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Labor der digitalen Zukunft

3. Juni: Das Ada Lovelace Center for Digital Humanities feiert Eröffnung mit einem Symposium

25.05.2022

Klassik trifft Digitales: Mithilfe der Plattform DraCor, herausgegeben von Frank Fischer, Professor für Digital Humanities an der Freien Universität, lassen sich Netzwerke und Personenkonstellationen in Dramen visualisieren.

Klassik trifft Digitales: Mithilfe der Plattform DraCor, herausgegeben von Frank Fischer, Professor für Digital Humanities an der Freien Universität, lassen sich Netzwerke und Personenkonstellationen in Dramen visualisieren.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Seine Namensgeberin ist eine prominente Mathematikerin aus dem 19. Jahrhundert – und Vordenkerin der digitalen Geisteswissenschaften: Das Ada Lovelace Center for Digital Humanities (ADA) der Freien Universität Berlin, benannt nach der Pionierin des Programmierens Ada Lovelace, ist ein interdisziplinäres Kompetenzzentrum für die digitalen Geisteswissenschaften. Es wird getragen von den Fachbereichen Geschichts- und Kulturwissenschaften, Philosophie und Geisteswissenschaften, Mathematik und Informatik sowie der Universitätsbibliothek. In Verbindung mit und komplementär zum 2008 gegründeten Dahlem Humanities Center (DHC) fungiert es als geisteswissenschaftlicher Hub an der Freien Universität Berlin und innerhalb des Exzellenzverbunds Berlin University Alliance sowie regional und international.

Das ADA will die Aktivitäten der digitalen Geisteswissenschaften an der Freien Universität bündeln, vernetzen und befördern. Am 3. Juni findet ein Eröffnungssymposium statt, an das eine Woche von Veranstaltungen, Vorlesungen und Diskussionen anschließt. Ein Gespräch mit Dennis Mischke, dem wissenschaftlichen Koordinator und Leiter des ADA.

Herr Mischke, was ist eigentlich gemeint, wenn wir von Digital Humanities sprechen?

Digital Humanities, das ist ein interdisziplinäres Querschnittsthema und neues Forschungsgebiet, in dem sich die traditionellen Geisteswissenschaften in ihrer ganzen Breite mit computeraffinen Fächern treffen: also mit der Informatik selbst, aber auch mit Computerlinguistik, Data Science, Mathematik oder der Bibliotheks- und Informationswissenschaft.

Dr. Dennis Mischke leitet die Geschäftsstelle des ADA. Der promovierte Amerikanist wird die Aktivitäten des Zentrums koordinieren.

Dr. Dennis Mischke leitet die Geschäftsstelle des ADA. Der promovierte Amerikanist wird die Aktivitäten des Zentrums koordinieren.
Bildquelle: Privat

Es geht dabei darum, die Vorteile, die das digitale Zeitalter mit sich bringt, gezielt dafür zu nutzen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen oder aber alte Forschungsfragen der Geisteswissenschaften neu zu stellen. „Scalable reading“ hat das der Darmstädter Literaturwissenschaftler Thomas Weitin kürzlich genannt, wenn ein Wissenskorpus noch einmal neu und mit neuen Mitteln betrachtet und untersucht wird und gewissermaßen hinein- und herausgezoomt werden kann. Das machen die Digital Humanities mithilfe digitaler und computationaler Verfahren: So können wir uns Texten auf eine neue Art und Weise nähern. In diesem Sinne sind Digital Humanities eine Erweiterung der Wissenschaftspraxis der klassischen Geisteswissenschaften, der Hermeneutik und Quellenexegese.

Was ist das Besondere am ADA, das am 3. Juni eröffnet wird?

Die Arbeit in den Digital Humanities ist sehr von unmittelbarer, interdisziplinärer Zusammenarbeit geprägt. Hier liegt vielleicht der eigentliche Methodenumbruch des Feldes: Digital Humanities sind absolutes Teamwork.

Digitale Forschungsprojekte benötigen eine Vielzahl von Fähigkeiten: von Softwareentwicklung und Implementierung über Datenerfassung bis zum Betrieb von IT-Infrastrukturen. Diese Expertisen und Kapazitäten können Geisteswissenschafter*innen natürlich nicht alle mitbringen. Gleichzeitig sind die Kolleg*innen aus der Informatik selbstverständlich auch keine Dienstleister, sondern bringen eigene Forschungsfragen, Methoden und Verfahren ins Spiel und bereichern die Betrachtung unserer – nun digitalen – Gegenstände.

