„Negatives Denken schränkt den Handlungsspielraum ein“
Wie können Organisationen sparen, ohne den Menschen aus dem Blick zu verlieren? Die Wirtschaftswissenschaftlerin Miriam Flickinger verbindet Erkenntnisse aus dem Management und der Psychologie.
13.05.2025
Sparmaßnahmen erfordern transparente Kommunikation und eine faire Verteilung der Lasten, erklärt Wirtschaftswissenschaftlerin Miriam Flickinger.
Bildquelle: cottonbro studio
Ob globaler Autokonzern oder Spitzenuniversität, Großstadt oder ländliche Gemeinde – wenn eine Organisation sparen muss, steht viel auf dem Spiel. Teilweise droht am Ende auch der Verlust von Arbeitsplätzen. „Für Unternehmen und andere Organisationen ist die Umsetzung von derartigen Veränderungen ein kritischer Punkt“, sagt Miriam Flickinger. „Wichtig ist, dass auch der Faktor Mensch dabei nicht aus dem Blick gerät.“
Miriam Flickinger ist Professorin für Organisation am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität. Sie beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Veränderungsprozessen in Unternehmen und anderen Organisationsformen – und dem Stress, den das für den einzelnen Menschen bedeuten kann. Sie plädiert dafür, gerade in solchen kritischen Situationen das positive Denken zu stärken.
In ihrer Arbeit zieht Flickinger Theorien aus der Positiven Psychologie heran: „Aus der Forschung wissen wir, dass, sobald Menschen eine Situation emotional nur noch negativ erleben, auch die kognitiven Fähigkeiten leiden. Andersherum formuliert bedeutet dies, dass es gerade in schwierigen Situationen essenziell ist, bewusst positive emotionale Momente zu schaffen, um Handlungsspielräume zu eröffnen.“
Auch eine schwierige Situation müsse nicht zwangsläufig zu negativem Stress führen, betont Flickinger. Nach dem Stressmodell des amerikanischen Psychologen Richard Lazarus bewerten Menschen einen Stressfaktor in zwei Schritten. „Sie prüfen zunächst, ob sie sich von einer Veränderung betroffen oder bedroht fühlen“, sagt die Wissenschaftlerin. „Und anschließend in einem zweiten Schritt, ob sie die entsprechenden Ressourcen oder Kompetenzen besitzen, mit einer eventuellen Bedrohung umzugehen.“
Miriam Flickinger erforscht, wie Organisationen Sparprozesse gestalten können, ohne dabei den Menschen aus dem Blick zu verlieren.
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Stress entstehe vor allem dann, wenn Menschen sich bedroht fühlen und sie wahrnehmen, dass ihre Ressourcen nicht ausreichen, um der Bedrohung effektiv entgegenzutreten. Dieses Wissen können sich Organisationen zu Nutze machen, um kritische Veränderungsprozesse effektiver und menschlicher zu gestalten, sagt Flickinger. Doch wie genau könnte dies aussehen?
Miriam Flickinger plädiert dafür, dass Organisationen beide Schritte des Lazarus’schen Stressmodells gesondert betrachten. Im ersten Schritt geht es um die Frage, ob ein Spar- oder Veränderungsprozess von den Mitarbeitenden als Bedrohung empfunden wird oder nicht. „Organisationen haben vielfältige Möglichkeiten, diese Wahrnehmung zu beeinflussen“, sagt Flickinger. „Dabei geht es aber gerade nicht darum, unangenehme Schritte schönzureden, sondern das Vertrauen durch Kompetenz zu stärken.“
Das Gefühl der Bedrohung verringere sich vor allem dann, wenn Mitarbeitende das Gefühl haben, dass die Organisationsleitung die Situation im Griff hat. „Dazu gehört, dass die Leitung realistische und verlässliche Pläne erstellt und transparent kommuniziert“, sagt Flickinger. „Wichtig ist, dass die Führungskräfte eine glaubhafte Vision für die Zukunft entwickeln und diese konsistent kommunizieren.“
Ein weiterer entscheidender Faktor sei die Fairness im Veränderungsprozess. „Die Lasten des Prozesses müssen fair verteilt sein, die Prozesse transparent und vorhersehbar“, sagt Flickinger. „Auf der zwischenmenschlichen Ebene sollte ein respektvoller und wertschätzender Umgang gepflegt werden.“
Auch im zweiten Schritt hätten Organisationen Möglichkeiten, den Prozess zu steuern. „Wenn ein Veränderungsprozess als Bedrohung wahrgenommen wird“, sagt Flickinger „können Organisationen die Ressourcen dieser Menschen stärken, sodass sie Vertrauen gewinnen, mit dieser Bedrohung effektiv umgehen zu können.“
Die Betroffenen sollten zum Beispiel die Chance haben, am Veränderungsprozess zu partizipieren. Handlungskompetenzen können in Schulungen und Workshops gestärkt werden. Mit Blick auf die Erkenntnisse der positiven Psychologie sei es wichtig, auch die Rolle von bestärkenden, positiven Emotionen zu berücksichtigen. „Das kann in Form von betrieblichen Events geschehen“, sagt Flickinger. „Aber auch durch die Förderung von kleinen, positiven Momenten im Alltag.“
Es sei in kritischen Situationen immens wichtig, den gedanklichen Tunnel zu verlassen. „Wer den Blick auf negative Aspekte verengt, schafft tatsächlich weniger“, sagt Flickinger. „Positives Denken ist nicht nettes Beiwerk, sondern essenzieller Bestandteil eines erfolgreichen Veränderungsprozesses.“
Am Ende, betont Flickinger, würde die gesamte Organisation davon profitieren, Spar- und Veränderungsprozesse menschlich zu gestalten: „Wer den Rotstift ohne Rücksicht auf die Menschen ansetzt, macht oft wichtige Brücken kaputt. Organisationen müssen aufpassen, dass sie beim Sparen nicht gerade die Beziehungen zerstören, auf die sie ihren Erfolg zukünftig bauen wollen.“