Auf Weltenbummel in Dahlem
Mehr als 20.000 Gäste besuchten während der Langen Nacht den Wissenschaftscampus in Dahlem und Steglitz
10.05.2014
Leuchtelemente wiesen Besuchern den Weg von der Rost- und Silberlaube bis hin zu den Instituten für Chemie und Informatik.
Bildquelle: Gisela Gross
Mit selbstgebastelten Amuletten gegen Kopfschmerzen und Haarausfall: Kinder lernen Methoden aus der babylonischen Medizin kennen.
Bildquelle: Nina Diezemann
Am Institut für Japanologie wurde der Kendokampf präsentiert.
Bildquelle: Nina Diezemann
Von der Antike in die „wilden Sechziger“ sind es nur wenige Schritte: Gerade eben noch in der Altorientalischen Schreiberschule auf Tontafeln Keilschrift geübt, jetzt schon voll in das Leben der „Kommune 1“ eingetaucht. Den Besuchern, die während der Langen Nacht der Wissenschaften am Sonnabend auf dem Campus der Freien Universität unterwegs waren, gelang dieser Zeitensprung mühelos. Mit mehr als 500 Programmpunkten präsentierte sich hier im Südwesten Berlins die Welt der Wissenschaft in ihrer ganzen Vielfalt. „Von der Archäologie bis zur Zoologie, alle sind dabei“, sagte Monika Schäfer-Korting, Erste Vizepräsidentin der Freien Universität, im radioeins-Interview.
Der Radiosender übertrug live von der Langen Nacht aus dem lauschigen Bambusgarten im Innenhof des Instituts für Informatik, wo Liegestühle die Zuhörer zum entspannten Verweilen einluden. Nur ein Stockwerk darüber ging es dagegen hoch her: Die Fußballroboter der Freien Universität zeigten ihr Können und zogen noch bis tief in die Nacht Besucher an.
Schließlich gehören die elektronischen Dribbelkünstler mit nur 60 Zentimetern Körperhöhe zu den ganz Großen in ihrer Liga: Erst vor wenigen Wochen besiegten sie bei der German Open – einer Art Roboter-EM – ein Team aus England im Finale mit 2:1.
Andernorts ging es weniger neuzeitlich zu. Beim Exzellenzcluster TOPOI in der Hittorfstraße erhielten Besucher Einblick in die Welt der Antike. Neben einer Ausstellung zur Medizin im Alten Mesopotamien gab es viel Lehrreiches und Unterhaltendes auch für Nachwuchs-Archäologen. Sie konnten im Garten der Topoi-Villa auf Schatzsuche gehen oder sich an einem ganz besonderen Muttertags-Geschenk versuchen: Einer lieben Botschaft in Keilschrift auf einer Tontafel.
Kendo aus Japan, Essen aus Korea
Gleich nebenan präsentierte das Institut für Japanologie verschiedene Sportarten aus Fernost. Umringt von Zuschauern ging es beim Kendokampf mit langen Bambusstöcken um Sieg und Ehre.
Friedlicher, aber nicht weniger unterhaltsam stellte das Institut für Koreastudien das UNESCO-Weltkulturerbe Koreas vor. Eine besonders gute Nachricht für alle Liebhaber asiatischer Küche: Seit Dezember vergangenen Jahres ist die Zubereitung von Kimchi – einer koreanischen Spezialität aus eingelegtem Gemüse – sogar offiziell Teil des Weltkulturerbes. Bei einem Workshop konnten Besucher der Langen Nacht erlernen, wie man diese Spezialität auch in der heimischen Küche herstellen kann.
Kulinarisches mit sechs Beinen
Wem Kimchi nicht ausgefallen genug war, der kam im Institut für Biologie auf seine Kosten. Dort gab es unter dem Motto „Sechsbeiniges vom Bauernhof“ Leckerbissen wie Bienenstich mit echten Bienendrohnen-Larven oder frittierte Mehlwürmer als Kostproben für alle Mutigen.
Und von denen fanden sich einige. Lukas nahm sich gleich eine ganze Handvoll Mehlwürmer. „Schmeckt wirklich gut“, versicherte der Grundschüler seinen eher skeptischen Eltern, die dem Urteil ihres Sohnes in diesem Fall lieber ungeprüft vertrauten.
Dabei sind Insekten und Würmer nicht nur schmackhaft, sondern eine eiweißreiche und ökologische Alternative zum wachsenden, weltweiten Fleischkonsum, wie die Besucher erfuhren. Die angehende Biologin Aglaia, die die ungewöhnlichen Appetithappen mit weiteren Masterstudierenden zubereitet hatte, ist überzeugt, dass sich Insekten als Lebensmittel auch bei uns irgendwann durchsetzen werden: „Das ist nur eine Sache der Gewöhnung.“
Besonders mutige Besucher verkosteten am Institut für Biologie salzige Bienendrohnenlarven und andere Insektensnacks.
