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Gefährdete Arten bewahren

Deutschlands größte und älteste Saatgutbank für Wildpflanzen ist seit 30 Jahren in Dahlem zu Hause

27.11.2024

Die Samen des Sumpf-Kranz-Enzians gehört zu den seltensten in der Saatgutbank Dahlem für Wildpflanzen, die Teil  des Botanischen Gartens Berlin ist.

Die Samen des Sumpf-Kranz-Enzians gehört zu den seltensten in der Saatgutbank Dahlem für Wildpflanzen, die Teil des Botanischen Gartens Berlin ist.
Bildquelle: Marion Cubre/Botanischer Garten Berlin

Begonnen hatte alles im Herbst 1994 mit drei Mitarbeitenden und einer Tiefkühltruhe – in diese wurden 7260 Samenkörner des Balearen-Kohls eingelagert. Die damalige „Samenstube“ des Botanischen Gartens Berlin befand sich in der ehemaligen Tischlerei, in der Samen gereinigt und aufbewahrt wurden sowie gemäß einer jahrhundertealten Tradition im „Index Seminum“ anderen Botanischen Gärten im In- und Ausland zum Tausch angeboten.

Einen solchen Saatgutkatalog erstellen und ergänzen die Mitarbeitenden der Dahlemer Saatgutbank auch heute noch. Die Tiefkühltruhe ermöglichte im Herbst 1994 erstmals die längerfristige Lagerung der Samen. Mit dem Umzug 2015 in moderne Räumlichkeiten wurde aus der „Samenstube“ die „Saatgutbank Dahlem“. 

Samen bleiben lange Zeit keimungsfähig

Sie verfügt über technische Anlagen, um Saatgut zu trocknen und dauerhaft zu lagern. Hierzu zählen zwei Trockenkammern mit 15 Prozent relativer Luftfeuchte bei 15 Grad Celsius Raumtemperatur, Kühlschränke und eine begehbare Gefrierkammer zur Lagerung der Samen bei minus 24 Grad Celsius. Unter diesen Bedingungen bleiben die Samen zahlreicher Arten lange Zeit keimungsfähig.

Für die Keimungsversuche ist ein Saatgutlabor vorhanden. Gereinigt werden die Samen aufwändig von Hand. Dazu werden sie aus den Früchten gelöst, gesiebt und gereinigt in Tüten gefüllt. Inzwischen lagern in der Saatgutbank über 11.000 Aufsammlungen mit Millionen von Samen. Das Saatgut von rund 3500 Arten aus 82 Ländern steht weltweit für Forschung und Lehre sowie den Artenschutz zur Verfügung. 

In der Saatgutbank Dahlem lagern Millionen von Samen.

In der Saatgutbank Dahlem lagern Millionen von Samen.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Berlins biologische Vielfalt stärken

„Nur wenige Saatgutbanken weltweit konzentrieren sich auf die Lagerung von Wildpflanzensaatgut“, sagt Thomas Borsch, Direktor des Botanischen Gartens und Professor für Pflanzengeographie, „allein in Berlin sind mehr als 700 Wildpflanzenarten akut bedroht.“

Die langjährige Zusammenarbeit mit der Stiftung Naturschutz Berlin wurde daher im November 2024 mit einer Kooperationsvereinbarung auch formell besiegelt – gemeinsam möchten die Einrichtungen dazu beitragen, die biologische Vielfalt in Berlin zu stärken. So sollen beispielsweise verstärkt die Samen gefährdeter Berliner Wildpflanzen wie die der Graslilien, verschiedener Seggenarten, dem Lungenenzian oder der Karthäusernelke gesammelt und für gemeinsame Ansiedelungen in der Stadt genutzt und die Artenkenntnis in der Gesellschaft gefördert werden.

Heute noch weit verbreitet, in wenigen Jahren schon selten

„Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt bei den seltenen und hochgradig gefährdeten Arten“, erläutert Elke Zippel, promovierte Biologin und Leiterin der Dahlemer Saatgutbank. „Aber wir sammeln auch Samen von Pflanzen, die bislang noch oft vorkommen. Die Veränderungen in der Landschaft sind derart massiv, dass heute noch weit verbreitete und häufige Arten in wenigen Jahren schon selten sein können.“

Dazu gehört das Breitblättrige Knabenkraut, eine Orchideenart, die früher in Deutschland weit verbreitet war. Die Art fühlt sich auf ungedüngten, feuchten Wiesen wohl, doch durch Entwässerung und Vergüllung der Landschaft verschwindet sie in Deutschland immer schneller. Die letzten verbliebenen Vorkommen werden am Botanischen Garten im Rahmen einer Doktorarbeit genetisch untersucht. Deren Samen – sie zählen übrigens zu den kleinsten in der Dahlemer Saatgutbank – können dort hoffentlich mindestens weitere 30 Jahre für Forschung, Lehre und Artenschutz lagern.