Springe direkt zu Inhalt

Wissenschaft für alle Sinne

Tango tanzen, Fontanes Küche kosten und Zypernklängen lauschen: Wo Forschung zum Erlebnis wird

Von Christine Boldt

Wie schmeckt und riecht eigentlich Wissenschaft? Was gibt's zu hören außerhalb der Hörsäle, was zu sehen? Wie fühlt sich Wissenschaft an? Wir können Ihnen schon mal verraten: gar nicht trocken! Und weil bekanntlich probieren über studieren geht, führen wir Sie heute auf einem sinnlichen Pfad durch die Lange Nacht.

HÖREN UND FÜHLEN

Tangoland liegt gleich hinterm Rüdesheimer Platz in Wilmersdorf. Zur Langen Nacht der Wissenschaften öffnet das Lateinamerika-Institut seine Türen und lockt mit einem Tango-Schnupperkurs. Die Szene in Berlin ist groß, denn Tango Argentino klingt nach Leidenschaft, Exotik, nach getanztem Flirt. Am Lateinamerika-Institut können Sie erste Schritte wagen, allein oder mit Partner. Tangolehrerin Kathrin Hohmann-Mehring freut sich auf Sie! (17.00 bis 18.30 Uhr, Raum 214, Rüdesheimer Straße 54 - 56, U-Bhf. Rüdesheimer Platz).

Nur wenige Türen weiter heißt das Motto Capoeira für Kinder! Capoeira ist ein brasilianischer Kampftanz und hat sich im 18. Jahrhundert unter den afrikanischen Sklaven auf den brasilianischen Plantagen entwickelt. Die Kampfbewegungen und Figuren erinnern ein bisschen an Karate oder Judo, durch seine akrobatischen Elemente geht Capoeira aber auch gut und gerne als Vorgänger des heutigen Breakdancae durch. Der Brasilianer Lauro Silva Vinhatico unterrichtet Capoeira speziell für Kinder und will den kleinen Besuchern zur Langen Nacht Lust auf den sportlichen Kampftanz machen (18.00 bis 19.00 Uhr, Raum 201, Rüdesheimer Straße 54 - 56, U-Bhf. Rüdesheimer Platz).

SCHMECKEN UND RIECHEN

Rezepte aus Großmutters Küche kennen wir – aber aus der Steinzeit? Wie haben unsere Vorfahren ihr Brot gebacken, mit welchen Zutaten, wie sahen die Öfen aus? Archäologie-Studenten haben das Originalrezept für Steinzeitbrot ausgegraben und – mit frischen Zutaten! – für Sie gebacken. Wer davon nicht satt wird, kann vom vorgeschichtlichen Eintopf kosten. Das und mehr Steinzeitliches gibt's zwischen 18.15 und 20.45 Uhr in der Altensteinstraße 15, Haus 17, in Dahlem.

Einen Sprung und – nun ja – einen Stern weiter veredelt Matthias Buchholz das Mensaessen – der Starkoch im von Michelin gekrönten „first floor“ (Hotel Palace Berlin) steht ab 21.00 Uhr mit den Mensaköchen des Studentenwerks am Herd (Otto-von-Simson-Str. 26). Buchholz und seine Gesellen wandeln auf den Spuren Theodor Fontanes. Der nämlich hat in seinem Werk allerlei kulinarische Hinweise gestreut, denen nun zur Langen Nacht der Wissenschaften nachgeschmeckt werden soll. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, Anmeldungen bitte per E-Mail an veranstaltungen@ikm.fu-berlin.de oder per Fax: 030 / 838-52562.

SEHEN

Wer glaubt, dass Tanz eine Bühne braucht, sollte im Treppenhaus der Grunewaldstraße 35 in Steglitz vorbeischauen. Und wird dort schnell eines Besseren belehrt: Die Dialoge von Körper, Raum und Architektur, die die Studenten des tanzwissenschaftlichen Anna-Huber-Seminars dort vorführen, finden überall statt, wo sonst Alltag ist: auf Plätzen, in Gängen und eben auf Treppen. Die ungewöhnlichen Tanzorte sollen den Betrachter irritieren und das vermeintlich Bekannte neu entdecken lassen (Haus 20, 18.30 bis 1.00 Uhr).

