Springe direkt zu Inhalt

„Vielfalt braucht es auch im Lehrerzimmer“

Beim „Zukunftscampus Neue Lehrkräfte für Berlin“ haben sich an der Freien Universität Schülerinnen und Schüler über den Lehrberuf informiert

07.05.2025

An der Freien Universität werden vermehrt künftige Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet – die Hochschule versucht auch, junge Menschen mit Migrationshintergrund für ein Lehramtsstudium zu gewinnen.

An der Freien Universität werden vermehrt künftige Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet – die Hochschule versucht auch, junge Menschen mit Migrationshintergrund für ein Lehramtsstudium zu gewinnen.
Bildquelle: Magnus John

Das könnten sie sein, die Lehrerinnen und Lehrer, die im Jahr 2032, vielleicht auch erst 2033, vor Berliner Schulklassen stehen werden. Etwa 130 Oberschülerinnen und -schüler haben sich zum „Zukunftscampus Neue Lehrkräfte für Berlin“ an der Freien Universität versammelt, um praxisnahe Eindrücke aus Beruf und Studium zu erhalten. Junge Menschen, die sich für den Lehrberuf interessieren, sind in der Hauptstadt gefragter denn je. Ob sie nach dem Abitur tatsächlich den Weg ins Lehramt einschlagen, ist noch offen. Doch ein Interesse ist da, sonst säßen sie an diesem Tag nicht im Hörsaal 1A. Nun gilt es herauszufinden, ob aus Neugier eine handfeste Berufsentscheidung werden könnte.

Norik und Jakob vom Lichtenberger Immanuel-Kant-Gymnasium überlegen, ob Mathe und Physik an der Sekundarschule etwas für sie wäre. Soraya vom Melanchthon-Gymnasium in Hellersdorf kann sich vorstellen, Deutsch und Kunst an der Grundschule zu unterrichten. Und die 17-jährige Melia von der Paul-Dessau-Gesamtschule im brandenburgischen Zeuthen interessiert sich für das Fach Sonderpädagogik. Ein Berufspraktikum in der 9. Klasse an einer Grundschule hat ihr bereits gezeigt, dass sie „gut mit Kindern kann“, wie sie sagt. Beim Zukunftscampus wollte sich die Gymnasiastin nun über Inhalte, Zulassungsvoraussetzungen und Finanzierungsmöglichkeiten des Lehramtsstudiums informieren.

Was macht eine gute Lehrkraft aus?

„Wenn Sie Spaß daran haben, Wissen zu vermitteln und selbst immer wieder Neues zu lernen, sind Sie genau richtig in dem Beruf“, meint Professor Benjamin Pölloth, der an der Freien Universität neue Lehrkräfte im Fach Chemie qualifiziert. „Und man muss Menschen mögen – Kinder, Jugendliche, ihre Eltern.“ Studiert werden sollte, was einen am meisten bewegt und interessiert. „Sie sollten auf jeden Fall Kinder und Jugendliche für Ihr Fach begeistern können!“

Besonders gesucht sind Absolventinnen und Absolventen in den Naturwissenschaften: „Wenn Sie sich für das Fach Chemie entscheiden, haben Sie super Jobaussichten. Chemielehrerinnen und -lehrer werden händeringend gesucht“, sagt Didaktiker Pölloth. Die geringe Nachfrage nach Chemie auf Lehramt bekommt auch die Lehramtsstudentin Marei Zylka zu spüren, allerdings nicht zu ihrem Nachteil: „In meinem Chemiejahrgang ist die Gruppe zwar klein, der Zusammenhalt dafür umso größer. Stundenlang steht man im Labor nebeneinander – das schweißt die Leute zusammen wie vielleicht in keinem anderen Fach.“

An diesem Tag leitet Marei Zylka einen Workshop an, bei dem Jugendliche im Mitmachlabor NatLab selbst experimentieren dürfen. Mit Laborkittel und Schutzbrille ausgestattet, löst die 17-jährige Schülerin Delane ein gelblich-bröckeliges Pulver – 2-Nitrobenzaldehyd – unter Rühren in einem Becherglas mit Aceton auf. Nach langsamer Zugabe von Natronlauge setzt sich in der dunkelbraunen Lösung ein tiefblauer Feststoff ab: synthetisches Indigo, das vor allem zum Färben von Textilien und Garnen verwendet wird.

