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„Wahrheit und Freiheit stehen in einem engen Zusammenhang“

In den Vereinigten Staaten setzt die Trump-Regierung Universitäten derzeit massiv unter Druck. Wären ähnliche Verhältnisse auch in Deutschland denkbar? Darüber diskutierten Vertreter*innen von Politik und Wissenschaft an der Freien Universität

15.07.2025

Auf dem Podium: Universitätspräsident Prof. Dr. Günter M. Ziegler, Philosophieprofessor Dr. Stefan Gosepath und SPD-MdB Maja Wallstein. Moderation: Dr. Anna-Lena Scholz.

Auf dem Podium: Universitätspräsident Prof. Dr. Günter M. Ziegler, Philosophieprofessor Dr. Stefan Gosepath und SPD-MdB Maja Wallstein. Moderation: Dr. Anna-Lena Scholz.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Auf seinem Schreibtisch, berichtet Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität, liegt stets eine kleingedruckte Ausgabe des Grundgesetzes. Das Büchlein hatte er von Susanne Baer, ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht, geschenkt bekommen. „Denk immer an Artikel 5, Absatz 3“, so ihre Widmung. In der deutschen Verfassung ist dort die Wissenschaftsfreiheit verankert: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“

Videoaufzeichnung der Podiumsdiskussion „Wissenschaft unter politischem Druck – wie frei ist die Forschung?“

Es ist ein Absatz, dem immer, angesichts der politischen Situation in den Vereinigten Staaten aber, wo die Trump-Regierung Universitäten massiv unter Druck setzt, derzeit besondere Relevanz zukommt.

Auch in Deutschland wächst die Sorge vor politischer Einflussnahme auf Forschung und Lehre. Ob und inwieweit diese Sorge berechtigt ist, darüber diskutierten Vertreter*innen von Politik und Wissenschaft am 8. Juli an der Freien Universität Berlin. Die Podiumsdiskussion fand im Rahmen des Semesterschwerpunkts Wissenschaftsfreiheit statt.

Die Podiumsdiskussion fand im Rahmen des Semesterschwerpunkts Wissenschaftsfreiheit statt.

Die Podiumsdiskussion fand im Rahmen des Semesterschwerpunkts Wissenschaftsfreiheit statt.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

„Ich bin durchaus besorgt, dass amerikanische Entwicklungen auch zu uns kommen werden“, sagt Günter M. Ziegler auf dem Podium. „Aus den Reihen der AfD sehen wir bereits derartige Versuche.“ So hatte die AfD-Fraktion im Bundestag etwa eine Anfrage gestellt, ob und welche Forschungsprojekte an Universitäten zum Thema gendersensibler Sprache aus Bundesmitteln finanziert würden.

Auch im Berliner Abgeordnetenhaus wurde bereits 2017 eine ähnliche Anfrage gestellt, um sich einen Überblick über Professuren, Studierende und Absolventen der Gender Studies in Berlin zu verschaffen. Gegen das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hatte die Thüringer AfD nach einer kritischen Studie Klage eingereicht.

Maja Wallstein, SPD-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Ausschuss für Forschung, Technologie, Raumfahrt und Technikfolgenabschätzung

Maja Wallstein, SPD-Bundestagsabgeordnete und Mitglied im Ausschuss für Forschung, Technologie, Raumfahrt und Technikfolgenabschätzung
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Auch Maja Wallstein, Bundestagsabgeordnete der SPD und Mitglied im Ausschuss für Forschung, Technologie, Raumfahrt und Technikfolgenabschätzung, beobachtet die Situation kritisch. „In Ungarn hat die Regierung von Viktor Orbán die Freiheit der Universitäten bereits massiv eingeschränkt“, sagt sie. „Auch in Frankreich gab es Versuche, Gelder für unliebsame Forschungsprojekte auf europäischer Ebene zu kürzen – und zwar nicht nur von den Rechtspopulisten, sondern auch von den bürgerlichen Konservativen.“

In den USA übt die Trump-Regierung Druck auf Universitäten vor allem in Form von Kürzungen öffentlicher Zuwendungen aus. Ein ähnliches Vorgehen wäre in Deutschland ebenfalls denkbar. „Sollte die AfD eines Tages in Regierungsverantwortung kommen, hätte sie die Möglichkeit, die Forschung durch Mittelkürzungen einzuschränken“, sagt Günter M. Ziegler. „Diese Gefahr sehe ich.“

Maja Wallstein, in deren Wahlkreis Cottbus-Spree-Neiße die AfD aus der vergangenen Bundestagswahl als stärkste Kraft hervorging, warnt davor, dass solche Szenarien in den nächsten Jahren womöglich Realität werden könnten.

Prof. Dr. Stefan Gosepath, Praktische Philosophie

Prof. Dr. Stefan Gosepath, Praktische Philosophie
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Die Situation in den USA lasse sich nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen, sagt Stefan Gosepath, Professor für Praktische Philosophie an der Freien Universität und Principal Investigator des Exzellenzclusters SCRIPTS. „Die Debatte in den USA dreht sich im Kern um Redefreiheit“, erläutert er. „Nicht um die Freiheit von Forschung und Lehre, die in der deutschen Verfassung auf eine gesonderte Weise geschützt ist.“

Während die Redefreiheit das Recht sichere, die eigene Meinung frei zu äußern, umfasse die Wissenschaftsfreiheit die freie Gestaltung von Forschung im Rahmen der allgemeinen Verfassungsgrundsätze. „Dies betrifft Methoden und Ziele der Forschung gleichermaßen“, sagt Gosepath. „Beides ist in Deutschland frei – muss jedoch sowohl einer gesetzlichen als auch moralischen Prüfung standhalten.“

Stellen die vom Berliner Senat geforderten Einsparungen eine Bedrohung für die Wissenschaftsfreiheit dar?

Günter M. Ziegler unterstreicht hier vor allem die Hochschulautonomie als zentralen Bestandteil. „Welche Forschung betrieben wird, das muss aus der Wissenschaft heraus entschieden werden“, sagt er. „Und auch, welche Forschung finanziert wird.“

Zur Diskussion stand auf dem Podium auch die Frage, inwieweit die vom Berliner Senat geforderten Einsparungen eine Bedrohung für die Wissenschaftsfreiheit darstellen. Der aktuelle Haushaltsentwurf sieht für die Berliner Wissenschaft Kürzungen in Höhe von 250 Millionen Euro für das Jahr 2025 vor. An der Freien Universität sollen rund 37 Millionen Euro gestrichen werden.

„Diese Kürzungen schränken Forschung und Lehre unserer Universität massiv ein“, sagt Günter M. Ziegler. „Ich unterstelle dem Berliner Senat hier keine Böswilligkeit. Es gibt keine politische Agenda gegen die Wissenschaft. Trotzdem ist das Ergebnis ebenfalls beschädigend.“

Einig waren sich die Diskutanten, dass die Freiheit der Wissenschaft nur durch eine ausreichende Finanzierung gewährleistet werden kann. Und die Freiheit, sagt Stefan Gosepath, stehe in einem engen Verhältnis zur Wahrheit. „Die Wahrheitssuche muss in Freiheit stattfinden“, sagt er. „Sonst wird man die Wahrheit nicht finden.“

Weitere Informationen

Weitere Informationen zum Haushalt der Freien Universität Berlin und den vom Berliner Senat geforderten Sparmaßnahmen finden Sie hier.

Am Montag, 14. Juli 2025, fanden Verhandlungen zu den Hochschulverträgen statt, mehr lesen Sie hier.