Diesen Begegnungen einen Raum und Rahmen zu geben, ist eine wichtige Aufgabe des ADA. Mit verschiedenen Formaten möchte das Zentrum eine interdisziplinäre Laborkultur des kollaborativen Forschens und Lehrens über Disziplinen und Fachbereichsgrenzen hinaus realisieren. Es schließt damit an die vom Dahlem Humanities Center schon seit 2018 gemeinsam mit der CeDiS organisierten Veranstaltungsreihe „Digital Humanities im Gespräch“ an, die sich mit Fragen der „digitalen Geisteswissenschaften“ auseinandersetzt. Ziel insgesamt ist es, die digitale Transformation gemeinsam, kritisch und für den Menschen zu gestalten.

Wir reden hier also nicht nur davon, dass Bibliotheken nun ihre Bücher als PDFs ausgeben: Was bringen die Digital Humanities für die Geisteswissenschaften, was vorher nicht möglich war?

Natürlich ist die Digitalisierung der geisteswissenschaftlichen Stoffe der erste Schritt, der neue Methoden überhaupt erst ermöglicht. Dadurch können wir auf eine Weise arbeiten, die vorher nicht möglich war. Das verdrängt die klassischen Methoden jedoch nicht, sondern erweitert sie. Zudem entstehen in den DH auch gänzlich neue Methoden, die es vorher gar nicht gab.

Wie verändern sich dadurch die Geisteswissenschaften?

Erst einmal wird ihr Werkzeugkasten dadurch erheblich erweitert. Zugleich entwickeln die Digital Humanities auf diese Weise eine besondere Sprechfähigkeit im digitalen Zeitalter. Sie vollziehen dabei eine dreifache Bewegung: Die Digitalisierung der Gegenstände, die Digitalisierung der Methoden und – durch diese beiden Schritte – die Eröffnung der Möglichkeit, Digitalisierung grundsätzlich zu reflektieren.

Landen Sie irgendwann bei der Künstlichen Intelligenz, die ja eigentlich von ganz anderswo herkommt, nämlich von der Informatik und der Computerlinguistik?

Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen spielen eine immer größere Rolle in den digitalen Geisteswissenschaften: Man nutzt große Datenmengen und Verfahren des maschinellen Lernens und Mustererkennens, um Kategorisierungen und Klassifizierungen neu zu denken und zu überprüfen. Interdisziplinäre Brücken zur Spracherkennung und zum „natural language processing“ eröffnen ein neues, immer wichtigeres Feld. Aber auch hier gilt es, den Sinn und Nutzen von Technologien kritisch zu hinterfragen. Nicht alle Fragen der Geisteswissenschaften lassen sich mit Computern stellen. Künstliche Intelligenz ist kein Universalmittel.

Verlieren die Geisteswissenschaften dabei nicht den ihnen eigentlichen Kern, wenn sie sich nun den sogenannten exakten Wissenschaften annähern?

Ja und nein. Im Grunde wird damit eine alte Frage neu gestellt: Die Frage nach dem Zählen, der Quantifizierung und der Positivismus-Streit werden in dem Moment wieder virulent, da wir Verfahren aus den exakten Wissenschaften anwenden, um bestimmte Aufgaben in einem komplexeren Forschungsdesign zu erfüllen. Die Philosophin Sybille Krämer hat es einmal sehr schön auf den Punkt gebracht: Die Zahl hat auch in den Geisteswissenschaften schon immer ein Heimatrecht gehabt. Dabei wird in den Digital Humanities aber das Kind nicht mit dem Bade ausgeschüttet und die bisherigen Forschungsfragen und Methoden der Geisteswissenschaften werden nicht für obsolet erklärt: Sie werden erweitert. Die Interpretation, die Deutung von Texten, Quellen und Zusammenhängen wird immer bleiben, auch wenn sie jetzt um Daten und neue Visualisierungen ergänzt werden.

Warum haben Sie Ada Lovelace zur Namenspatronin des interdisziplinären Zentrums ADA erwählt?

Ada Lovelace (1815–1852) ist eine beeindruckende Frau und historische Figur: Sie hat nicht weniger als das Programmieren erfunden. Sie war die Tochter der britischen Mathematikerin Anna Isabella Noel-Byron und des Schriftstellers Lord Byron, einer der wichtigsten Vertreter der englischen Romantik. Selbst Mathematikerin, hat sie für Charles Babbage, der einen der ersten mechanischen Computer erfunden hatte, das erste Programm geschrieben. Sie war also eine Vordenkerin, nicht nur des digitalen Zeitalters und der Interdisziplinarität zwischen Musik, Poesie und Mathematik, sondern auch für die digitalen Geisteswissenschaften.

Das Gespräch führte Pepe Egger

Weitere Informationen

Programm und Anmeldung zur Online-Teilnahme des Eröffnungssymposiums

Im Rahmen der sich an die Eröffnung anschließenden Digital-Humanities-Woche hält Prof. Dr. Frank Fischer am 9. Juni 2022 um 14.15 Uhr einen Vortrag und stellt DraCor vor: eine Plattform, die vor allem für die Analyse mit computerlinguistischen Mitteln genutzt wird.