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„Die Archäologie ist bunter geworden“

Die größte archäologische Fachtagung in Deutschland findet vom 6. bis 8. Oktober an der Freien Universität statt

02.10.2014

Die Kolossalstatue der Berolina, einst der Giebelschmuck der alten Berliner Börse in der Burgstraße in Berlin-Mitte, stammt aus dem Jahr 1856. Sie steht im Museum für Vor- und Frühgeschichte.

Die Kolossalstatue der Berolina, einst der Giebelschmuck der alten Berliner Börse in der Burgstraße in Berlin-Mitte, stammt aus dem Jahr 1856. Sie steht im Museum für Vor- und Frühgeschichte.
Bildquelle: Staatliche Museen zu Berlin, Museum für Vor- und Frühgeschichte / Juliane Eirich

Von der Altsteinzeit bis ins 20. Jahrhundert hinein hat das Zusammenleben von Menschen Spuren hinterlassen. Die Zeugnisse vergangener Gesellschaften zu „lesen“ und zu verstehen, ist Arbeit von Archäologen. Vom 6. bis 8. Oktober findet in Berlin der 8. Archäologiekongress statt, bei dem in Vorträgen von diesen Spuren aus der Frühzeit über das Mittelalter bis zum Nationalsozialismus zu hören sein wird. Die Veranstalter rechnen mit gut 700 Teilnehmern, die sich über neueste Forschungsergebnisse und -methoden austauschen. Ein Gespräch mit Michael Meyer, Professor für Prähistorische Archäologie und Sprecher des Exzellenzclusters Topoi, der an der Organisation der Veranstaltung beteiligt war.

Herr Professor Meyer, welche Themen beschäftigen Archäologen derzeit besonders?

Ein großes Thema ist die Digitalisierung, durch die Grabungen auf neue Weise dokumentiert werden können. Es werden eine Fülle von Daten erhoben, die durch IT-gestützte Analyseprozesse ausgewertet werden. Das ermöglicht ganz neue Erkenntnisse, stellt die Archäologen aber auch vor die Frage, wie man diesen Daten handhabt, wie man sie archiviert und anderen Forschern zugänglich macht. Wichtig ist für Archäologen immer auch die Frage nach dem Erhalt und dem öffentliche Umgang mit Bodendenkmälern, die Zeugnisse menschlichen Zusammenlebens sind. Ein sehr positives Beispiel ist die Errichtung sogenannter archäologischer Fenster in Berlin, die Ergebnisse der Innenstadtgrabungen sichtbar machen.

Teil des Kongresses sind auch immer archäologische Exkursionen. Berlin ist ja eher eine junge Stadt, was kann man denn in Berlin ausgraben?

Auch in Berlin finden sich Überreste der Kulturen der Jäger und Sammler aus der Altsteinzeit. Spannend sind die Zeugnisse der Stadtwerdung Berlins, das aus vielen Dörfern und Städten über die Jahrhunderte zusammengewachsen ist. Und auch die Zeit des Nationalsozialismus hat Spuren hinterlassen – wie etwa die Grabungen von Reinhard Bernbeck, Professor vom Institut für Vorderasiatische Archäologie der Freien Universität, auf dem Gelände eines ehemaligen Konzentrationslagers auf dem Tempelhofer Flugfeld zeigen. Archäologie des 19. und 20. Jahrhunderts ist auch ein besonderer Schwerpunkt des diesjährigen Kongresses.

Warum freut es Sie, dass der Kongress dieses Jahr in Berlin stattfindet?

Berlin ist die Stadt in Deutschland mit der größten Dichte an Forschung zur Archäologie und an altertumswissenschaftlicher Forschung. Ein solcher Kongress ist für alle Beteiligten – von den Universitäten über Denkmalämter bis hin zu den Museen eine gute Gelegenheit, diese Forschung vorzustellen. Die Staatlichen Museen zeigen zum Beispiel im Rahmen des Projekts „Forschungsinsel“ Forschungsprojekte, die in Zusammenhang mit ihren Sammlungen stehen.

