Erfolg, der schmeckt
Günter Faltin gründete vor 25 Jahren die „Teekampagne“. Nun erhielt er das Bundesverdienstkreuz
19.11.2010
Tee kam bei Günter Faltin nicht in die Tasse. Der Tag begann stets mit Kaffeeduft in der Küche. Bis er beschloss, mit Tee Geschäfte zu machen. Seine erste Tasse Darjeeling trank der Unternehmer allerdings erst bei einem Besuch in der gleichnamigen Stadt, und da trug er seine Geschäftsidee längst mit sich herum. Heute ist Günter Faltin mit seiner „Projektwerkstatt GmbH“ und der daraus hervorgegangenen „Teekampagne“ der weltweit größte Importeur von Darjeeling Tee.
Günter Faltin ist eine „Wunderwaffe“, sozusagen zwei in eins: Hochschullehrer und Unternehmer. Als Professor für Entrepreneurship ist er bereits seit 1977 an der Freien Universität Berlin, und als Unternehmer feiert er gerade das 25-jährige Bestehen seiner „Teekampagne“. Kürzlich wurde er als „Pionier des Entrepreneurship-Gedankens in Deutschland“ mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet; gewürdigt wurden sein „außergewöhnliches Engagement“ und seine „herausragenden Leistungen für Deutschland“.Eigentlich wollte Günter Faltin nie Hochschullehrer werden. Als er in den sechziger Jahren sein Ökonomie-Studium an der Universität Tübingen aufnahm, war er zunächst bitter enttäuscht. „Ich habe schon als Jugendlicher Biografien von Unternehmern gelesen, meine großen Idole waren Persönlichkeiten wie Henry Ford und Andrew Carnegie, für mich war Wirtschaft etwas Spannendes und Lebendiges – das Wirtschaftsstudium hingegen trocken und langweilig.“ Günter Faltin schien es, als müsse es mehrere Ökonomien geben: seine Ökonomie, die spannende, die nah dran ist am Menschen, dem neugierigen Ökonomen, der ausschaut nach neuen Ideen und sich mit kindlicher Naivität an neue Aufgaben macht. Und dann die Hochschul-Ökonomie, die trockene, die nur aus Theorien, Berechnungen, Buchhaltung und Statistik zu bestehen schien.
Faltin wollte es besser machen, anders zumindest. Er wollte Ökonomie anschaulicher und menschenzentrierter unterrichten, als es die Professoren zu seiner Studienzeit getan hatten. Faltin fand, dass es dazu nicht genügte, sich theoretisch mit dem Unternehmertun auszukennen – er wollte auch praktische Erfahrungen sammeln. Aber was sollte er eigentlich „unternehmen“? Er las über den Handel mit Kaffee, Bananen, Honig und Kleidung und kam zu dem Ergebnis, dass sich der Handel mit diesen Produkten nicht rechnen würde. Dann stieß er auf Tee, „ein in Deutschland im Vergleich viel zu teures Produkt“, wie Faltin fand.
„Tee erschien mir am zugänglichsten: Man kauft ihn als Fertigprodukt ein, muss also nicht rösten, mahlen und vakuumverpacken wie beim Kaffee. Und man kann den Zwischenhandel ausschalten – erstaunlicherweise der größte Kostenfaktor. Allerdings gelingt das nur, wenn man in großen Mengen einkauft.“ Er beschloss daher, sich nur auf eine einzige Sorte Tee festzulegen. In der Bibliothek vergrub sich der junge Wissenschaftler hinter Bergen von Büchern über Teesorten und fand heraus, dass Darjeeling als der hochwertigste Tee gilt. Ohne selbst Tee-Kenner zu sein, traute er dem fachlichen Urteil. „Ich bin einfach wie ein neugieriges Kind an die Sache herangegangen“, sagt Faltin. „Ohne die vielen Stationen des Zwischenhandels – die Transportwege, Lagerhaltung und die immer wieder neuen Verpackungsmaterialien – konnte ich den Tee viel preiswerter machen.“
1985 gründete Günter Faltin das Unternehmen „Projektwerkstatt GmbH“, aus dem die Teekampagne hervorging. 1992 startete er ein Wiederaufforstungsprojekt in Darjeeling, um der zunehmenden Bodenerosion entgegenzuwirken. Mittlerweile wird das Programm vom World Wide Fund For Nature (WWF) organisiert; finanziert wird es von der „Projektwerkstatt“. Mit seinen eigenen Erfahrungen baute Günter Faltin an der Freien Universität den Arbeitsbereich „Entrepreneurship“ auf. Im Mittelpunkt des Entrepreneurship-Gedankens steht für ihn, „sich etwas Neues ausdenken, das besser ist als das, was es bereits gibt, mit offenen Augen durch das Leben gehen, Probleme aufgreifen und sie intelligent mit unternehmerischen Mitteln lösen.“ Mittlerweile betreut Faltin auch einige Start-up-Unternehmen seiner Studenten. Nur Unternehmer zu sein, kann sich Günter Faltin nicht vorstellen: „Ich bin halb Hochschullehrer und halb Unternehmer“, sagt er, „mir war es wichtig, für die Hochschullehre ein Modell zu haben, an dem ich zeigen kann, wie Unternehmensgründung in der Praxis funktioniert.“
Sein unternehmerischer Erfolg ist mittlerweile weit mehr als ein Modell. Und sein Erfolg schmeckt dem 65-Jährigen auch ganz gut: Faltin ist mittlerweile auf den Tee gekommen. An erster Stelle steht zwar nach wie vor der morgendliche Kaffee, aber in der zweiten Frühstücksrunde folgt eine Tasse Darjeeling – und am Nachmittag zur „tea time“ gleich noch einmal.
Professor Günter Faltin ist mit seiner Idee zum weltweit größten Importeur von Darjeeling-Tee geworden.