Bildquelle: Michael Fahrig
Das "Kleine Rebellarium", eine Veranstaltung des Universitätsarchivs, mit Lutz von Werder, Siegward Lönnendonker und Detlef Berentzen (v.l.)
Bildquelle: Birgit Rehse
Gold schürfen auf dem GeoCampus in Lankwitz
Bildquelle: Mona Muth
Neue Einsicht in alte Akten
Gäste der Langen Nacht, die sich weniger für kleine Tiere als für große Fragen der Politik interessierten, hatten die Qual der Wahl. Unter dem Titel „Pulverfass Ukraine“ diskutierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität mit weiteren Experten und den Zuhörern in einem gut gefüllten Seminarraum im Henry-Ford-Bau die brandaktuellen Entwicklungen in der Ukraine und deren Hintergründe.
Ein paar Räume weiter vermittelten Vertreter des Forschungsverbundes SED-Staat an der Freien Universität und der Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik neue Einsichten über alte Stasi-Akten. Mit dabei auch Zeitzeugen wie der ehemalige Student der Freien Universität Berlin, Burkhart Veigel. Er erzählte, wie er als Fluchthelfer Ostberliner Mitbürgern zur Freiheit verholfen hat.
Vom Leben in den „wilden Sechzigern“
Im „Kleinen Rebellarium“ im Hauptgebäude an der Habelschwerdter Allee präsentierten drei weitere Zeitzeugen westdeutsche Geschichte aus erster Hand: Journalist und Schriftsteller Detlef Berentzen, Philosoph und Soziologe Lutz von Werder und Siegward Lönnendonker, Gründer des APO-Archivs an der Freien Universität, in dem alles zur außerparlamentarischen Opposition (APO) gesammelt ist.
Im Gepäck hatten sie Flugblätter, Fotos, Ton- und Filmaufnahmen aus dem Archiv, aber auch ihre ganz persönlichen Eindrücke und Erlebnisse aus der Zeit der Studentenbewegung der „wilden Sechziger“.
Mit viel Humor berichteten die Drei etwa von der Erkundung des „multiplen Orgasmus in der Kommune 1“, jener legendären Westberliner Wohngemeinschaft, schlugen aber auch ernste Töne an, als sie vor einem gebannt lauschenden Publikum etwa von der Ermordung Benno Ohnesorgs am 2. Juni 1967 oder dem Sturm auf das Springer-Verlagshaus im April '68 berichteten.
Premiere mit „Feichang Fresh“
Ein Zuschauermagnet war auch das Programm im Konfuzius-Institut für Chinastudien. Hier trat nämlich die Boyband „Feichang Fresh“ zum ersten Mal bei der Langen Nacht der Wissenschaften auf – drei Jungs, alles Deutsche, die derzeit in China mit ihren Songs auf Chinesisch Erfolge feiern.
Mit Liedern über die chinesische Küche, einem Liebeslied zwischen Ballade und Rock 'n' Roll-Song, oder ihrer Interpretation „Wie Will Smith klingen würde, wenn er chinesischer Rapper wäre“, heizten die Freunde des Reichs der Mitte ihrem Publikum ordentlich ein.
Neben Premieren wie der des Debüts von „Feichang Fresh“ oder dem ersten Auftritt des Chors des Collegium Musicum wurden auch Jubiläen bei der Langen Nacht der Wissenschaften gefeiert. Das Institut für Judaistik zelebrierte mit Hebräisch-Crashkursen, Mitmach-Seminaren und Vorträgen 50 Jahre Judaistik an der Freien Universität.
Zeitreise mit dem Shuttlebus
Mit den Shuttlebussen, die die verschiedenen Schauplätze miteinander verbanden, konnten die Besucher in nur wenigen Minuten von einem Ende der Wissenschaftswelt ans andere reisen oder von der Antike in die Zukunft springen – ganz ohne Überschallgeschwindigkeit und Zeitreisen.
Als alles dann um Mitternacht vorbei war und die dekorativen Lichtskulpturen vor den Gebäuden der Freien Universität nach und nach verloschen, hatte sich das Motto der „Klügsten Nacht des Jahres“ für so manchen Besucher erfüllt: „Schau rein, schlau raus!“
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Bildergalerie zur Langen Nacht der Wissenschaften
Die Lange Nacht der Wissenschaften in Bild, Ton - und den Sozialen Medien
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