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„Wir wollen eine Debatte im besten Sinne auf den Weg bringen“

4. Februar, 18 Uhr: Auftakt der neuen Veranstaltungsreihe „Debatte Dahlem“: Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) und Norbert Lammert (CDU) diskutieren mit der Politikwissenschaftlerin Sabine Kropp, es moderiert die Journalistin Kristina Dunz

29.01.2019

Wie haben sich parlamentarische Rede und Arbeit verändert? Darüber diskutieren an der Freien Universität Politiker, eine Wissenschaftlerin und eine Journalistin bei der ersten Debatte Dahlem.

Wie haben sich parlamentarische Rede und Arbeit verändert? Darüber diskutieren an der Freien Universität Politiker, eine Wissenschaftlerin und eine Journalistin bei der ersten Debatte Dahlem.
Bildquelle: Deutscher Bundestag Achim Melde

Die Freie Universität Berlin ist seit jeher ein Ort für Diskussionen, Debatten und Diskurse. Mit einem neuen Format wird nun ein besonderer Gesprächsraum eröffnet: Unter dem Titel „Debatte Dahlem“ soll über Streitfragen der Gegenwart aus Politik und Gesellschaft diskutiert werden. Bei der ersten Veranstaltung am 4. Februar geht es um Veränderungen der parlamentarischen Rede und Arbeit. Campus.leben im Gespräch mit Professorin Sabine Kropp und Professor Thorsten Faas vom Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität, die die neue Veranstaltungsreihe initiiert haben.

Politikwissenschaftsprofessorin Sabine Kropp vom Otto-Suhr-Institut und...

Politikwissenschaftsprofessorin Sabine Kropp vom Otto-Suhr-Institut und...
Bildquelle: Foto Faust

„Debatte Dahlem“ ist der Titel der neuen Veranstaltungsreihe am Otto-Suhr-Institut: Welche Art von Debatte soll geführt werden? Und warum in Dahlem?

Sabine Kropp: Politik in Deutschland und in Europa befindet sich in vielerlei Hinsicht im Umbruch, sei es hinsichtlich des Wahlverhaltens oder der demokratischen Institutionen. Nicht immer aber ist alles hinreichend erforscht, und Debatten eröffnen die Möglichkeit, im Gespräch mit Praktikerinnen und Praktikern, Politikerinnen und Politikern einzelne Themen auszuleuchten. Die Öffentlichkeit wollen wir einbeziehen in diese Verbindung von wissenschaftlicher Expertise und praktischem Wissen.

... ihr Kollege Professor Thorsten Faas haben das neue Format „Debatte Dahlem“ konzipiert.

... ihr Kollege Professor Thorsten Faas haben das neue Format „Debatte Dahlem“ konzipiert.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Thorsten Faas: Der Begriff Debatte ist programmatisch gemeint, denn es geht bei der Veranstaltung um Debattenkultur und um Diskursqualität, die für eine Demokratie unerlässlich sind. Die Freie Universität in Dahlem ist für Debatten der richtige Ort, vom Otto-Suhr-Institut bringen wir Expertise ein und können zur Versachlichung von Diskussionen beitragen. Deshalb wollen wir hier in Dahlem ein Forum dafür bieten.

Kropp: Wir stehen damit auch in der Tradition der Freien Universität Berlin, die nach dem Zweiten Weltkrieg an diesem Ort gegründet wurde, im Sinne von Demokratie und eines freiheitlichen Selbstbewusstseins. An diese Tradition wollen wir mit der „Debatte Dahlem“ anknüpfen. Die Veranstaltungen der Reihe sollen jeweils einen Blick auf ein Thema ermöglichen, den man nur durch das tägliche Konsumieren von einzelnen Fakten nicht bekommt. Wir wollen damit zu einer Debattenkultur beitragen, die anders ist als die zu oft verbreitete schnelllebige Erregungskultur.

Bei der ersten Veranstaltung diskutieren die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) und der Präsident des Deutschen Bundestages a. D. Norbert Lammert (CDU), der dem Bundestag mehr als 30 Jahre lang angehörte. Das Thema lautet: „Abschied vom Arbeitsparlament? Debattenkultur und Arbeitsweise in Zeiten wachsender Polarisierung“. Was können wir uns darunter vorstellen?

Kropp: Wir erleben derzeit das erste Jahr einer neuen Legislaturperiode, die wir als Sieben-Parteien- oder Sechs Fraktionen-Parlament bezeichnen können. Seither gibt es wachsende Auseinandersetzungen und Krisen zwischen einzelnen Parteien, zwischen Regierung und Opposition, aber auch zwischen den Koalitionspartnern. Durch den Einzug der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) sind Veränderungen innerhalb der Debattenkultur zu beobachten. Wir haben es außerdem mit einer sehr geschrumpften großen Koalition zu tun und mit einer Opposition, die aus vier sehr unterschiedlichen Kräften besteht. Damit verbunden ist die Frage, inwieweit die Zuspitzung in den Plenardebatten, die sich an die Öffentlichkeit richten, einem sachorientierten Arbeitsstil in den Ausschüssen entgegensteht, in denen die Abgeordneten als Expertinnen und Experten auftreten. Und die neue Kraft im Parlament, die AfD, hat sich dieser Sacharbeit noch teilweise entzogen.

