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Sehnsucht nach dem lebendigen Campus

Teil 3 der campus.leben-Serie: Wie war das digitale Semester? Stimmen aus der Freien Universität Berlin

17.07.2020

Der Himmel über Dahlem. Darunter ein Wegweiser zum Campus der Freien Universität Berlin.

Der Himmel über Dahlem. Darunter ein Wegweiser zum Campus der Freien Universität Berlin.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Mit Beiträgen unter anderem aus der Universitätsbibliothek, eines Geologie-Professors und einer BWL-Masterstudentin schließt die campus.leben-Reihe zum digitalen Semester. Wenn man ein Fazit herauslesen möchte aus den gesammelten Stimmen (Teil 1 und Teil 2 der Serie), dann vielleicht dieses: Die nahezu komplette Umstellung des Unibetriebs auf digitale Formate hat insgesamt gut funktioniert – dank des großen Einsatzes aller: der Studierenden, der Lehrenden sowie der Beschäftigten in der Verwaltung und den verschiedenen Einrichtungen der Freien Universität. Aber auch eine große Sehnsucht spricht aus den Zeilen: nach dem lebendigen Campus, dem direkten und persönlichen Austausch mit Kommilitoninnen und Kommilitonen, mit Kolleginnen und Kollegen, nach realen Begegnungen zwischen Hörsaal und Mensa – ganz ohne Verabredung und jenseits des Bildschirms. 

Freut sich, wenn auf dem Campus wieder Leben ist: Masterstudentin Daniela Radanovych vor dem Gebäude des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft.

Freut sich, wenn auf dem Campus wieder Leben ist: Masterstudentin Daniela Radanovych vor dem Gebäude des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Daniela Radanovych, Masterstudentin „Finance, Accounting, Taxation & Supplements“

„Ein Seminar zur Wirtschaftsprüfung sollte eigentlich in Brandenburg auf Schloss Gollwitz stattfinden. Das wäre ein tolles Erlebnis gewesen. Am Ende fand alles in Webex statt – eine Enttäuschung.

Zu meiner Überraschung haben die Web-Seminare gut funktioniert. Ich habe festgestellt, dass ich bei Vorträgen viel mehr Selbstvertrauen habe, wenn ich sie von zu Hause aus halten kann. Dort kann ich mithilfe von Meditation und Yoga meine Anspannung lockern.

In einem anderen Seminar zur Finanzierung gab es eine interessante Alternative zur Videokonferenz: Anstatt uns virtuell zu treffen, sollten wir die Seminararbeiten der anderen Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer begutachten. Es war spannend, neue Perspektiven kennenzulernen. Die Einblicke hatten einen großen Lerneffekt fürs Erstellen weiterer Arbeiten.

Ich sehne mich aber nach dem Hörsaal: die Kaffee- und Raucherpausen, die Teilnahme an Forschungswerkstätten, das ganze Sozialleben – das fehlt mir.“

Praktische Übungen mussten in diesem Semester ausfallen: Prof. Dr. Michael Schneider in einem der Lehr- und Forschungslabore am Institut für Geologische Wissenschaften.

Praktische Übungen mussten in diesem Semester ausfallen: Prof. Dr. Michael Schneider in einem der Lehr- und Forschungslabore am Institut für Geologische Wissenschaften.
Bildquelle: Britta Ernst

Michael Schneider, Professor für Hydrogeologie und Studiendekan des Fachbereichs Geowissenschaften

Am Fachbereich Geowissenschaften sind wir mit Online-Formaten zunächst sehr gut vorangekommen – aber auch an Grenzen gestoßen: Gerade die geowissenschaftliche Ausbildung lebt von Feldbegehungen, Geländepraktika und Forschungsreisen. Sinn und Zweck dieser Exkursionen besteht darin, im Hörsaal oder im Seminarraum Gelerntes im Gelände anzusehen, zu verstehen und zu diskutieren.

Das alles fand und findet in diesem Semester nicht statt. Auch viele Laborkurse, die eine Präsenz zwingend erfordern, mussten ausfallen. Das haben wir als stärkste Einschränkung empfunden.

