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„Als ich die menschlichen Gebeine gesehen habe, wollte ich wissen, woher sie kommen.“

Vanessa Hava Schulmann forscht seit vier Jahren an Knochen mit unbekannter Herkunft an der Zoologischen Lehrsammlung der FU Berlin. Am Montag, 14. Juli, stellt sie ihre Ergebnisse vor und lädt zur Diskussion ein.

11.07.2025

Vanessa Hava Schulmann im Fundus der zoologischen Sammlung, in dem tierische Präparate lagern. Die Humanbiologin hat die Seminarreihe „Meeting them“ über menschliche Überreste in der akademischen Lehre konzipiert.

Vanessa Hava Schulmann im Fundus der zoologischen Sammlung, in dem tierische Präparate lagern. Die Humanbiologin hat die Seminarreihe „Meeting them“ über menschliche Überreste in der akademischen Lehre konzipiert.
Bildquelle: privat

Zur Zoologischen Lehrsammlung am Institut für Biologie der Freien Universität gehören viele ausgestopfte Tiere, also nicht-menschliche Präparate. Jedoch werden dort auch menschliche Gebeine, also menschliche Knochen, aufbewahrt, die früher in der humanbiologischen Lehre verwendet wurden. Die Herkunft vieler dieser Gebeine ist jedoch nicht bekannt. Was, wenn es zum Beispiel gestohlene menschliche Überreste aus der Zeit des Kolonialismus wären? Deswegen haben sich Studierende und Forschende des Instituts für Biologie gefragt, woher die Gebeine kommen, und ob es ethisch vertretbar wäre, diese in der Lehre zu verwenden. Vanessa Hava Schulmann ist Biologin an der FU, wo sie ihre gesamte akademische Laufbahn verbracht hat. Zusammen mit dem Team der Humanbiologie und einigen anderen interessierten Biolog*innen hat sie ein Projekt zu Provenienzforschung gestartet, welches nach vier Jahren jetzt beendet ist. Die Abschlussveranstaltung findet am 14. Juli 2025 von 17:00 bis 19:00 Uhr im Hörsaal der Zoologie, Königin-Luise-Straße 1-3, statt.

Frau Schulmann, warum haben Sie sich für dieses Feld der Wissenschaft entschieden?

Ich habe mich schon immer für die Schnittstelle von Biologie und Philosophie interessiert und habe Philosophie auch eine Zeit lang studiert. Bioethische Fragen sind eine dieser Schnittstellen. Als ich die menschlichen Gebeine gesehen habe, wollte ich wissen, woher sie kommen. Ohne dieses Wissen fand ich es schwierig, zu vertreten, dass wir sie „besitzen“. Also habe ich mir zum Ziel gesetzt, ihren Ursprung zu erforschen.

Wie sind Sie vorgegangen? Wie findet man die wahre Herkunft von solchen Gebeinen heraus?

Das ist schwierig, und von Sammlung zu Sammlung unterschiedlich. Im ersten Schritt habe ich geprüft, ob ein Knochen überhaupt menschlich ist, denn zur Sammlung des Instituts gehören auch viele nicht-menschliche Tierknochen. Danach habe ich mir angeschaut, ob es Hinweise auf die Herkunft gibt, ob etwa eine Nummer auf den Knochen steht, ein Fundort dokumentiert ist oder die Gebeine von einer Firma gekauft oder aus einer anderen Sammlung übernommen wurden. Über die meisten Bestandteile unserer Sammlung war allerdings nichts dergleichen bekannt. Dann habe ich nach kleineren Hinweisen gesucht und in einem Fall zum Beispiel einen kleinen Rest von einem Aufkleber gefunden, der auf eine Firma verwies.

Für die Identifikation menschlicher Gebeine gibt es auch Expert*innen, mit denen ich gesprochen habe, wenn ich mit meinem Wissen am Ende war.

Glauben Sie, dass in Zukunft alle bisher unbekannten Herkünfte geklärt werden können?

Wahrscheinlich nicht. Nehmen wir zum Beispiel ein Handskelett, über das nichts bekannt ist. Auf der dazugehörigen Karteikarte steht nur „Handskelett Homo Sapiens“. Es könnte von einem ganzen Skelett abgefallen sein, es könnten viele Sachen damit passiert sein, aber wenn niemand etwas dazu aufgeschrieben hat, können wir es nicht wissen.

Man muss sich also fragen, was man erreichen kann. Natürlich wäre es schön, wenn wir alles, also die Herkunft und die Geschichte des Menschen, kennen würden, allerdings ist dies häufig nicht möglich. Trotzdem versuchen wir, so viel wie möglich herauszufinden.

Was haben Sie mit dem Provenienzprojekt für die Zoologische Sammlung erreicht?

Der wichtigste Meilenstein ist, dass wieder über die Sammlung geredet wird und sie nicht ihrem früheren Zustand bleibt. Wir hinterfragen, ob es in Ordnung ist, dass wir Knochen von Menschen „besitzen“, die dem nicht zugestimmt haben.

Wenn Zellen im Labor für Experimente genutzt werden gibt es diese bioethischen Diskussionen schon. Bei menschlichen Gebeinen hingegen schien das weniger kontrovers. Und ich glaube, dass wir das geändert haben. Ich habe zum Beispiel gemerkt, dass die Studierenden es nicht mehr als selbstverständlich ansehen, dass wir eine Sammlung menschlicher Knochen besitzen, deren Herkunft teils ungeklärt ist.

Die Fragen stellte Jonathan Heyd

 

Das Buch zum Projekt

Buchtitel

Buchtitel

MEETING THEM von Vanessa Hava Schulmann beschreibt ihre Forschung auf einer persönlicheren Ebene als die wissenschaftlichen Aufsätze, die sie davor verfasst hat. Das Buch steht kostenlos auf der Open Source-Plattform der Freien Universität Berlin zur Verfügung. http://dx.doi.org/10.17169/refubium-47859

Weitere Informationen

Alle Infos auf: https://www.bcp.fu-berlin.de/biologie/provenance/index.html