Springe direkt zu Inhalt

„Wir sind der Situation nicht hilflos ausgeliefert – dieser Gedanke sollte uns leiten“

Wie die Freie Universität von der drohenden Energiekrise betroffen ist und wie sie sich wappnet

29.07.2022

Der Energieverbrauch an der Freien Universität wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten um rund 30 Prozent reduziert. Andreas Wanke leitet die Stabsstelle Nachhaltigkeit & Energie.

Der Energieverbrauch an der Freien Universität wurde in den vergangenen zwei Jahrzehnten um rund 30 Prozent reduziert. Andreas Wanke leitet die Stabsstelle Nachhaltigkeit & Energie.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

In Berlin wird an 200 öffentlichen Gebäuden und Sehenswürdigkeiten am Abend die Beleuchtung abgestellt. Die ersten stehen seit Mittwoch im Dunkeln, um Strom zu sparen. Die drohende Energiekrise und Knappheit an Gas verunsichert viele Menschen – auch an der Freien Universität: Welche Auswirkungen wird die Situation auf die Hochschule haben? Müssen sich Studierende, Lehrende und Beschäftigte Sorgen um den Betrieb des Campus machen? Ein Gespräch mit Andreas Wanke, Leiter der Stabsstelle Nachhaltigkeit & Energie der Freien Universität Berlin, über die Herausforderungen jetzt und im Herbst.

Herr Wanke, wie stellt sich die Freie Universität auf die steigenden Energiekosten und die drohende Gasknappheit ein?

Die Energiekrise ist auch für uns ein ernstes Thema. Rund ein Drittel unserer Wärmeversorgung beruht auf Erdgas. Die Wärmeversorgung des Hauptcampus Dahlem basiert überwiegend auf Fernwärme, die aber wiederum zu einem großen Teil mit Erdgas erzeugt wird.

Auf den Dächern der Freien Universität Berlin: Mit derzeit neun Photovoltaikanlagen erzeugt die Universität jährlich rund 600.000 Kilowattstunden sauberen Strom.

Auf den Dächern der Freien Universität Berlin: Mit derzeit neun Photovoltaikanlagen erzeugt die Universität jährlich rund 600.000 Kilowattstunden sauberen Strom.

Es geht grundsätzlich um die Frage, wie wir als Universität – bei Aufrechterhaltung eines geordneten Semesterbetriebs – einen Beitrag zur Vermeidung der drohenden Energieknappheit im kommenden Winter leisten können. Das ist unsere gesellschaftliche Verantwortung.

Welchen Stellenwert hatte das Thema Energiesparen bislang an der Freien Universität?

Mit Blick auf die Energiekrise haben wir durch langjährige Arbeit eine gewisse Resilienz erworben. Schließlich haben wir unseren Energieverbrauch in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit einem Bündel unterschiedlicher Maßnahmen um rund 30 Prozent reduziert. Ohne diese Einsparerfolge, die unser Budget bereits heute um jährlich rund sechs Millionen Euro entlasten, würde uns die aktuelle Situation noch viel stärker herausfordern.

Weil wir das Thema schon so lange verfolgen, konnte das Präsidium kurzfristig reagieren und hat eine Arbeitsgruppe Energieeffizienz und Energiesicherheit eingesetzt, die im August zum ersten Mal zusammenkommen wird.

Welche Aufgaben hat die Arbeitsgruppe Energieeffizienz und Energiesicherheit?

Sie soll einerseits ein Kommunikationskonzept entwickeln und mit gebäudebezogenen Energiechecks erneut quer durch die Universität gehen. Dabei sollen Ansatzpunkte für weitere Energieeinsparungen identifiziert und in Abstimmung mit den Universitätsangehörigen vor Ort auch möglichst schnell umgesetzt werden.

Zum anderen müssen wir uns als Universität auch darauf vorbereiten, dass es trotz aller Bemühungen tatsächlich zu einer Notsituation kommen kann. Wir werden deshalb Szenarien entwickeln, wie wir mit einer solchen Lage umgehen. Mit ersten Vor-Ort-Analysen und der Erarbeitung von Szenarien haben wir bereits begonnen.

Wie optimistisch sind Sie, dass weitere Einsparungen gelingen?

Wir fangen beim Thema Energieeffizienz glücklicherweise nicht bei Null an. Dass wir bereits so viele Einsparungen erzielt haben, begrenzt zwar in gewisser Weise unser Potenzial. Andererseits können wir an unsere langjährigen Erfahrungen anknüpfen. Dazu zählt die Erkenntnis, dass sich solche Herausforderungen nur gemeinschaftlich lösen lassen.

Energieeffizienz hat schließlich nicht nur eine technische Dimension, sondern hat auch mit betrieblicher Organisation und dem Verhalten zu tun. Und hier können wir als Universitätsgemeinschaft einiges tun – was wir in der Vergangenheit schon bewiesen haben. Wir sind der Situation nicht hilflos ausgeliefert. Dieser Gedanke sollte uns in den kommenden Monaten leiten.

Müssen sich Studierende, Lehrende und Beschäftigte Sorgen machen, im Wintersemester in kalten Räumen lernen, lehren und arbeiten zu müssen?

Wir können nicht alle Sorgen in Luft auflösen. Mit Blick auf eine eventuelle Energienotlage geht es uns wie dem ganzen Land. Wir können die Entwicklung in den kommenden Monaten nicht vorhersehen und müssen auf Sicht fahren.

Studierende und Beschäftigte können sich aber definitiv darauf verlassen, dass wir alles tun werden, einen geordneten Semesterbetrieb zu gewährleisten – und zwar in Präsenz und in temperierten Räumen. Gerade nach zwei Jahren vorwiegend digitalen Studienbetriebs ist uns dieses Signal sehr wichtig.

Was können wir selbst im Arbeits- oder Studienalltag tun?

Tatsächlich sehr viel. Wenn wir zum Beispiel im kommenden Wintersemester unsere Räume wirklich nur dann beheizen, wenn wir Wärme benötigen. Schon das Zurückdrehen des Thermostatventils abends und insbesondere vor dem Wochenende auf Stellung 2,5 oder sogar 2 bringt eine Menge. Jedes Grad nicht produzierte Wärmeenergie spart fünf bis sechs Prozent.

Das Gleiche gilt für jene, die am Abend einen Seminarraum als Letzte verlassen: Thermostatventile herunterdrehen und das Licht abschalten – das sollte selbstverständlich werden. Das gilt für Dozierende und Studierende gleichermaßen. Je mehr Menschen das beherzigen und einen Blick auf unnötigen Energieverbrauch in ihrem jeweiligen Umfeld entwickeln, desto mehr sparen wir gemeinsam. Wir werden dann auch zusammen Schritt für Schritt lernen, mit dieser Situation umzugehen.

Die Fragen stellte Kerrin Zielke

Weitere Informationen

Machen Sie mit: Hier finden Sie praktische Tipps zum Energiesparen im Arbeitsalltag.