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Jacqueline Wißmann: Von der informellen zur formellen Diagnose: Förderung und Erfassung diagnostischer Expertise im Lehramtsstudium.

Der von der KMK (2004) formulierte Aufgabenbereich „Beurteilen“ ist eine der vier wichtigsten Kompetenzen, die in der Lehramtsausbildung gefördert werden sollen. Aber noch vor wenigen Jahren gaben weniger als 50 % der Lehramtsstudierenden an der Freien Universität Berlin an, im Studium hinreichendes diagnostisches Wissen über Förderbedarf oder spezifische Begabungen erworben zu haben (Thiel & Blüthmann, 2009).

Im Rahmen des Teilprojekts wurden zwei Lerngelegenheiten entwickelt, die diagnostisches Wissen zur Feststellung besonderer Schwächen (z.B. gravierende Schwierigkeiten im Lesen) und Stärken (z.B. intellektuelle Hochbegabung) des Lernens fördern sollen. Ausgehend vom Modell der Data Literacy (Mandinach & Gummer, 2016) werden hierbei vor allem auf Kompetenzen zur Auswahl geeigneter Informationsquellen und Erhebungsinstrumente, Durchführung von standardisierten Testverfahren, Auswertung und Interpretation von testdiagnostischen Ergebnissen sowie die Ableitung von Anschlusshandlungen fokussiert.

Eine dieser Lerngelegenheiten ist ein im Rahmen der Dissertation entwickeltes diagnostisches Fallinventar (vgl. „Schülerinventar“; Kaiser, Möller, Helm & Kunter, 2015), in dem Studierende die Diagnose von o.g. Lernbesonderheiten sowie das Ableiten entsprechender Empfehlungen für virtuelle Schüler*innen einüben. Über Trefferquoten bei Diagnose- und Empfehlungsentscheidungen kann dabei prozedurales diagnostisches Wissen erfasst werden. Außerdem wird der Prozess der diagnostischen Entscheidungshandlungen analysiert sowie mit potentiellen Kovariaten (u.a. Einstellung zu standardisierten Tests) in Zusammenhang gebracht. Im aktuellen Wintersemester 2017/18 wird evaluiert, ob diese fallbasierte Übung gegenüber einer konventionellen Übung zum Thema „Lernbesonderheiten“ für Lehramtsstudierende im ersten Mastersemester überlegen ist.

Konkrete Fragestellungen

  • Wie kompetent sind Lehramtsstudierende im ersten Mastersemester, am Ende des Seminars Pädagogische Diagnostik, bei der Diagnose von Lernbesonderheiten und der Ableitung von entsprechenden Anschlusshandlungen?
  • Wie gestaltet sich der diagnostische Prozess der Lehramtsstudierenden, welche Informationen nutzen sie zur Ableitung einer pädagogischen Diagnose sowie entsprechenden Anschlusshandlung und ist der Prozess durch Vorgabe urteilsirrelevanter Informationen beeinflussbar?
  • Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Lösungsraten hinsichtlich Diagnosen sowie Empfehlungen und potentiellen Kovariaten, wie Einstellungen zu Diagnostik, Intelligenz oder deklarativem diagnostischen Wissen?
Doktorandin: Jacqueline Wißmann Arbeitsbereich: Lernpsychologie Projekt: K2teach, Forschungskompetenzen für eine evidenzbasierte adaptive Unterrichtspraxis Prof. Dr. Annette Kinder

Literatur

Kaiser, J., Möller, J., Helm, F. & Kunter, M. (2015). Das Schülerinventar: Welche Schülermerkmale die Leistungsurteile von Lehrkräften beeinflussen. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 18, 279-302.

Mandinach, E. B., & Gummer, E. S. (2016). What does it mean for teachers to be data literate: Laying out the skills, knowledge, and dispositions. Teaching and Teacher Education, 60, 366–376.

Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (2004). Standards für die Lehrerbildung: Bildungswissenschaften. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 16.12.2004. [Abrufbar unter: http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_12_16-Standards-Lehrerbildung.pdf Zuletzt abgerufen am 17.01.2017]

Thiel, F. & Blüthmann, I. (2009). Ergebnisse der Evaluation der lehrerbildenden Studiengänge an der Freien Universität Berlin. Sommersemester 2009. Berlin.