HÖREN

Dass Mozart eine seiner bekanntesten Opern in einem Serail spielen lässt – in einem orientalischen Sultanspalast mit Harem – ist ein kluger Erzählkniff. Und Tribut an seine Epoche, in der exotische Schauplätze in Theater, Oper und Literatur boomten. Mit Triangel, großem Becken und Piccoloflöte hat Mozart seine „Entführung“ mit dem gewissen orientalischen Etwas koloriert, in der „Zauberflöte“ führt der Hinweis auf das Gottkönigspaar Isis und Osiris nach Ägypten. Wer mehr über den Orient und die Oper erfahren möchte, kann das um 18.30 Uhr im Seminar für Semitistik und Arabistik tun (Altensteinstraße 34, Haus 12).

Und nochmal geht's am selben Ort darum zu hören, wie nahe sich Abendland und Morgenland sind. Um 20.15 Uhr führen Geistliche verschiedener Religionen ihre jeweiligen Liturgien vor – die immer wiederkehrenden, häufig gesungenen Abläufe eines Gottesdienstes. Mit dabei: Lazlo Pasztor, Kantor der jüdischen Gemeinde zu Berlin, Murat Üzel, Priester der Syrisch-Orthodoxen Gemeinde, Andreas Müller, Leiter der Choralschola Berlin-Schlachtensee, und Ali Taha, Imam verschiedener Moscheen in Deutschland. Nachdem eine Sure aus dem Koran mit einem Psalm aus der Bibel verbunden wurden, locken ein Umtrunk und orientalische Spezialitäten.

Mit einem großen Zeit- und Ortssprung landen Sie in der Poeten-Lounge - und mitten im Jahr 1968. In der vom britischen Star-Architekten Lord Norman Foster entworfenen Philologischen Bibliothek, „The Berlin Brain“ genannt, liest Peter Schneider aus seinem Buch „Rebellion und Wahn. Mein 68" – eine autobiografische Erzählung, in der er Erlebtes und Erinnertes verknüpft. So mancher Achtundsechziger-Veteran tobte in den letzten Monaten kulturkämpferisch durch die Feuilletons, Fernseh-Talkrunden, vor allem durch den Literaturbetrieb. Auch in der PoetenLounge soll es kontrovers zugehen - das wünscht sich Peter-André Alt, Professor für Neuere Deutsche Literatur und Direktor der „Friedrich Schlegel Graduate School of Literary Studies“. Alt moderiert die Diskussion, die sich an die Lesung anschließt und an der auch die türkischstämmige Schauspielerin, Regisseurin und Schriftstellerin Emine Sevgi Özdamar, Jahrgang 1946, sowie Leander Scholz, ein nachgeborener Autor und Wissenschaftler, Jahrgang 1969, teilnehmen. (19.00 bis 20.30 Uhr, Philologische Bibliothek, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin: Anmeldungen bitte unter E-Mail: veranstaltungen@ikm.fu-berlin.de)


LIVE-MUSIK UND WORKSHOPS

Samulnori – Moderne koreanische Bauernmusik, 17.00 bis 18.00 Uhr, Ostasiatisches Seminar, Fabeckstr. 7, 14195 Berlin.

Sitar und Tabla – Klassische nordindische Musik, mit Markus Schmidt (Sitar) und Prof. Gert-Matthias Wegner (Tabla), 22.15 bis 22.45 Uhr, Seminar für Musikwissenschaft, Grunewaldstr. 35, 12165 Berlin.

Besungenes Zypern – Akritenlieder, mit Savvas Savva (Klavier), Kostas Charalambidis (Rezitation) und Lia Vissi (Gesang), 19.00 bis 20.00 Uhr, Institut für Griechische und Lateinische Philologie, Gebäudekomplex für die Geistes- und Sozialwissenschaften, Hörsaal 1b, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin.

Türkische Klänge, mit Rafik Abdrazakov (Flöte), Larisa Polender (Klavier) und Ildar Kharissow (Gesang und Moderation), 17.30 bis 18.30 Uhr, Gebäudekomplex für die Geistes- und Sozialwissenschaften, Hörsaal 1b.