Als Studiendekan des Fachbereichs habe ich mitbekommen, dass die Corona-Krise Studierende sozial und finanziell am stärksten von allen Statusgruppen der Universität belastet.

Große Belastungen sehe ich auch bei den Lehrenden mit stark erhöhtem Lehrdeputat und bei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf befristeten Stellen, die an ihre Weiterqualifizierung denken müssen. Die Corona-Einschränkungen behindern ihre Forschungsarbeiten im Feld und im Labor.

Ebenso leiden unsere internationalen Kooperationen, etwa mit China, Indien oder dem Oman, weil Auslandsaufenthalte nicht möglich sind oder abgebrochen werden mussten.

Die Freie Universität ist eine Präsenz-Universität – und das muss sie auch bleiben. Ich hoffe sehr, dass bald wieder ein realer persönlicher Kontakt zwischen Studierenden und Lehrenden möglich sein wird.

 

Hat zur Vereinbarkeit von Familie und dem Arbeiten im digitalen Semester beraten: Miriam Juchem vom Dual Career & Family Service

Hat zur Vereinbarkeit von Familie und dem Arbeiten im digitalen Semester beraten: Miriam Juchem vom Dual Career & Family Service
Bildquelle: Emil Graeber

Miriam Juchem, Mitarbeiterin des Dual Career & Family Service

„Studium und Kind unter einen Hut zu bringen, ist schon ohne Corona-Krise nicht einfach. Wenn dann noch Betreuung und Nebenjob wegfallen, kann die Belastung für Eltern sehr groß werden.

Beim Familienservice haben wir versucht, Studierenden und Beschäftigten in dieser Situation noch enger beratend zur Seite zu stehen: Wir haben über alle gesetzlichen Regelungen vor allem zu Kita- und Schulschließungen informiert und unter anderem bei der Beantragung von Elterngeld geholfen.

In unseren Sprechstunden machen wir auf finanzielle Unterstützungsangebote wie den SoliFUnd aufmerksam, eine von Professorinnen und Professoren der Freien Universität initiierte Spendenaktion, über die Studierende in der Corona-Krise finanzielle Unterstützung beantragen können. Studentischen Eltern haben wir empfohlen, sich in dieser Ausnahmezeit nicht zu übernehmen, schließlich zählt das Sommersemester nicht als Fachsemester.

Im Wiki der Freien Universität haben wir Informationen zu Beschäftigungsideen für Kinder und Empfehlungen fürs Homeschooling zusammengestellt: Hörbücher oder kleine wissenschaftliche Experimente etwa. Unsere Sommerferientipps für Familien sind glücklicherweise nicht mehr ausschließlich digital.“

Michael Mundry, ZEDAT, Unit Network and Communication

Michael Mundry, ZEDAT, Unit Network and Communication
Bildquelle: Julio Cardador

Michael Mundry, ZEDAT, Unit Network and Communication

„Auf Webex fanden in diesem Semester rund 120.000 Meetings mit 6.500.000 Meeting-Minuten statt – an Spitzentagen hatten wir bis zu 25.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Wir waren insgesamt positiv überrascht, wie verhältnismäßig wenig technische Probleme die Cloudservices Webex und VBrick verursachten und wie gut diese angenommen wurden.

Zeitweise war der VPN-Server überlastet, und wir mussten neue Hardware organisieren, um den Anforderungen gerecht zu werden. Der auf Servern der Freien Universität gehostete Videokonferenzdienst meeting.fu-berlin.de wurde anfangs von den Nutzerinnen und Nutzern überrannt, die von den überlasteten Diensten DFN-Conf und Adobe-Connect kamen. Hier mussten stetig mehr CPUs (Central Processing Units) zugewiesen werden.

Um die Beschäftigten im Homeoffice arbeitsfähig zu halten, mussten die IT-Dienste VPN, Remote-Desktop-Service und Jabber Softphone ausgerollt werden – dafür hatte die ZEDAT einen Vorlauf von vier Wochen.

Für das Ausrollen der IT-Dienste für die digitale Lehre standen acht Wochen zur Verfügung. Wir haben Dokumentationen erstellt, Nutzerinnen und Nutzer geschult, Identitätsdienste (Single-Sign-On) integriert, Probleme analysiert und Lösungsstrategien entwickelt.

