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International von (zu) Hause aus

Wie wird Internationalität an der Freien Universität in Zeiten der Coronavirus-Pandemie gelebt?

28.05.2020

Ein Bild, das es in diesem Jahr leider nicht geben wird: Ausländische Studierende bei ihrer Begrüßung an der Freien Universität.

Ein Bild, das es in diesem Jahr leider nicht geben wird: Ausländische Studierende bei ihrer Begrüßung an der Freien Universität.
Bildquelle: Jennifer Gaschler

Die vielen Verbindungen in die Welt sind ihr Markenzeichen: Seit ihrer Gründung im Jahr 1948 mit maßgeblicher Unterstützung durch die amerikanischen Alliierten hat die Freie Universität Berlin ihr Netz an internationalen Partnerschaften und Kooperationen mit wissenschaftlichen Einrichtungen konsequent ausgebaut; 2012 wurde die Hochschule im Rahmen der Exzellenzinitiative für ihr Konzept „Internationale Netzwerkuniversität“ ausgezeichnet. Welche Auswirkungen haben der aufgrund der Coronavirus-Pandemie eingerichtete minimale Präsenzbetrieb, das ausschließlich digitale Sommersemester sowie die eingeschränkte Forschungstätigkeit für die Freie Universität? Es bringe „drastische Umstellungen“ mit sich, sagt Professorin Verena Blechinger-Talcott, als Vizepräsidentin zuständig für den Bereich Internationales.

„Eingeladene Gastwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler mussten wir bitten, ihren Besuch zu verschieben, Dienstreisen sind vorerst nicht gestattet. Der Konferenz- und Tagungsbetrieb findet bis Ende des Sommersemesters vor Ort nicht statt, und viele Studierende mussten von ihren Auslandsaufenthalten früher zurückkehren“, bedauert Verena Blechinger-Talcott.

„Glücklicherweise sind die meisten Forschungsaufenthalte nur aufgeschoben und nicht aufgehoben“, sagt Herbert Grieshop, Leiter der Abteilung Internationales der Freien Universität. Viele Treffen fänden in der zweiten Jahreshälfte oder ein Jahr später als geplant statt. Die Vorbereitungen online durchzuführen, sei in den meisten Fällen gut möglich.

Digitale Vernetzung

„Das Zauberwort der Stunde ist Digitalisierung“, betont Verena Blechinger-Talcott. „Wir nutzen im internationalen Kontext und intern virtuelle Konferenzräume und Plattformen. Damit haben wir im internationalen Bereich bereits viel Erfahrung, sodass die Umstellung zügig erfolgen konnte.“

Die wissenschaftliche Arbeit sei ein gut geeigneter Gegenstand für die digitale Kommunikation, ist sich Herbert Grieshop sicher, mehr als ein Computer und eine Internetverbindung seien nicht nötig, um über Ländergrenzen hinweg etwa Texte miteinander zu verfassen. Das gelte aber natürlich nicht für alle Fächer gleichermaßen und auch nicht auf Dauer. „Wir möchten selbstverständlich weiter die Vernetzung über persönliche Kontakte fördern, aber nach der Corona-Krise wird virtuelle Kommunikation in der internationalen Kooperation zweifelsohne eine viel größere Rolle spielen als vorher. Das ist ja auch im Hinblick auf den Klimaschutz sehr wünschenswert.“

Dass der digitale Kontakt funktioniert, zeigt das Beispiel des europäischen Universitätsnetzwerks UNA Europa: Trotz der Ausnahmesituation laufen die gemeinsamen Projekte zügig an und für die erste Antragsphase im Rahmen der 2018 geschmiedeten Universitätsallianz – der neben der Freien Universität sieben weitere Hochschulen in Italien, Schottland, Spanien, Polen, Frankreich, Finnland und Belgien angehören – sind fast 40 Förderanträge eingegangen.

„In dieser Allianz hatten wir ohnehin geplant, gemeinsam mehr digitale Aktivitäten auf den Weg zu bringen“, sagt Verena Blechinger-Talcott, „wir wollen zum Beispiel online durchgeführte Lehrveranstaltungen für alle beteiligten Hochschulen öffnen oder gemeinsame studentische Projekte, aber auch wissenschaftliche Veranstaltungen als Webinare im Internet organisieren.“ Dieses mittelfristige Ziel sei nun unmittelbar in den Vordergrund gerückt. So wirke die Pandemie auch als „Chance für eine aktivere digitale Vernetzung“.

