Pilz-Haus und Teilhabe: Vieles wird möglich, wenn man offen ist
Unter dem Motto „Visionen gestalten“ luden die Berliner Hochschulen gemeinsam zu den Open-Access-Tagen an die Freie Universität Berlin
31.10.2023
Ina Czyborra, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege des Landes Berlin, kündigte an, dass die Berliner Open-Access-Strategie zu einer Open-Research-Strategie weiterentwickelt werde.
Bildquelle: Dr. Hans Lempert
Open Access – ein unter diesen Bedingungen veröffentlichtes wissenschaftliches Dokument kann entgeltfrei genutzt werden; nicht nur publiziert und gelesen, sondern auch heruntergeladen, gespeichert, gedruckt und verlinkt. Außerdem lassen sich offen lizenzierte Texte, Daten und andere wissenschaftliche Materialien (je nach vergebener Lizenz) liberal nachnutzen. Warum dies für die Wissenschaft und die interessierte Öffentlichkeit immer relevanter wird, was im Bereich der frei zugänglichen Publikationen bereits möglich ist und wohin dieser Weg in Zukunft führen soll: Darum ging es bei den Berliner Open-Access-Tagen, die vom 27. bis 29. September 2023 zum zweiten Mal an der Freien Universität Berlin stattfanden.
Eingeladen hatten die Berliner Hochschulen, Universitäten und die Charité – Universitätsmedizin Berlin, koordiniert wurde die Tagung vom Open-Access-Büro Berlin, das an der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin angesiedelt ist. „Das erste Mal fand die Tagung 2008 an der Freien Universität Berlin statt und 15 Jahre später kommen wir hier wieder zusammen“, sagte Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität, bei seiner Begrüßung im voll besetzten Hörsaal 1a der Rostlaube. „Seitdem ist viel geschehen, und dass 14 Einrichtungen diese Konferenz gemeinsam organisieren, ist großartig.“ Günter Ziegler sprach dabei nicht nur zu den rund 450 Gästen im Hörsaal. Sein Grußwort wurde, ebenso wie die Keynotes an den kommenden Tagen, im Livestream online übertragen – Open Access eben.
Die Forschung soll sich öffnen und transparenter werden
Das Thema Open Access habe im Jahr 2023 eine nächste Stufe erreicht, erklärte der Universitätspräsident weiter. Es sei eine politische Ambition, offenes Wissen in Berlin voranzubringen. Daran anschließend sagte Ina Czyborra, Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege des Landes Berlin, in ihrem Grußwort, dass die bestehende Berliner Open-Access-Strategie nun zu einer Open-Research-Strategie weiterentwickelt werde. Es solle künftig also nicht nur um den Zugang zu Publikationen gehen, sondern die Forschung als Ganzes solle sich öffnen, transparenter werden und noch mehr Kollaborationen auf den Weg bringen.
Von links nach rechts: Berlins Wissenschaftssenatorin Dr. Ina Czyborra, Dr. Maxi Kindling Open Access Büro Berlin und Prof. Dr. Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin
Bildquelle: Dr. Hans Lempert
Günter M. Ziegler und Ina Czyborra waren sich einig: Den Weg zum offenen Wissen können Wissenschaftseinrichtungen nur gemeinsam beschreiten und dies gelinge vor allem durch Kooperation. Die gemeinsame Organisation der Open-Access-Tage durch alle Berliner Hochschulen sei ein wunderbares Beispiel dafür, sagte Ina Czyborra. Sie hob die koordinierende und unterstützende Rolle des Open-Access-Büros Berlin hervor, deren Mitarbeitende sich „unermüdlich“ für das Thema engagierten.
Drei Dinge seien ihr für die Zukunft des Wissenschaftsstandortes Berlin besonders wichtig, betonte die Senatorin: „Erstens den Zugang zu Wissenschaft und Forschung zu garantieren, zweitens die Kooperation zwischen den Einrichtungen zu stärken und drittens die Exzellenz der Wissenschaft zu sichern.“ Open Access trage in besonderem Maße dazu bei, diese Ziele zu erreichen, so Czyborra. „Deshalb stehe ich persönlich und steht auch das Land Berlin finanziell hinter den spezifischen Anforderungen von Open Access.“ Ihre eigene Dissertation habe sie bereits 2005 auf dem Publikationsserver der Freien Universität Berlin veröffentlicht.
