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Deutscher Orientalismus Revisited

Montag, 2. Juni, 18 Uhr: Vortrag der amerikanischen Historikerin Suzanne L. Marchand

02.06.2014

Die US-amerikanische Historikerin Suzanne L. Marchand spricht am 2. Juni um 18 Uhr an der Freien Universität Berlin.

Die US-amerikanische Historikerin Suzanne L. Marchand spricht am 2. Juni um 18 Uhr an der Freien Universität Berlin.
Bildquelle: Karin Goihl

In seinem Opus magnum „Orientalism“ von 1978 ersparte der palästinensische Literaturtheoretiker Edward W. Said den deutschen Orientalisten den Vorwurf, Wissenschaft aus kolonialistischer Perspektive zu betreiben. Seither sind viele Arbeiten entstanden, die Saids Argumentation widerlegen wollen. Am 2. Juni um 18 Uhr hält Suzanne Marchand von der Louisiana State University in Baton Rouge und Präsidentin der German Studies Association (GSA) einen Vortrag mit dem Titel „Orientalism and the Classical Tradition in Germany“. Campus.leben im Gespräch mit der Historikerin.

Frau Professor Marchand, was fasziniert Sie an dem Thema Deutschland und der Orientalismus?

Ich komme aus der Geschichte der klassischen Philologie und Archäologie und kannte die große Bedeutung, die die Antike für die Deutschen hatte (und hat). Das Stichwort im 19. Jahrhundert war: „Je älter desto interessanter!” Dennoch war ich wirklich überrascht, wie lange der Orient für die Deutschen in erster Linie mit der Bibel verbunden war, und wie spät die Orientalistik als wissenschaftliche Disziplin anerkannt wurde – meiner Einschätzung nach erst in den 1920er Jahren. In Österreich, wo das Habsburgerreich jahrzehntelang eine „heiße Grenze“ mit dem Osmanischen Reich hatte, lagen die Dinge etwas anders.

Der Orientalismus in Österreich und Deutschland unterschied sich von dem in Großbritannien oder Frankreich. In Deutschland und Österreich herrschte ein großer Wettbewerb zwischen klassischen Philologen und Orientalisten. Die Philologen interessierten sich nicht so sehr für Religion, sondern eher für Kunst und Politik. Die Orientalisten hingegen arbeiteten hauptsächlich sprachwissenschaftlich und beschäftigten sich häufig mit religiösen Texten wie den „Vedas“ des Hinduismus, dem „Avesta“ des Zarathustrismus, dem Koran und dem Alten Testament. Viele beklagten sich darüber, in der öffentlichen Wahrnehmung zu „Sprachmaschinen“ degradiert zu werden.

Die deutsche Orientalistik hat natürlich vom Imperialismus – sowohl vom deutschen Imperialismus als auch vom Kolonialismus anderer europäischer Länder – profitiert. Andererseits haben uns deutsche Orientalisten viel über die Geschichte der außereuropäischen Sprachen, Religionen und Vorstellungen beigebracht. Dieses Wissen wurde von den Nationalsozialisten fast zerstört, denn viele Wissenschaftler waren Juden. Glücklicherweise konnten einige ihr Leben retten, indem sie rechtzeitig emigrieren konnten, beispielweise in die USA oder nach Israel. Wir sollten diesen faszinierenden Forschungsarbeiten mit Dank und Kritik begegnen.

Sie sind Präsidentin der German Studies Association, der größten nordamerikanischen Vereinigung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, die sich mit deutschsprachigen Ländern beschäftigt. Was genau macht diese Wissenschaftsorganisation?

In den vergangenen Jahren konnte die GSA viele neue Nachwuchswissenschaftler und -wissenschaftlerinnen gewinnen, worauf ich stolz bin. Dieser Erfolg ist in erster Linie unserem großartigen Executive Director David Barclay zu verdanken, der diesen Monat das Bundesverdienstkreuz erhalten wird. Wir freuen uns sehr, dass wir unsere guten Verbindungen zu zahlreichen Organisationen wie dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, dem Österreichischen Kulturforum in New York und dem Deutschen Historischen Institut in Washington weiter ausbauen konnten. Neben einer Reihe von elektronischen Netzwerken haben wir im vergangenen Jahr begonnen, uns gezielt mit der Wissenschaftsregion Berlin zu vernetzen. Gemeinsam mit unserem Partner, dem Berlin Program der Freien Universität Berlin, konzipieren wir pro Jahr eine Veranstaltung. Das Berlin Program hat viele der besten jungen amerikanischen Germanisten, Historiker und Geisteswissenschaftler mit ausgebildet. Deshalb ist es mir eine große Freude, diesen Abend gemeinsam zu gestalten.

Die Fragen stellte Karin Goihl

Weitere Informationen

Vortrag und Diskussion: „Orientalism and the Classical Tradition in Germany“

  • Vortrag und Diskussion
  • Montag, 2. Juni, 18 bis 20.00 Uhr, anschließend Empfang
  • Seminarzentrum der Freien Universität Berlin, Raum L115, Otto-von-Simson-Str. 26, 14195 Berlin (U-Bhf. Thielplatz, U 3)
  • Weitere Informationen: Flyer zur Veranstaltung