Springe direkt zu Inhalt

Versöhnung – mehr als nur ein Wort

Internationales Symposium zu rechtlichen und politischen Fragen der Versöhnung auf dem Balkan

07.02.2012

Am 22. Mai 1992 wurden die Flaggen (v.l.n.r.) von Slowenien, Bosnien und Herzegowina sowie Kroatien, den neuen Mitgliedern der Vereinten Nationen, vor dem Hauptsitz der Organisation in New York gehisst.

Am 22. Mai 1992 wurden die Flaggen (v.l.n.r.) von Slowenien, Bosnien und Herzegowina sowie Kroatien, den neuen Mitgliedern der Vereinten Nationen, vor dem Hauptsitz der Organisation in New York gehisst.
Bildquelle: UN Photo

Teilnehmer des Symposiums (v.l.n.r.): Izabela Kisić vom Helsinki Komitee für Menschenrechte in Belgrad, Mirsad Tokača vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Sarajevo sowie Professor Herwig Roggemann, Direktor des Interuniversitären Zentrums.

Teilnehmer des Symposiums (v.l.n.r.): Izabela Kisić vom Helsinki Komitee für Menschenrechte in Belgrad, Mirsad Tokača vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Sarajevo sowie Professor Herwig Roggemann, Direktor des Interuniversitären Zentrums.
Bildquelle: Jan Hambura

Trafen sich an der Freien Universität (v.l.n.r.): Prof. Herwig Roggemann, Miro Kovač, Botschafter der Republik Kroatien, sein serbischer Kollege Prof. Ivo Viskovič sowie Prof. Werner Väth, Vizepräsident der Freien Universität.

Trafen sich an der Freien Universität (v.l.n.r.): Prof. Herwig Roggemann, Miro Kovač, Botschafter der Republik Kroatien, sein serbischer Kollege Prof. Ivo Viskovič sowie Prof. Werner Väth, Vizepräsident der Freien Universität.
Bildquelle: Jan Hambura

Am 14. Dezember 1995 wurde das Abkommen von Dayton unterzeichnet, das den Krieg in Bosnien und Herzegowina beendete. Mehr als 16 Jahre später trafen sich nun Vertreter der drei ehemaligen Kriegsparteien Serbien, Kroatien sowie Bosnien und Herzegowina zu einem Internationalen Symposium an der Freien Universität. Dort erörterten sie rechtliche und politische Fragen der Versöhnung auf dem Balkan.

„Heutzutage denkt ein deutscher Unternehmer nicht mehr an den Zweiten Weltkrieg, wenn er nach Frankreich fährt“, sagte Miro Kovač, Botschafter der Republik Kroatien in Deutschland. Doch für diese Entwicklung habe es Zeit gebraucht. Genauso sei es auch mit den Beziehungen der beiden ehemaligen Kriegsparteien Kroatien und Serbien. Zugleich betonten Kovač und sein serbischer Kollege, Ivo Viskovič, dass sie gute Freunde seien. „Und das, obwohl wir Vertreter zweier Staaten sind, die viele nicht als Freunde ansehen“, sagte Viskovič.

Die beiden Botschafter waren auf Einladung des Interuniversitären Zentrums Berlin/Split nach Dahlem gekommen, einer gemeinsamen Einrichtung der Freien Universität Berlin und der kroatischen Universität Split. Die Mitarbeiter des Zentrum organisieren seit mehr als zehn Jahren Veranstaltungen und akademische Auslandsaufenthalte und tragen auf diese Weise zur europäischen Integration Südosteuropas bei. Partner sind die Universitäten in Belgrad, Sarajevo und die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder.

Diskussionen von Wissenschaftlern und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen

Während des internationalen Symposiums zur „Versöhnung auf dem Balkan – rechtliche und politische Fragen“ trafen Miro Kovač und Ivo Viskovič auch mit Wissenschaftlern und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen aus Kroatien, Serbien sowie Bosnien und Herzegowina zusammen. Im Laufe des Symposiums unter der Leitung von Professor Herwig Roggemann, dem Direktor des Interuniversitären Zentrums, wurde durchaus kontrovers diskutiert. Teilweise wurde um die Deutungshoheit einzelner Begriffe gerungen.