Auch der Exzellenzcluster Topoi – ein Verbund, in dem Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen zum Zusammenhang zwischen der Entwicklung von Raumordnungen und Wissen im Altertum forschen – dessen Sprecher Sie gemeinsam mit Gerd Grasshoff von der Humboldt-Universität zu Berlin sind, stellt sich in einer ganztägigen Sektion vor. Was erwartet die Besucher?

An Topoi wirken Wissenschaftler aus einer Vielzahl von Disziplinen mit, darunter Philologen und Philosophen. Beim Archäologiekongress stellen wir Projekte vor, an denen Archäologen beteiligt sind. Wir stellen die Frage, wie man ausgehend von archäologischen Funden – im Dialog mit den anderen Disziplinen – Brücken schlagen kann zu den gemeinsamen, übergeordneten Themen aller Topoi-Projekte: nämlich Raum und Wissen. Auf einem solchen Kongress treffen sich viele ausgewiesene Fachleute – eine wunderbare Gelegenheit, die eigenen Thesen auf den Prüfstand zu stellen und im Kollegenkreis zu diskutieren.

Interdisziplinarität, Digitalisierung – das Berufsbild des Archäologen scheint sich in den letzten Jahren sehr verändert zu haben.

Die Arbeitsweisen und Methoden haben sich stark gewandelt, aber auch das Berufsfeld: Vor wenigen Jahrzehnten gab es zum Beispiel keinen privatwirtschaftlichen Archäologiesektor. Heute führen Grabungsfirmen in Absprache mit den Denkmalämtern nach allen Regeln der Kunst Ausgrabungen durch. Immer mehr Fachjournalisten berichten über Archäologie, archäologische Reiseangebote boomen. Die Archäologie ist dadurch bunter geworden, aber wir fragen uns auch: Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf das archäologische Denken? Es ist ein Vorteil eines solchen großen Kongresses, dass so unterschiedliche Akteure zusammenkommen und sich austauschen können wie Denkmalpfleger, privatwirtschaftlich tätige Archäologen, Journalisten, Wissenschaftler oder Museumskuratoren.

Die Fragen stellte Nina Diezemann

Weitere Informationen

8. Deutscher Archäologiekongress

  • 6. bis 10. Oktober 2014
  • Die Tagesveranstaltungen des Kongresses finden in Berlin-Dahlem statt: im Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin, im Harnack-Haus der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft e.V. und im Saal des Max-Planck-Institutes für Wissenschaftsgeschichte.
  • Die Abendveranstaltungen werden im Berliner Rathaus sowie im Alten Museum, im Neuen Museum und Pergamonmuseum ausgerichtet.
  • Eine Anmeldung für die Gesamtveranstaltung und einzelne Tage ist während der Konferenz im Tagungsbüro des Henry-Ford-Baus möglich. Karten kosten zwischen 70 und 110 Euro.

Weitere Informationen zum 8. Deutschen Archäologiekongress.

Forschungsinsel – Archäologische Projekte in Museen

  • 9. Oktober 2014
  • Altes Museum, Neues Museum, Pergamonmuseum, verlängerte Sonderöffnungszeiten: 18 bis 22 Uhr

Sonderausstellungen im Neuen Museum, Ebene 0

  • Der Berliner Skulpturenfund. „Entartete Kunst“ im Bombenschutt
  • Alltag. Luxus. Schutz – Schmuck im Alten Ägypten
  • 18 Uhr Begrüßung durch Prof. Dr. Parzinger im Neuen Museum, Treppenhalle
  • 20 Uhr Podiumsdiskussion im Alten Museum, Rotunde
  • Eintritt: Museumskarte Altes Museum 10,00 EUR, ermäßigt 5,00; Museumskarte Neues Museum 12,00 EUR, ermäßigt 6,00; Museumskarte Pergamonmuseum 12,00 EUR, ermäßigt 6,00; Bereichskarte Museumsinsel Berlin 18,00 EUR, ermäßigt 9,00
  • Für die Teilnehmer des 8. Deutschen Archäologiekongresses gelten gegen Vorlage des Teilnehmerausweises die ermäßigten Preise.