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Vom Deutschkurs zur Promotion

Im August starten an der Freien Universität neue Deutschkurse für Geflüchtete – zwei Teilnehmer*innen berichten

06.03.2025

Shahhussain Rasuli (links) und Aya Boudaka: Zwei von aktuell 75 Teilnehmer*innen im Welcome@FUBerlin-Programm

Shahhussain Rasuli (links) und Aya Boudaka: Zwei von aktuell 75 Teilnehmer*innen im Welcome@FUBerlin-Programm
Bildquelle: privat

Seit fast zehn Jahren können Studieninteressierte mit Fluchthintergrund an der Freien Universität ein intensives Deutschkursprogramm absolvieren. Viele der inzwischen mehr als 600 Teilnehmer*innen nehmen im Anschluss ein Studium oder eine Promotion an der Freien Universität auf – andere nutzen das Programm als Sprungbrett auf den Arbeitsmarkt. 

Fast ihr gesamtes Studium absolviert Aya Boudaka im Krieg. Im Jahr 2011 schreibt sie sich an der Universität Aleppo für Englische Literatur ein.  Trotzdem macht sie im Jahr 2016 ihren Abschluss, arbeitet während und nach dem Studium als Englischlehrerin. Gleichzeitig engagiert sie sich ehrenamtlich bei mehreren Organisationen. „Aleppo war damals in zwei Sektoren geteilt“, sagt sie. „Die eine Hälfte wurde von den Rebellen kontrolliert, die andere vom Assad-Regime – und dazwischen Scharfschützen, ausgebrannte Autos, menschliche Leichen.“ 

Die Arbeit mit einer internationalen Organisation und ihre Teilnahme an Konferenzen im Libanon bringt sie zusätzlich in Gefahr.  Eines Tages erhält sie eine Vorladung zu einem berüchtigten Militärstützpunkt. Gleichzeitig erhalten ihre Eltern, die einige Jahre zuvor nach Ägypten geflohen waren, dort merkwürdige Anrufe. „Ich bin so lange wie möglich in Syrien geblieben, ich wollte helfen, vor Ort etwas beitragen“, sagt sie. „Aber dann, im Jahr 2019, wusste ich, dass ich fliehen musste, wenn ich nicht dem Regime in die Hände fallen wollte.“ 

Programm für den Neuanfang

Heute lebt Boudaka in Berlin. Seit August vergangenen Jahres ist sie eine von 75 aktuellen Teilnehmer*innen im Welcome@FUBerlin-Programm. Seit 2015 werden dort Deutschkurse für Studieninteressierte mit Fluchthintergrund angeboten. „Die Teilnehmer*innen durchlaufen ein Intensivprogramm, das sie bis auf Niveaustufe C1 führt“, sagt Juna Kühn (Program Manager, ERG Universitätsservice GmbH), die das Programm leitet. „Ziel ist, dass sie am Ende ein Studium an der Freien Universität aufnehmen.“

Mehr als 600 Teilnehmer*innen haben bisher an dem Programm teilgenommen. „Man findet sie später in allen Fachbereichen der Universität“, sagt Juna Kühn. „Ein ehemaliger Teilnehmer war im Anschluss sogar Student Ambassador – studentischer Botschafter, um Kommiliton*innen beim Einleben an der Uni zu helfen.“ 

Das Programm finanziert die Freie Universität aus eigenen Haushaltsmitteln sowie mit Unterstützung der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege des Landes Berlin. Die Teilnehmer*innen können sich im Rahmen der Deutschkurse immatrikulieren und so von verschiedenen Vorteilen wie etwa einem Semesterticket profitieren. 

Chefredakteur im Exil

„Für viele Geflüchtete ist es in diesen Tagen leider schwer geworden, Deutschkurse zu finden, die über das B1-Niveau hinausgehen“, sagt Shahhussain Rasuli. „Das Programm an der Freien Universität ist da eine tolle Chance für viele Menschen.“ 

Vor seiner Flucht aus Afghanistan war Shahhussain Rasuli viele Jahre lang Chefredakteur von Hasht e Subh – eine der wichtigsten freien Zeitungen des Landes. Auch für die deutsche Regierung arbeitet Rasuli. „Als die Taliban 2021 zurück an die Macht kamen, musste ich mit meiner Familie fliehen“, erzählt er. „Zunächst nach Pakistan, wo wir dann von der deutschen Regierung als ehemalige Ortskräfte evakuiert wurden.“ 

Im Exil arbeitet Rasuli zunächst einige Monate weiter für seine Zeitung. „Alle meine Kolleg*innen mussten ebenfalls fliehen“, sagte er. „Wir arbeiteten von nun an über die Welt verstreut, aus Kanada, Australien, Frankreich, Deutschland.“ 

Sprung in einen deutschsprachigen Job 

Heute lernt Rasuli an der Freien Universität Deutsch, mit dem Ziel, dort anschließend eine Promotion im Bereich Medien- und Kommunikationswissenschaft zu beginnen. Er arbeitet außerdem weiter als Journalist für den multikulturellen Berliner Radiosender Connection Radio. „Selbst wenn ich meine Heimat verloren habe, werde ich niemals meine Stimme verlieren“, sagt Shahhussain Rasuli. „Zu berichten ist meine Art, gegen das Unrecht anzukämpfen und Veränderung zu bewirken.“

Seine Mitschülerin Aya Boudaka aus Syrien überlegt noch, ob sie nach dem Deutschprogramm ein Studium an der Freien Universität aufnimmt. „Ich habe gleich, als ich 2019 nach Deutschland gekommen bin, angefangen zu arbeiten“, sagt sie. „Ich wollte nicht als Geflüchtete in diesem Land Unterstützung erhalten, ich wollte sofort mein eigenes Geld verdienen.“ 

Zwei Jahre arbeitete sie als Marketingmanagerin in einer englischsprachigen Firma. „Nach den Deutschkursen möchte ich den Sprung in einen deutschsprachigen Job wagen“, sagt sie. „Ich denke, dass ich nach Abschluss des Programms dafür bereit bin.“ 

Weitere Informationen

Alle Informationen zu den Deutschkursen für Geflüchtete (Welcome@FUBerlin) finden Sie hier.