Neue Kunst auf altem Sockel
Während die Skulptur „Kore“ restauriert wird und als Leihgabe an das neu eröffnete Kunsthaus Dahlem geht, ist ihr Sockel Bühne für neue Kunstobjekte
12.06.2015
Sie ist eine stumme Zeugin des Dahlemer Campuslebens: die Skulptur „Kore“ des Bildhauers Karl Hartung. Über 60 Jahre stand das Werk auf der Grünfläche vor der vegetarischen Mensa an der Van’t-Hoff-Straße 6. Nun wird der Frauentorso restauriert und für drei Jahre an das neu eröffnete Kunsthaus Dahlem ausgeliehen, das von heute an Besucher empfängt. Die Skulptur „Many Lives Pass By While Imitating Death“ des georgischen Künstlers Vajiko Chachkhiani schmückt währenddessen den freigewordenen Sockel.
„Die kommt erst mal mit zu mir.“ Behutsam berührt Rüdiger Tertel die mit grünlicher Patina überzogene Bronzeskulptur. 1953 wurde „Kore“ auf der Wiese vor der heutigen vegetarischen Mensa aufgestellt. Nun gönnt Restaurator Tertel ihr eine Verjüngungskur, bei der er kleine Risse schließt und Überbleibsel von Graffiti und Poster-Kleber beseitigt.
„Zur Kunst gehört aber auch, dass sie sich entwickelt“, sagt Tertel. Deshalb werde er nicht alle Spuren der Zeit beseitigen – ein wenig Patina soll schließlich bleiben. Eine Wachsschicht soll die Skulptur künftig vor Regen schützen.
Auch wenn die Restaurierung nur wenige Tage in Anspruch nimmt, wird „Kore“ erst 2018 auf den Campus zurückkehren. Bis dahin ist sie im Kunsthaus Dahlem zu sehen. Das ehemalige Atelier des Bildhauers und NS-Künstlers Arno Breker öffnet nach umfangreicher Restaurierung am heutigen Freitag seine Türen für Besucher.
Kunst aus dem Kriegsgebiet
Der Sockel, auf dem die Hartung-Skulptur stand, soll während der Leihgabe mit verschiedenen Kunstobjekten bespielt werden. Für zunächst ein Jahr zeigt der Künstler Vajiko Chachkhiani seine Skulptur „Many Lives Pass By While Imitating Death“. Die Arbeit besteht aus zwei verkohlten Baumstämmen, die in einem rechteckigen Stück Beton stecken. An den Stämmen sind kleinere Äste befestigt, die aus dem ehemaligen Kriegsgebiet in Georgien stammen, dem Herkunftsland des Künstlers. „Ich habe die Äste in einem Wald gesammelt, der 2008 während des Krieges zwischen Georgien und Russland abgebrannt ist“, sagt Chachkhiani. Seine Arbeiten mit dem Holz aus dem Kriegsgebiet werden derzeit auch in der Bundeskunsthalle in Bonn gezeigt.
Kunst im Alltag begegnen
Chachkhiani wünscht sich, dass sich die Skulptur im Laufe des Jahres entwickelt und so ein Teil des Campus wird. Efeu soll sich entlang der abgestorbenen Bäume ranken und sinnbildlich für einen neuen Lebenszyklus stehen. „Ich arbeite gern mit den Gegensätzen von Tod und Leben“, erklärt Vajiko Chachkhiani, der 1985 in Tiflis geboren wurde und an der Berliner Universität der Künste studiert hat. Die Skulptur auf der Campuswiese ist sein erstes Objekt, das nicht in einem Museum oder einer Galerie steht.
Kunst im öffentlichen Raum zu zeigen, ist das Anliegen der kuratorischen Initiative „Neue Berliner Räume“. Die jungen Kuratorinnen und Kuratoren haben Chachkhiani für das Projekt gewonnen und werden den Sockel mit weiteren Kunstobjekten bespielen. Kunst im Alltag: Auf der Wiese vor der vegetarischen Mensa scheint das Prinzip zu funktionieren.
Weitere Informationen
Die Leihgabe der „Kore“-Skulptur ist Teil der Kooperation zwischen der Freien Universität und dem Kunsthaus Dahlem. Bereits Ende April fand in Zusammenarbeit mit der Forschungsstelle „Entarte Kunst“ der Freien Universität ein Vortrag zu Arno Breker und regimetreuen Künstlern in der NS-Zeit statt. Das Kunsthaus Dahlem ist in diesem Jahr außerdem erstmals im Gasthörer-Programm der Freien Universität vertreten.
Das Kunsthaus Dahlem ist von diesem Freitag an, 12. Juni 2015, für Besucher geöffnet.
Ort: Käuzchensteig 8-12, 14195 Berlin
Anfahrt: Buslinie 115: Finkenstraße oder Bus: X10: Königin-Luise-Str./Clayallee
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Montag, 11 – 17 Uhr. Dienstag geschlossen.