Das war ein enormer Aufwand, der nur durch den hohen persönlichen Einsatz und die Mehrarbeit vieler ZEDAT-Beschäftigter möglich war.“

Das Sommersemester – kein ruhiger Fluss, ein endloser Strom an Videos: Physikstudentin Hélène Colinet an ihrem Schreibtisch.

Das Sommersemester – kein ruhiger Fluss, ein endloser Strom an Videos: Physikstudentin Hélène Colinet an ihrem Schreibtisch.
Bildquelle: Privat

Hélène Colinet studiert im 4. Semester Physik

„Das Semester verlief bisher ganz gut, teilweise war es etwas unangenehm – einfach wegen der wenigen Abwechslung: Im Normalbetrieb besteht das Physikstudium aus Vorlesungen und Übungsblättern, die bearbeitet und abgegeben werden müssen, um anschließend in Tutorien besprochen zu werden.

Dieses Semester bestand aber vor allem aus Videos – einem endlosen Strom an Videos. Meine Übungsaufgaben habe ich entweder eingescannt oder direkt am Computer gemacht. Obwohl die Themen immer spannend waren, fühlte ich mich wie im Hamsterrad.

Dabei waren die Professorinnen und Professoren sowie die Tutorinnen und Tutoren besonders engagiert und haben sich Mühe gegeben, die Möglichkeiten der neuen Formate voll auszuschöpfen. Sie haben sich viel auf aktuelle Forschung bezogen und dazu immer interessante Links geteilt.

In Videokonferenzen wurden auch Verständnisfragen im Umfrageformat gestellt. Es gibt schon seit einigen Jahren das Bedürfnis, das in den Vorlesungen zu machen, um ein bisschen vom Frontalunterricht wegzukommen. Es war schön, das ausprobieren zu können.

Dennoch ist der Distanzbetrieb an seine Grenzen gestoßen. Auch von den Lehrenden habe ich gehört, dass sie mehr Zeit in die Vorlesung investieren mussten.

Den Campus in Dahlem vermisse ich auf jeden Fall. Das Studentenleben, die Gemeinschaft mit den Kommilitoninnen und Kommilitonen, das ist schon echt wichtig. Deshalb freue ich mich sehr darauf, im Wintersemester wieder ein bisschen mehr Präsenz zu haben.“

Dass jetzt die sogenannte kontaktarme Ausleihe möglich ist, ist schon ein Fortschritt, sagt Sabine Siejna. Zuvor wurden von einer Mitarbeiterin rund 500 Scanaufträge pro Woche erledigt.

Dass jetzt die sogenannte kontaktarme Ausleihe möglich ist, ist schon ein Fortschritt, sagt Sabine Siejna. Zuvor wurden von einer Mitarbeiterin rund 500 Scanaufträge pro Woche erledigt.
Bildquelle: Privat

Sabine Siejna, Leiterin der Leihstelle der Universitätsbibliothek

„Von Null auf Hundert ins Homeoffice zu wechseln, war eine echte Herausforderung. Denn was die Arbeit in der Leihstelle auszeichnet, ist der Kontakt zu den Nutzerinnen und Nutzern – und zu den Büchern natürlich. Wir haben im Team noch stärker als sonst kommuniziert, sodass es mir teilweise vorkam, als führte die „Nicht-Präsenz“ zu einer „Über-Präsenz“.

Damit Bibliotheksnutzerinnen und -nutzer auch während der Schließung an ihre Literatur kamen, haben wir den Scanservice ausgeweitet. Mitunter erreichten uns bis zu 500 Scanaufträge pro Woche – ein immenser Arbeitsaufwand für ein kleines Team, das aufgrund des minimalen Präsenzbetriebs in der Universitätsbibliothek das Scannen allein stemmen musste.

Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer bedanken sich per Mail bei uns für diesen Service. Die positive Rückmeldung tut gut; sie zeigt uns, wie sinnvoll unsere Arbeit in dieser Zeit ist. Durch die sogenannte kontaktarme Ausleihe, die seit dem 11. Mai möglich ist, fühlt es sich in der Leihstelle fast schon „wie früher“ an, nur eben mit den erforderlichen Hygienemaßnahmen.“

Nicht alle Beschäftigten konnten mit ihrer Tätigkeit ins Homeoffice wechseln. Dann hat Gordana Gusić von der Geschäftsstelle für betriebliches Eingliederungsmanagement und Sozialberatung beratend unterstützt..

Nicht alle Beschäftigten konnten mit ihrer Tätigkeit ins Homeoffice wechseln. Dann hat Gordana Gusić von der Geschäftsstelle für betriebliches Eingliederungsmanagement und Sozialberatung beratend unterstützt..
Bildquelle: Jennifer Gaschler

Gordana Gusić leitet die Geschäftsstelle für betriebliches Eingliederungsmanagement und Sozialberatung

„Wie gestalte ich meinen Arbeitsalltag zu Hause? Ich kann ja die Petrischalen und Pipetten nicht mit nach Hause nehmen!“ Das war eines der Themen in der Erstberatung zum Homeoffice.

Gemeinsam mit den Beschäftigten sind wir dann die Arbeitsinhalte durchgegangen und sind auf alternative Aufgaben gekommen: sich online weiterbilden, Fachartikel und -bücher lesen, vorhandene Ablaufdokumentationen oder andere Unterlagen überarbeiten oder aktualisieren. Dinge, zu denen man sonst nicht kommt.

Außerdem kamen Anfragen, ob und wie man trotz des eingeschränkten Präsenzbetriebs wieder in den Arbeitsalltag zurückkehren kann, über eine stufenweise Wiedereingliederung etwa.

Nach Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung wurde nicht gefragt, da alle glücklicherweise durchgehend ihr Gehalt bekommen haben. Das hat doch viel Sicherheit gegeben in dieser schwierigen und herausfordernden Zeit.

Im Moment beraten wir überwiegend über Webex oder telefonisch. Ich freue mich schon, wenn mir die Kolleginnen und Kollegen wieder persönlich gegenübersitzen.“

Gut geschützt im Homeoffice: Politikwissenschaftsprofessor Dr. Thorsten Faas

Gut geschützt im Homeoffice: Politikwissenschaftsprofessor Dr. Thorsten Faas
Bildquelle: Privat

Thorsten Faas, Professor für Politikwissenschaft und Leiter der Arbeitsstelle Politische Soziologie der Bundesrepublik Deutschland

„Ich habe versucht, das Semester so normal wie möglich zu gestalten – insbesondere was meine Seminare und Kolloquien betrifft: Wir haben virtuelle Räume eingerichtet und uns bemüht, so nah wie möglich an Präsenzveranstaltungen heranzukommen.

Mit den Studentinnen und Studenten über eine Webcam und ein Mikro zu kommunizieren, war schon sehr speziell, weil dadurch Interaktionen erschwert und die Gesprächsdynamik verändert werden. Auch meine Vorlesung, für die sich mehr als 400 Studierende angemeldet hatten, war eine Herausforderung. Die einzelnen Vorträge habe ich alleine im Henry-Ford-Bau aufgezeichnet und anschließend online zur Verfügung gestellt.

Die Rückmeldungen der Studierenden zeigen, dass das Semester intensiv und anstrengend war und manchmal auch lustig. Und dass es alles in allem gut funktioniert hat.

Jetzt stehen noch die Prüfungen an, die wir als „E-Examination@Home“ gestalten. Auch hier versuchen wir also, Klausuren „so normal wie möglich“ zu gestalten, nur dass die Studierenden die Klausur zu Hause am Rechner schreiben.

Mein Fazit: Das Semester war sehr speziell, aber es hat auch Spaß gemacht, weil wir Neuland betreten haben. Und manche Neuerung wird wohl auch in der Nach-Corona-Zeit bestehen bleiben: für eine Nachfrage in einer Sprechstunde muss niemand nach Dahlem kommen, da reicht immer eine kurze ViKo.“

Weitere Informationen

Mit diesem Artikel schließt die campus.leben-Reihe „Wie war das digitale Semester?". Teil 1 der Serie finden Sie hier, Teil 2 hier.