigt – und nicht zuletzt der große Andrang zur internationalen Fridays-for-Future-Demo, den ich bereits im Herbst erleben konnte.
Nächstes Mal gibt’s keine Politik (versprochen!), sondern spannende Geschichten über Alltag und Gewohnheiten der Inselbewohner.
Weitere Informationen
Ben Heiden schickt uns „Post aus…Birmingham“! Er ist einer von elf Autorinnen und Autoren, die von ihren Auslandsstudienaufenthalten für campus.leben berichten, ihre Artikel finden Sie hier.
Hier lesen Sie Ben Heidens erste Post – sie ist auch auf Englisch verfügbar.