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Volle Sonne tanken

Erst aus der Vogelperspektive werden die Dimensionen deutlich: Die Photovoltaikanlage auf dem Physikgebäude gehört zu den größten Berlins.

Erst aus der Vogelperspektive werden die Dimensionen deutlich: Die Photovoltaikanlage auf dem Physikgebäude gehört zu den größten Berlins.
Bildquelle: Ses solar energy systems

Die Freie Universität steigt mit einer Photovoltaikanlage in die Nutzung erneuerbarer Energien ein

Von Carsten Wette

Zehn Kilometer Kabel, 40 Tonnen Material, ein Ziel: die Sonne einfangen. Auf dem Dach des Physik-Gebäudes der Freien Universität Berlin arbeitet seit drei Wochen eine der größten Photovoltaikanlagen Berlins. Sie hat eine Fläche von 5000 Quadratmetern und ihre Leistung kann es mit der Anlage auf dem Bundeskanzleramt aufnehmen. Pro Jahr soll das Dach rund 145 000 Kilowattstunden Strom liefern, das entspricht dem Jahresbedarf von 40 Familien.

Zwar verbrauchen die Nutzer des Gebäudes – Wissenschaftler und Studenten der Physik – deutlich mehr Energie als das Dach ins Stromnetz einspeist. Doch mit der Anlage sei der Einstieg in die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien geschafft, sagt der Kanzler der Freien Universität, Peter Lange: „Wir leisten damit einen Beitrag zum Klimaschutz.“ Allein durch die Nutzung des Daches sinke der Ausstoß an umweltschädlichem Kohlendioxid um rund 130 Tonnen pro Jahr. Betrieben wird die Anlage vom Berliner Unternehmer Thomas Winter. Er hat das Dach für 20 Jahre gemietet. Dass die Wahl auf das Physik-Gebäude fiel, sei der enormen Fläche des Daches von insgesamt 8000 Quadratmetern und dessen Bauweise geschuldet, sagt der Energie- und Umweltbeauftragte der Freien Universität, Andreas Wanke. Kein anderes Flachdach an der Freien Universität sei besser geeignet.

Auch bei wissenschaftshistorischer Betrachtung hätte man wohl keinen besser geeigneten Ort finden können als dieses Dach in Dahlem, wie der Dekan des Fachbereichs Physik, Professor Ludger Wöste, und der Projektmanager der Anlage, Wolfgang Druschky, von der Firma SES solar energy systems, bei der Inbetriebnahme anmerkten. Schließlich sei es ein Physiker gewesen – Wilhelm Hallwachs, ein Schüler von Heinrich Rudolf Hertz – der mit der Erforschung des sogenannten Photoeffekts den Weg für die Nutzung von Sonnenenergie ebnete. Auch eine weitere Verbindung führe nach Dahlem: Denn Hallwachs legte mit dem nach ihm benannten Effekt die Grundlage für die Lichtquantenhypothese Albert Einsteins, der als Direktor des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Physik am traditionellen Wissenschaftsstandort Dahlem wirkte. Und Experimentalphysiker Wöste fügt schmunzelnd hinzu, wenn künftig Gäste nach dem Sinn von Grundlagenforschung fragten, werde er sagen: „Schaut auf dieses Dach!“

Auch ein anderer Blick lohnt – der auf die Energiebilanz der Freien Universität. „Wir haben den Verbrauch von Strom und Wärme sechs Jahre lang in Folge gesenkt“, sagt Energiebeauftragter Andreas Wanke. So seien 2007 bei vergleichbar großer Nutzfläche rund 27 Millionen Kilowattstunden weniger Strom und Wärme verbraucht worden als im Durchschnitt der Jahre 2000 und 2001. Dies entspreche einer Senkung von 18,4 Prozent und einer jährlichen Entlastung des Haushalts um 1,9 Millionen Euro. Allein der Verbrauch an Heizöl ging Wanke zufolge um mehr als 60 Prozent zurück – eine willkommene Entwicklung gerade in Zeiten steigender Ölpreise. Gelungen sei dies durch technische und bauliche Veränderungen in den rund 200 Häusern und durch ein Prämiensystem. Von dem System profitieren seit 2007 jene Fachbereiche finanziell, die den Energieverbrauch in ihren Gebäuden senken.

Das Programm bescherte der Freien Universität als einziger Institution bereits zweimal die Ehrung von „Klimaschutz-Partner Berlin“, einer Initiative des Berliner Senats und der Wirtschaft. Wurde die Universität im Jahr 2003 noch für das erste Energieeffizienzprogramm ausgezeichnet, durfte Energiebeauftragter Wanke in diesem Jahr einen Preis für dessen Nachhaltigkeit entgegennehmen. Die Gutachter überzeugt hat auch das seit 2004 von externen Partnern zertifizierte System des Umweltmanagements und das Prämiensystem.

„Das Prämiensystem hat bei vielen Mitarbeitern der Freien Universität bereits zu einem veränderten Verhalten im Umgang mit Energie geführt“, erläutert Kanzler Lange. Durch die Erfolge im Umweltmanagement werde der Haushalt dauerhaft entlastet. Es gebe allerdings keinen Grund, nun die Hände in den Schoß zu legen. Lange hält es durchaus für möglich, den Energieverbrauch binnen drei Jahren um weitere zehn Prozent zu senken. Die Photovoltaikanlage in der Arnimallee 14 werde mit Sicherheit nicht die letzte sein, sagt Lange.

Eine weitere Solaranlage soll bis Ende des Jahres auf dem Dach der Zentralmensa des Studentenwerks in der Habelschwerdter Allee entstehen. Besonderer Clou: Finanziert werden soll der Bau hauptsächlich durch Darlehen, um die eine Gruppe von Studierenden mit Namen Uni-Solar auf dem Campus der Freien Universität wirbt. Ihr Ziel: Sie wollen Studenten motivieren, zur Energiewende beizutragen. Jeder Student kann sich mit einem Beitrag von mindestens 250 Euro beteiligen, für alle anderen Interessenten liegt die Beteiligung beim Doppelten der Summe. Die Darlehen werden nach Angaben von Uni-Solar über 20 Jahre in gleichbleibenden Raten zurückgezahlt, die jeweils verbleibende Summe wird mit vier bis sechs Prozent Zinsen pro Jahr vergütet – je nach Sonnenschein, wie es in der Presseerklärung der Initiative heißt.

Bis auch auf dem Mensadach die Sonne eingefangen werden kann, flimmern auf einem Monitor im Erdgeschoss des Physik-Gebäudes im Sekundentakt die Erfolge der Sonnenjagd: Angezeigt werden die erzeugte Energiemenge - und der eingesparte Ausstoß an Kohlendioxid.