So wurden etwa Unterschiede in der Wahrnehmung der Kriege in Bosnien und Herzegowina sowie Kroatien deutlich. „Der Krieg in Kroatien wird in Kroatien als Verteidigungskrieg angesehen“, sagte Miro Kovač. Sein serbischer Kollege, Ivo Viskovič, betonte, dass im Grunde genommen alle Kriegsparteien Verlierer seien. Denn obwohl der frühere jugoslawische Präsident Slobodan Milošević die Hauptschuld trage, hätten auch Vertreter anderer Staaten Kriegsverbrechen begangen.

Der Bosnier Mirsad Tokača vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Sarajevo unterstrich daraufhin, dass nicht alle Opfer des Krieges gleich anzusehen seien. Denn im Gegensatz zu den getöteten Soldaten, die Kriegshandlungen vorgenommen hatten, standen die mindestens 100.000 ermordeten Zivilisten zum Zeitpunkt ihrer Tötung unter dem Schutz des Völkerrechts. Sie seien trotzdem kaltblütig ermordet worden. Rund 83 Prozent der 100.000 Getöteten, deren Identität das Forschungs- und Dokumentationszentrum Sarajevo rekonstruiert hat, seien Bosniaken, und somit muslimische Bewohner Bosnien und Herzegowinas, gewesen.

Tokača wagte gemeinsam mit Dunja Melčić-Mikulić, der Autorin des Standard-Werkes „Der Jugoslawien-Krieg“, Ante Nazor vom Kroatischen Erinnerungs- und Dokumentationszentrums des Heimatkrieges in Zagreb, Izabela Kisić vom Helsinki Komitee für Menschenrechte in Belgrad sowie Predrag Ivanović vom Fonds für Humanitäres Recht in Belgrad eine Zwischenbilanz zur Aufarbeitung der Kriegsfolgen.

Der europäische Weg

Der serbische Botschafter Ivo Viskovič betonte die Zeichen der Annäherung. So hätten bei dem alljährlichen Eurovision-Songcontest die kroatischen Teilnehmer von den serbischen Zuschauern bisher immer die Höchstnoten erhalten. „Doch der Kern unserer bilateralen Beziehungen ist die Bildung“, sagte Ivo Viskovič. Leider seien heutzutage einige der am meisten militaristischen Nationalisten in Serbien junge Menschen. Es falle ihm unglaublich schwer, das mitzuerleben, sagte Viskovič, der zugleich als Professor für Politikwissenschaft an der Universität in Belgrad lehrt. Dabei sei die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung pro-europäisch.

Miro Kovač, dessen Land ab dem kommenden Jahr als 28. Mitglied der Europäischen Union angehören wird, sagte, man wolle den europäischen Weg mit Serbien sowie Bosnien und Herzegowina gehen. Der kroatische Diplomat betonte zugleich, dass man Bosnien und Herzegowina, dessen Botschafter aufgrund des Ablaufs seiner Akkreditierung nicht an dem Symposium teilnehmen konnte, nur gemeinsam mit Serbien helfen könne. Bosnien und Herzegowina befindet sich bereits seit längerer Zeit am Rande des Zerfalls.

„Der Umgang mit den eigenen Kriegsverbrechen und der schwierige Versöhnungsprozess ist in Kroatien weit vorangeschritten“, sagt Ante Nazor. „Kroatischen Generälen wurde vor der einheimischen Justiz der Prozess gemacht. Die Versöhnungspolitik geht inzwischen so weit, dass einige offizielle Vertreter der serbischen Minderheit heute in kroatischen Institutionen tätig sind, obwohl diese Anfang der 90er Jahre auf der Seite des Aggressors gekämpft oder deren politische Vertreter waren.“

Es ist also nicht ausgeschlossen, dass alle ehemaligen Kriegsparteien eines Tages vereint unter dem Dach der Europäischen Union Platz finden werden. Bis zur Versöhnung ist es aber noch ein weiter Weg. Doch die Vertreter der ehemaligen Kriegsparteien reden bereits miteinander. Auch in Berlin, wo es das erste Zusammentreffen dieser Art war.