Während der International Week der Freien Universität gibt es normalerweise zahlreiche Veranstaltungen, die Lust auf Auslandsaufenthalte machen, Unterstützungsmöglichkeiten für internationale Forschungsprojekte vorstellen oder die Internationalität auf dem Campus feiern. In diesem Jahr sei dies als Präsenzformat nicht möglich, werde aber durch Online-Lösungen ersetzt und eröffne dabei auch ganz neue Möglichkeiten, internationale Partner einzubinden, kündigt Herbert Grieshop an. So sollen beispielsweise digitale Gastvorträge aus aller Welt in Lehrveranstaltungen integriert und Schnupperangebote der Partnerhochschulen zugänglich gemacht werden. Serviceveranstaltungen, die bisher in Dahlem stattfanden, werden stattdessen als Webinare angeboten.

Eine Ausnahmesituation ist dieses Semester auch in Hinsicht auf die internationalen Beziehungen der Freien Universität.

Eine Ausnahmesituation ist dieses Semester auch in Hinsicht auf die internationalen Beziehungen der Freien Universität.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Virtuelles Austauschsemester

Es sei natürlich traurig, wenn ein lange vorbereiteter Austausch nicht wie geplant stattfinden könne, fühlt Gesa Heym, Teamleiterin der Studierendenmobilität, mit den Studentinnen und Studenten mit. Durch die derzeit in vielen Ländern digital abgehaltenen Vorlesungen und Seminare könnten aber viele zumindest von zu Hause aus Gast an einer Universität im Ausland sein – auch wenn das wohl nur ein kleiner Trost sei.

Zu Beginn des Semesters sah sich das Team von Gesa Heym mit der Herkulesaufgabe konfrontiert, die Partneruniversitäten und Austauschstudierenden über die Corona-bedingte Situation in Deutschland zu informieren, Studierende bei der Rückkehr in ihre Heimatländer zu unterstützen und die bereits angereisten Gaststudierenden in Berlin in dieser ungewöhnlichen Zeit zu betreuen.

Weil sehr viele Studierende aus dem Ausland bereits in Berlin waren, als die Corona-Krise ausbrach, ist die Zahl der Austauschstudierenden erstaunlich wenig zurückgegangen. Für die mehr als 500 internationalen Studierenden, die das Sommersemester an der Freien Universität verbringen, wurden die Begrüßungsveranstaltungen, Deutschkurse und kulturellen Einführungskurse auf Web-Plattformen angeboten. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bereichs Studierendenmobilität drehten Video-Tutorials, um etwa die Einschreibung in die Lehrveranstaltungen möglichst anschaulich zu erläutern. Nun, da das Semester angelaufen ist, sei mehr Zeit, sich Gedanken über kreatives, digitales Netzwerken zu machen, hofft Gesa Heym.

Ob die sogenannten Outgoings – Studierende der Freien Universität, die für ein oder zwei Semester ins Ausland gehen – ihre Aufenthalte im nächsten Semester antreten können, ist noch nicht entschieden und sehr länderabhängig: Teilweise beginnt das Wintersemester bei den Austauschpartnern bereits im August. Gesa Heym und ihre Kolleginnen und Kollegen stehen deswegen im ständigen Dialog mit den mehr als 500 Partnerinstitutionen der Freien Universität, aber natürlich auch mit den Studierenden hier vor Ort.

Online-Tandem-Programm

Dass ein Austauschsemester mehr ist als die Teilnahme an dem akademischen Angebot der Gasthochschule, wissen Verena Blechinger-Talcott und Gesa Heym natürlich: „Wer nur digital mobil ist, bekommt leider nur einen Teil der internationalen Erfahrung mit. Es geht ja auch darum, Land und Leute kennenzulernen, sich in einer fremden Kultur zurechtzufinden und die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen“, so die Vizepräsidentin und Japanologin Verena Blechinger-Talcott. Am Institut für Japanologie werde das bereits bestehende digitale Tandem-Programm derzeit noch stärker genutzt. Per Videotelefonat können sich dabei Studierende aus Japan und der Freien Universität in den jeweiligen Sprachen sowie über Kultur, Politik und Gesellschaft unterhalten. Denn, so ist sich Verena Blechinger-Talcott sicher, „Internationalität ist teilweise auch von Zuhause aus möglich“.

Weitere Informationen

Die International Week 2020 findet vom 8. bis 12. Juni in digitaler Form statt. Das Online-Angebot finden Sie hier.