Nachhaltigkeitstag mit Nachhall
Studierende der Freien Universität stellten kleine und große Ideen im Kampf gegen den Klimawandel vor
18.03.2020
Von der Bambuszahnbürste über nachhaltige Kommunikation bis hin zu konkreten Maßnahmen von Großstädten im Kampf gegen den Klimawandel: Studierende aus dem ABV-Kompetenzbereich „Nachhaltige Entwicklung“ stellten an der Freien Universität Berlin ihre selbst entwickelten Projekte und Ergebnisse zum Thema Nachhaltigkeit vor. Im Rahmen des Bachelorstudienbereichs der Allgemeinen Berufsvorbereitung (ABV) belegten sie jeweils eines von vier verschiedenen Modulen, die sich mit Management, Erforschung, konkreter Gestaltung oder Kommunikation von Nachhaltigkeitsthemen beschäftigten. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Stabsstelle Nachhaltigkeit & Energie der Freien Universität, die den ABV-Kompetenzbereich Nachhaltige Entwicklung seit dem Wintersemester 2018/2019 maßgeblich koordiniert.
Praktische Handlungsvorschläge und neue Produktideen standen bei den Gruppen des Seminars von Gründungsberater Oliver Schmidt von Profund Innovation, der Gründungsförderung der Freien Universität, im Vordergrund. Die Gruppen stellten jeweils rund zehn Minuten lang ihre Ideen vor, veranschaulicht durch Plakate, die im oberen Stockwerk des Instituts für Chemie und Biochemie in der Arnimallee 22 ausgestellt waren.
Die moderne Lebensmittelerzeugung sei intransparent und schade in mancher Hinsicht der Umwelt, finden Tinka Brümmel und Danielle Nitzsche. Deshalb wollen sie Informationsveranstaltungen zur eigenen Herstellung von Lebens- und Haushaltsmitteln durchführen. Dafür gründeten die Studentinnen die Bildungsinitiative „Mach’s dir selbst“. „Wir möchten uns abwenden von einer undurchsichtigen und unökologischen Industrie“, erklären sie auf ihrem Plakat. „Wir möchten dabei helfen, Ökosysteme zu schaffen, die sich in den natürlichen Kreislauf einfügen, sich selbst erneuern und ganzjährig nutzbar sind, denn das ist für uns Nachhaltigkeit.“
Ihr Ziel sei es, Abfall zu vermeiden. Dafür kooperieren sie mit einem Hof im Berliner Umland, dessen Bewohner sich bereits selbst versorgen. Hier sollen sich Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Seminare Ideen für ihre eigene Konsumweise abschauen können.
Das Team „Nachhaltigkeit ForU“ befasste sich derweil mit der Kommunikation der Nachhaltigkeitsstrategie der Freien Universität. In einer Umfrage unter Studierenden fanden sie heraus, dass zwar fast alle Befragten das Thema Nachhaltigkeit für wichtig oder sehr wichtig erachten, aber mehr als ein Viertel die Nachhaltigkeitsaktivitäten der Universität nicht kennt. Nach einem Gespräch mit Bettina Tacke von der Stabsstelle Nachhaltigkeit schlugen sie als Ergebnis ihrer Recherchen vor, über die Social-Media-Kanäle der Universität mehr Aufmerksamkeit auf Projekte wie Foodsharing und Kleidertausch zu lenken.
Auch andere Teams präsentierten ihre Ideen und Projekte: „Brush4Life“ entwarf etwa eine „nachhaltige Designer-Zahnbürste“, deren Kopf aus Bambus und Bio-Nylon besteht. Das Team von „Tampons für alle“ setzt sich für kostenfreie Hygieneartikel auf allen Universitätstoiletten ein. Und die Gruppe von „o’Simlik“ erfand eine Pflanzenmilch aus Kürbiskernen oder Hanfsamen, die in einer nachhaltigen Glasflasche mit dem beliebten Plopp-Verschluss geliefert werden soll.
Ziel des noch recht jungen Kompetenzbereichs sei es, ein interdisziplinäres, handlungsorientiertes Lehrangebot zu Nachhaltigkeitsthemen an der Freien Universität zu schaffen und dieses mit aktuellen Aktivitäten in der Lehre, Forschung und im Campusmanagement zu verknüpfen, erklärte Koordinatorin Nora Große. „Dies ist bereits gut gelungen durch die gute Zusammenarbeit mit engagierten Lehrkräften und eine hohe Nachfrage bei Studierenden.“
Alle ABV-Seminare orientierten sich bei der Projektarbeit an den 17 „Zielen für nachhaltige Entwicklung“, die die Vereinten Nationen – inklusive Deutschland – 2015 verabschiedet haben. Mit der Unterzeichnung des Vertrages verpflichten sich alle Staaten, nicht nur Sofortmaßnahmen zur Verringerung der Treibhausgase zu beschließen und umzusetzen, sondern auch Ungleichheiten abzubauen sowie Wirtschaftswachstum und Energieversorgung nachhaltig zu gestalten.
Mit diesen Zielen im Hinterkopf befassten sich einige Gruppen mit den Agenden verschiedener Großstädte zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Felix Wagenitz und Mine Ak etwa stellten für ihre Gruppe das städtische Energie- und Klimaschutzgesetz Berlins vor. „In Berlin verursacht die Energieversorgung 39 Prozent der Gesamtemissionen“, geben sie zu bedenken. Das sei kein Wunder, denn die Anlagen der Berliner Fernwärmeversorger werden aktuell mit Kohle befeuert. Hier sollte das Land Berlin selbst ansetzen, erläutern die Vortragenden, z.B. durch den Ausbau von Solarenergie.
Mit viel drastischeren Problemen sieht sich indes Jakarta konfrontiert, wie die Gruppe von Ömer-Han Malak, Riensqia D. Y. Saudale, Elisabeth Scheffer und Jonathan Scherlitzki erklärt. Die indonesische Hauptstadt lag einst acht Meter über dem Meeresspiegel. Doch aufgrund des hohen Wasserbedarfs ihrer dreißig Millionen Einwohner sinkt der Grundwasserspiegel stetig – und mit ihm die Stadt selbst: Bis zu 15 Zentimeter jährlich sacken manche Teile der Stadt ab. An der Bucht Jakartas soll deshalb massiv Land aufgeschüttet werden, um Platz für Bewohnerinnen und Bewohner sowie Wasserspeicher zu schaffen und sich gegen den steigenden Meeresspiegel zu wappnen.
Dies seien einzelne Beispiele, doch sie würden zeigen: In den vergangenen Jahren ist auch in den Millionenmetropolen das Bewusstsein gewachsen, dass gegen den Klimawandel etwas getan werden müsse. Im Anschluss an die Präsentationen fanden sich viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammen, um gemeinsam über die Möglichkeiten studentischen Engagements und gemeinsamen Handelns zu sprechen. Anlass war etwa ein bereits im Vorfeld gehaltener studentisch organisierter Vortrag von Philosophieprofessor Robin Celikates, der an der Freien Universität zur Philosophie des zivilen Ungehorsams gesprochen hatte. Inwiefern ist solches Engagement legitim, und wie lassen sich in der Gesellschaft – über Fridays for Future hinaus – Koalitionen bilden? Die Diskussion darüber, das ist sicher, hat gerade erst begonnen.