Publikationen managen, statt sie nur zu katalogisieren
Wie Open Access bereits genutzt wird, unter welchen Bedingungen und welche Hürden es dabei zu überwinden gilt, wurde an den folgenden Tagen in drei Keynotes, zahlreichen Workshops und Sessions perspektivenreich beleuchtet. Die erste Keynote gab Henriette Rösch, die in Leipzig an der Universitätsbibliothek tätig ist. Ihr Thema: „Publikationsmanager*innen statt Katalogisier*innen? Anforderungen an die Organisations- und Professionsentwicklung in Bibliotheken im Zuge der Open-Access-Transformation“. Rösch betonte die Relevanz der Bibliotheken und die damit zusammenhängende Organisationsentwicklung, da die Open-Access-Transformation „ein hohes Maß an Zusammenarbeit, Abstimmung und gegenseitiger Information mit anderen Akteur*innen der Einrichtungen“ erfordere. In ihrem Vortrag beschrieb Henriette Rösch, wie vielfältig die Aufgabenfelder und Tätigkeitsprofile an Bibliotheken im Kontext von Open Access inzwischen seien und wie innerhalb der Einrichtungen zusammengearbeitet werde. Eine langfristige Personalplanung und Strategie seien für eine erfolgreiche Open-Access-Transformation unabdingbar, hob sie hervor.
Im Hörsaal 1a in der Rostlaube begrüßte Günter M. Ziegler rund 450 Gäste zu den Berliner Open-Access-Tagen.
Bildquelle: Maxi Kindling
Die zweite Keynote gab die Biotechnologin Vera Mayer von der Technischen Universität Berlin. Die Professorin leitet dort das Fachgebiet Angewandte und Molekulare Mikrobiologie und ist außerdem als Open Access Beauftragte an der gesamten TU Berlin für das Thema zuständig. Ihr Vortrag hatte das Thema „Das Große denken. Wie eine offene Forschung zwischen Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft Transformationsprozesse beschleunigen kann“. Vera Mayer gab dabei einen Einblick in ihre Forschung zu Pilzen, mit denen man nicht nur Medikamente, Treibstoffe und Nahrungsmittel herstellen könne sondern in Zukunft auch Kleidung und sogar ganze Häuser. Sie schlug anschließend einen Bogen zu ihrem Kunstkollektiv, mit dem sie bereits den temporären Prototypen eines Pilz-Hauses bauen konnte – und bis 2030 ein permanentes Haus errichten möchte.
Was dies nun mit Open Access zu tun hat? „Ist Forschung offen, kann sie die Gesellschaft mitnehmen“, sagte Vera Mayer. „Ich möchte Ihnen zeigen, was möglich ist, wenn man offen ist, und was wir erreichen können, wenn wir transdisziplinär arbeiten.“ Das Pilz-Haus, eine Kooperation mit der Kunsthochschule Weißensee und dem Haus der Materialisierung, sei Citizen-Science-Projekt und Studierendenkurs gleichermaßen, es verbinde klassische Forschung mit einem Workshop im Futurium.
Publizieren ist teuer und wird durch Peer-Review-Verfahren erschwert
Die dritte Keynote gab Amrei Bahr von der Universität Stuttgart zum Thema „Access denied! Warum Zugangsbeschränkungen der Wissenschaft schaden“. Die Juniorprofessorin für Philosophie der Technik & Information promovierte über die moralischen Rechte von Urheber*innen an ihrer geistigen Schöpfung. In ihrem Vortrag wies sie darauf hin, wie vielfältig die Zugangsbeschränkungen tatsächlich bis heute in vielen Bereichen der Wissenschaft seien und wie diese Hürden überwunden werden sollten. So sei etwa durch Bezahlschranken bei Publikationen oder KI-Tools eine breite Teilhabe nicht möglich. Auch das Publizieren selbst sei teuer und werde durch Peer-Review-Verfahren erschwert.
Wissenschaftliche Stellen stünden ebenfalls nicht jedem offen (Bahr initiierte im Jahr 2021 die Twitter-Aktion #IchBinHanna mit, um auf die prekären Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft aufmerksam zu machen). „Man muss es sich leisten können, sich über Jahre ausbeuten zu lassen“, sagte die Philosophin. „Auch bei der vermeintlichen Besten-Auslese haben einige einen Vorsprung, während andere einen weiten Weg zurücklegen müssen, um überhaupt zur Startlinie zu kommen.“
Die akademische Community ist selbst in der Pflicht
Um diese Grenzen zu durchbrechen, sieht Amrei Bahr die akademische Community selbst in der Pflicht. Statt sich etwa beim Zugang zu Forschungsförderung nach Kriterien richten zu müssen, welche die Forschung begrenzten, solle sich die Förderung besser an die Forschungsvorhaben anpassen. Es dürfe nicht länger erforderlich sein, in bestimmten Journalen zu veröffentlichen, um „dazuzugehören“. Und nicht zuletzt müsse die Problematik der Beschränkungen, der Effekte und Gegenmaßnahmen als Forschungsthema ausgebaut werden, forderte Bahr.
Hürden thematisieren, Lösungen erarbeiten, damit Wissen in und aus Berlin seinen Weg in die Gesellschaft findet: Die 450 Teilnehmenden haben auch bei den diesjährigen Open-Access-Tagen wieder einen Schritt in die Zukunft unternommen.
Weitere Informationen
- Kontakt: Maxi Kindling, Open-Access-Büro Berlin, c/o Freie Universität Berlin, Universitätsbibliothek, Telefon; +49 30/838-66753, E-Mail: oabb@open-access-berlin.de