Deutsche, Israelis und Palästinenser in Dahlem
Die israelische Wissenschaftlerin Miriam Frenkel eröffnet mit ihrem Vortrag am 10. September die zweite deutsch-israelische Sommerschule an der Freien Universität
04.09.2012
Vom 9. bis 14. September findet in diesem Jahr die zweite von insgesamt fünf deutsch-israelischen Sommerschulen „New Frontiers in Islamic Studies“ in Berlin statt. Die Einrichtung wird von der Einstein Stiftung Berlin gefördert. In ihrem Eröffnungsvortrag gibt die promovierte Historikerin Miriam Frenkel, die an der Hebräischen Universität Jerusalem lehrt, Einblicke in die Materialien der sogenannten Genizah – eine besonders für den Bereich der Ideengeschichte bisher noch wenig berücksichtigte Quelle, die sowohl für die Judaistik als auch für die Islamwissenschaft neue Erkenntnisse verspricht. Ein Gespräch mit Professorin Sabine Schmidtke, Islamwissenschaftlerin an der Freien Universität Berlin und Mitorganisatorin der Sommerschule.
Frau Professor Schmidtke, die deutsch-israelische Sommerschule „New Frontiers in Islamic Studies“ findet in diesem Jahr zum zweiten Mal statt.
Es ist eine Kooperation der Freien Universität Berlin und der Hebräischen Universität Jerusalem – allerdings wäre es richtiger, von einem trilateralen Projekt zu sprechen, da neben Lehrenden und Studierenden aus Deutschland und Israel auch palästinensische Studierende an der Sommerschule teilnehmen. Diese Zusammenarbeit ist im Hinblick auf die aktuelle politische Situation etwas ganz Besonderes.
Die Sommerschule hat das Thema: „The Genizah – An Unexploited Source for the Intellectual History of the Medieval World of Islam”. Worum geht es?
Der hebräische Begriff „Genizah“ bezeichnet einen „Lagerraum“, der üblicherweise Teil einer Synagoge war, und in dem zerlesene oder nicht mehr benötigte Schriftstücke zwischengelagert wurden, bevor sie – begleitet von einem religiösen Ritus – begraben wurden. Das ist eine charakteristische Eigenheit beider Religionen, im Judentum und im Islam: Schriftstücke dürfen nicht einfach zerstört oder beseitigt werden, da sie den Namen Gottes enthalten könnten. Daher hat man andere Formen der „Entsorgung“ gefunden, wie etwa das Begraben der Schriftträger. Die in den verschiedenen Genizah-Sammlungen enthaltenen Texte stellen eine bisher eher vernachlässigte Quelle für mittelalterliche Ideengeschichte – eine Teildisziplin der Philosophiegeschichte – im islamischen Raum dar. Sie wurden von der Islamwissenschaft bisher kaum beachtet, da man davon ausging, dass es sich vor allem um jüdisches Material handelt. Tatsächlich enthalten die Genizah-Sammlungen jedoch auch umfangreiche muslimische Dokumente, die vor allem für die Ideengeschichte innerhalb der Islamwissenschaft neue Erkenntnisse bedeuten.
Der Eröffnungsvortrag der israelischen Historikerin Miriam Frenkel am 10. September trägt den Titel „Texts as Objects, Objects as Texts: Material Culture in the Cairo Geniza“. Was ist die „Cairo Geniza“?
Dabei handelt es sich primär um die sogenannte Ben Ezra-Genizah in Kairo, die Ende des 19. Jahrhunderts durch Zufall wiederentdeckt wurde. Die Genizah enthält Schriftstücke aus dem 9. bis etwa 16. Jahrhundert. Durch das für Papier sehr günstige ägyptische Klima sind die Schriften noch sehr gut erhalten und bieten eine Vielzahl von Informationen, die nicht nur für Judaisten, sondern eben auch für die Islamwissenschaft relevant sind. Miriam Frenkel wird in ihrem Vortrag vor allem auf die Materialgeschichte der Genizot – das ist die Mehrzahl von „Genizah“ – und damit einen Teilaspekt des sehr breiten Themas eingehen.
Welche weiteren Aspekte der Genizah werden in der Sommerschule behandelt?
Unser Ziel ist es, die ganze Bandbreite des Themas abzudecken. Die Genizot enthalten Materialien aus verschiedenen Bereichen. Dazu gehören Dokumente der Ideengeschichte – also Theologie, Recht und Philosophie –, aber auch der Medizin und Naturwissenschaft sowie zahlreiche Archivalia, also Dokumente aus dem Alltagsleben wie Heiratsurkunden, Quittungen, Testamente und Verträge. Wir möchten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Sommerschule einen umfassenden Überblick über die Materialien geben und ihnen die notwendigen Kenntnisse vermittelt, die sie dazu befähigen, die Schriften aus der Genizah in ihre eigene Forschung einzubeziehen.
Die Fragen stellte Verena Blindow
Weitere Informationen
Öffentlicher Vortrag:Dr. Miriam Frenkel (Hebräische Universität Jerusalem):
Deutsch-israelische SommerschulenDie zweite Sommerschule zum Thema „The Genizah: An Unexploited Source for the Intellectual History of the Medieval World of Islam“ findet vom 9. bis 14. September 2012 am Institut für Islamwissenschaft der Freien Universität Berlin statt. Gefördert wird die Initiative durch die Einstein Stiftung Berlin. Die Reihe wird im Sommer 2013 mit dem Thema "Arabic Linguistics: Linguistic Thinking in the Middle Ages, Modern Approaches to the Language, the Development of Dialects and Sociolinguistics" fortgesetzt. Initiatoren der Veranstaltungsreihe sind Professorin Sabine Schmidtke vom Institut für Islamwissenschaft der Freien Universität Berlin und Professor Reuven Amitai von der Hebrew University of Jerusalem. |