Gefühlter Volksentscheid
Deutschland sucht den nächsten Superstar
Von Jan Hambura
Junge und Alte, Arme und Reiche, Sänger und Möchtegern-Sänger – sie alle haben einen Traum: Sie möchten Deutschlands Superstar werden. Jedes Jahr bewerben sich mehr als Hunderttausend Menschen zwischen 16 und 30 Jahren bei „Deutschland sucht den Superstar“. Millionen Fernsehzuschauer verfolgen die Castingshow. Den Gewinner erwartet ein Plattenvertrag. Eine Wissenschaftlerin der Freien Universität erforscht seit Beginn von „Deutschland sucht den Superstar“ den Erfolg der Sendung.
Es war der Manager der Spice-Girls, Simon Fuller, der das Fernsehformat „Pop Idol“ entwickelte, das 2001 erstmals im englischen Fernsehen ausgestrahlt wurde und als Vorlage für „Deutschland sucht den Superstar“ dient. Ein Jahr später flimmerte die deutsche Version zum ersten Mal über Deutschlands Fernsehbildschirme. Das Konzept von „Pop Idol“ wurde bereits in mehr als 50 Länder verkauft. Auf der ganzen Welt hat die Sendung ein ähnliches Logo und auch die Zusammensetzung der Jury ist fast überall die gleiche, egal ob bei „American Idol“ in den USA oder bei „Supermania“ in Österreich. Katrin Döveling, Wissenschaftlerin am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität, untersucht seit Beginn der Sendung die Gefühle von Schülern und Studenten, die sie beim Sehen von „Deutschland sucht den Superstar“ empfinden.
„Die Castingshow ist vor allem deshalb so erfolgreich, weil sie Ruhm vermeintlich demokratisiert“, sagt Döveling. „Der Zuschauer ist von Anfang an in einer hierarchisch höheren Position als die Teilnehmer der Castingshow und hat das Gefühl, per SMS oder Anruf über das Schicksal des Kandidaten zu entscheiden.“
Dabei müsse man zwischen den verschiedenen Phasen unterscheiden: der Castingphase, den Mottoshows und der Entscheidung. Während der Castings werden bei den Zuschauern vor allem Emotionen wie Schadenfreude und Anteilnahme hervorgerufen, wenn Kandidaten nicht singen können oder von Mitgliedern der Jury vor laufenden Kameras verhöhnt werden. Während der Mottoshows, bei denen eine kleine Gruppe von Kandidaten jede Woche vorsingt, setzt eine Identifikation mit den Kandidaten ein. Die Kandidaten, die weiterkommen, seien Menschen „wie du und ich“ und zeichneten sich doch durch besondere musikalische Fähigkeiten oder persönliche Merkmale aus. „Der Zuschauer baut eine parasoziale Beziehung zu den Kandidaten auf. Er hat das Gefühl, die Kandidaten sehr gut zu kennen, obwohl er im Grunde nur Pixel auf dem Bildschirm seines Fernsehers sieht“, erklärt Döveling. In der Entscheidungsshow treten zwei Finalisten gegeneinander an. Ein 14-jähriger Zuschauer beschreibt seine Gefühle: „Das ist total nervig dann, wenn man auf die Entscheidung wartet, und dann sitzen die da und das dauert und dauert, und man denkt: Mann, kommt jetzt zur Sache, aber nein, das dauert. Man fiebert da halt schon mit, muss man mal zugeben.“
Anders als bei Castingshows wie „Germany's Next Topmodel“, in der das Fotomodell Heidi Klum jedes Jahr eine würdige Nachfolgerin sucht, oder dem Format „Schlag den Raab“, in dem ein sportlicher Kandidat um eine Million Euro kämpft, könne sich bei „Deutschland sucht den Superstar“ eine viel größere Gruppe der Fernsehzuschauer mit den Kandidaten identifizieren und mit ihnen mitfühlen. Döveling glaubt, dass die Show noch lange erfolgreich sein wird. Dieter Bohlen sucht bereits seit Wochen auf Postern in „Uncle-Sam-Manier“ Kandidaten für die diesjährige Staffel. „Die Suche nach dem vermeintlichem Ruhm, der doch nur zeitweilige, kurzlebige Prominenz ist“, sagt Döveling, „geht also weiter.“