Faas: Es geht bei der Frage „Abschied vom Arbeitsparlament?“ nicht darum, dass das Parlament nicht mehr im Sinne eines arbeitenden Parlaments tätig ist, sondern die Frage nimmt Bezug auf eine alte Gegenüberstellung aus der Parlamentsforschung: Arbeits- und Redeparlament. Wir wollen erörtern, ob wir es tatsächlich mit einer Verschiebung zu tun haben weg von einer eher arbeitsorientierten Art und Weise in den Ausschüssen hin zu einem Redeparlament, dessen Reden und Diskussionen gerade auch symbolisch nach außen gerichtet sind.

Können Titel und Thema als prototypisch für die Reihe gelten?

Faas: Auf jeden Fall. Der Debattenbegriff ist im Namen der Veranstaltungsreihe „Debatte Dahlem“ enthalten und Thema dieser Auftaktveranstaltung. Auch künftig wollen wir uns mit Debatten und Diskursen in verschiedenen Kontexten befassen: in alten und neuen Netzwerken, im Zusammenhang mit Wahlen oder im Gebrauch neuer Medien und elektronischer Plattformen. Die Frage ist auch generell, wie wir als Gesellschaft Debatten und Diskurse führen, ob wir überhaupt noch debattenfähig sind. Insofern ist „Debatte“ nicht nur der Name der Reihe, sondern auch eine Ansage, worum es gehen soll.

Wie oft soll die „Debatte Dahlem“ stattfinden?

Faas: Wir wollen die Veranstaltung einmal pro Semester stattfinden lassen und damit einen exponierten Ort schaffen, wohin wir renommierte und bekannte Personen aus Politik, Praxis und Journalismus einladen, mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus dem Otto-Suhr-Institut öffentlich zu diskutieren. Um einen tiefgehenden Austausch zu ermöglichen, eine echte Debatte, sollen nicht mehr vier oder fünf Personen auf dem Podium miteinander sprechen. Man soll mehr als nur Stichworte austauschen können, die Diskussion darf nicht zerfasern.

Kropp: Bei der nächsten Veranstaltung im Sommersemester soll es um Wahrheit und „Fake“ in politischen Debatten gehen. In diesem Jahr stehen viele Wahlen an, von Europawahl über Landtagswahlen bis hin zu kommunalen Wahlen. Auch diese könnten Thema einer Veranstaltung sein. Generell wollen wir uns aber nicht zu lange im Voraus festlegen, sondern uns die Freiheit lassen, Aktuelles aufzugreifen.

Was sehen Sie in der Verbindung von Wissenschaft, Politik und Journalismus als das Gewinnbringende an?

Kropp: Auf einer solchen Veranstaltung nehmen die Beteiligten unterschiedliche Rollen ein. Wir als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind diejenigen, die mit einer gewissen Distanz auf das Geschehen blicken. Die Politikerinnen und Politiker sind als Entscheidungsträger mit den konkreten Prozessen befasst. Journalistinnen und Journalisten, die das politische Tagesgeschäft beobachten, haben häufig eine sehr intime Kenntnis von einzelnen Fakten, die man gar nicht haben kann, wenn man Vorgänge im Nachhinein analysiert. Insofern liegt es nahe, diese drei Rollen in einer Debatte zusammenzuführen.

Faas: Wenn die unterschiedlichen Perspektiven der Personen, die sich täglich mit Politik beschäftigen, zusammenkommen, können sie sich sehr produktiv ergänzen. Das passiert aber eben viel zu selten, deshalb wollen wir für diesen Austausch einen Ort schaffen. Auch für unsere Studierenden, die auf diese Weise mehr Perspektiven kennenlernen – das kann ihnen neue Impulse für ihr Studium geben. Und im Anschluss soll im Foyer weiterdiskutiert werden. Es soll anregen, über die eigentliche Veranstaltung hinaus ins Gespräch zu kommen, etwas mitzunehmen. Wir wollen eine Debatte im besten Sinne auf den Weg bringen.

Die Fragen stellte Kerrin Zielke

Weitere Informationen

„Abschied vom ,Arbeitsparlament‘? Debattenkultur und Arbeitsweise in Zeiten wachsender Polarisierung“

Zeit und Ort

  • Montag, 4. Februar, 18.00 bis 20.00 Uhr
  • Henry-Ford-Bau der Freien Universität Berlin, Hörsaal A, Garystraße 35, 14195 Berlin (U-Bahnhof Freie Universität/Thielplatz, U 3)

Der Eintritt ist frei. Es diskutieren Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert (CDU), Präsident des Deutschen Bundestages a. D., Prof. Dr. Sabine Kropp (Freie Universität), Professorin für Politikwissenschaft, Moderation: Kristina Dunz, stellvertretende Leiterin des Hauptstadtbüros der Rheinischen Post.

Debatte Dahlem ist eine Veranstaltungsreihe des Otto-Suhr-Instituts für Politikwissenschaft (OSI) und des Alumni-Vereins OSI-Club.