Delane, die in Berlin-Lichtenrade die Carl-Zeiss-Oberschule besucht, möchte später als Chemie- und Biologielehrerin arbeiten. „Mir haben im Unterricht immer die Experimente gefallen, wenn die Theorie quasi greifbar wird“, erklärt sie ihre Motivation. Etwas Bammel hatte sie allerdings vor dem mathematischen Teil des Studiums. Ob denn viele Studierende durch die Matheprüfung fallen? Marei Zylka kann entwarnen: In unbenoteten Zusatztutorien können alle Grundlagen in entspanntem Rahmen aufgefrischt werden. „Wer daran teilnimmt, hat bei der Prüfung in der Regel kein frustrierendes Erlebnis.“

Wie ist es wirklich, Lehrkraft zu sein? 

In insgesamt 17 Workshops, Vorträgen und Talk-Runden berichteten erfahrene Fachleute aus ihrem Berufsalltag. Die Gespräche sind erfrischend ehrlich. Die Schülerinnen und Schüler – die ja bislang vor allem die Perspektive von der anderen Seite des Lehrerpults kennen – dürfen allesfragen, und man antwortet ihnen nicht wie Kindern, sondern wie künftigen Kolleginnen und Kollegen.

So erfahren sie etwa, dass der Berufseinstieg auch Herausforderungen mit sich bringt: „Mein erstes Dienstjahr war das schwerste“, erinnert sich Engin Çatik, seit Januar Leiter der Bergius-Schule in Friedenau. „Ich hatte eine Lerngruppe, donnerstags siebte und achte Stunde, die mich jedes Mal auseinandergenommen hat. Es hat lange gedauert, eine Beziehung zu den Jugendlichen aufzubauen, ihnen zu vermitteln: Ich will euch doch gar nichts Böses.“

Ein besonderes Anliegen des Zukunftscampus ist es, auch mehr junge Menschen mit Migrationshintergrund für das Lehramt zu gewinnen. „Die Vielfalt im Klassenzimmer braucht die Vielfalt im Lehrerzimmer“, ist Secil Olcaytürk überzeugt. Sie ist Grundschullehrerin in Rixdorf und Landeskoordinatorin des Berliner Netzwerks für Lehrkräfte mit Migrationshintergrund. „Kinder brauchen Vorbilder, und wenn Kinder mit Migrationshintergrund eine Lehrkraft mit Migrationsgeschichte haben, dann sehen sie: Hey, es geht, es ist alles möglich.“ Als kleines Mädchen war Secil Olcaytürk eines von zwei Kindern mit Migrationshintergrund in der Klasse, berichtet sie. „Ich habe unheimlich viel Unterstützung von meinen Lehrerinnen und Lehrern bekommen. Später hat es mich gereizt, diese Unterstützung an meine Schülerschaft weiterzugeben“.

Und dann ist da noch die Frage nach der Work-Life-Balance

Üppige Ferien, mittags Schluss – manche Klischees halten sich hartnäckig. Doch die Realität in Zeiten der Ganztagsschule sieht anders aus: Klausurenkorrektur, Elterngespräche, diverse Sitzungen, Klassenfahrten, Weiterbildungen. „In Vollzeit arbeiten Sie im Schnitt 48 Stunden pro Woche, um für die Ferien vorgearbeitet zu haben“, sagt Engin Çatik. Zudem seien Ferien für Lehrkräfte nicht nur Freizeit. In diese Zeit gehört die Vorbereitung des Unterrichts für das neue Schuljahr. „Als Lehrer haben Sie oft das Gefühl, niemals fertig zu sein.“

Bei einer Sache sind sich alle einig: Es ist ein erfüllender Beruf. „Als Klassenlehrerin kann ich 25 Persönlichkeiten kennenlernen und gemeinsam mit ihnen lernen“, sagte Grundschullehrerin Ilknur Geze. „Das ist das Schöne daran – und das Herausfordernde.“

Weitere Informationen

Mehr zum Lehramtsstudium

Ganz praktisch

Wie ein Lehramtsstudium an der Freien Universität konkret aussieht, zeigt eine Video-Reihe: www.fu-berlin.de/themen/lehramt 

Nah dabei

Schülerinnen und Schüler derStufen 10 bis 13 können Lehramtsstudierende einen Tag lang begleiten (Anmeldung bis zum 1. Juni): www.fu-berlin.de/einentagauflehramt 

Gut informiert

Am 21. Mai 2025 informiert die Dahlem School of Education zum Thema Lehramtsstudium: www.fu-berlin.de/info-lehramtsstudium  

„Uni im Gespräch“

Die Veranstaltungsreihe bietet mittwochabends viele Infos rund ums Studium: www.fu-berlin.de/uni-im-gespraech