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Die Hilfe aus Berlin kam zu spät

Sein Talent wurde spät erkannt: Mathematiker Niels Henrik Abel

Sein Talent wurde spät erkannt: Mathematiker Niels Henrik Abel
Bildquelle: Matematisk institutt, Universitetet i Oslo

Mathematiker Abel starb völlig verarmt in Norwegen

Von Ehrhard Behrends

In der Geschichte der Mathematik kommt es immer wieder vor, dass Berlin eine besondere Rolle spielt – darüber soll im „Jahr der Mathematik 2008“ in loser Folge berichtet werden. Heute geht es um Niels Henrik Abel (1802–1829), einen norwegischen Mathematiker.

Abel wurde in eine dunkle Periode der norwegischen Geschichte hineingeboren. Norwegen gehörte damals zu Dänemark, die Folgen der kontinentalen Auseinandersetzungen zwischen England und Napoleon führten – wegen der Seeblockaden, die den Handel zum Erliegen brachten – zu Armut und Hunger. Seit 1814 war das Land unter schwedischer Herrschaft, die Unabhängigkeit sollte noch fast 100 Jahre auf sich warten lassen.

In der Schule fiel Abel erst spät durch besondere Leistungen auf: Sein Mathematiklehrer erkannte sein Talent. Der führte ihn an die zeitgenössische Mathematik und die „Klassiker“ heran, außerdem setzte er sich dafür ein, dass Abel studieren konnte. Ein Stipendium versetzte ihn in die Lage, Reisen zu Zentren mathematischer Forschung in Europa zu unternehmen. Zu der Zeit hatte Abel schon bedeutende Entdeckungen gemacht, sein Ruf war ihm vorausgeeilt.

In Berlin wurde er sehr herzlich aufgenommen, besonders eng war die Freundschaft mit dem Mathematiker Crelle, dem Herausgeber einer der bis heute angesehensten mathematischen Zeitschriften. Abels wichtigste Arbeiten wurden in „Crelles Journal“ veröffentlicht. Obwohl seine akademische Zukunft in Norwegen ungewiss war, kehrte der Mathematiker nach einem für ihn enttäuschenden Besuch in Paris in sein Heimatland zurück. Crelles Angebot, bis zur Absicherung seiner Karriere als Herausgeber des Journals zu bleiben, hatte Abel abgelehnt.

In Norwegen verschlechterten sich seine Gesundheit und finanzielle Lage immer mehr. Crelle bemühte sich weiter, eine Anstellung für ihn in Berlin zu finden – endlich mit Erfolg! Doch der Brief mit dieser guten Nachricht, kam zu spät bei Abel an: wenige Tage nach seinem Tod. Abel war völlig verarmt gestorben: Am Ende gehörte ihm nicht einmal mehr das Bett, in dem er starb.

Für die mathematische Welt ist der Name „Abel“ aus zwei Gründen von Bedeutung. Zum einen wegen seiner zahlreichen bemerkenswerten mathematischen Leistungen, von denen eine hier geschildert werden soll.

Bestimmt erinnern sich manche – vielleicht mit gemischten Gefühlen – an die p-q-Formel: Die Lösungen einer Gleichung des Typs x² + px + q = 0 kann man leicht lösen, man muss neben den üblichen Rechenoperationen nur Wurzeln ziehen können. Ganz ähnlich verhält es sich mit Gleichungen dritten und vierten Grades, also mit Gleichungen, bei denen auch dritte oder sogar vierte Potenzen auftreten können. Seit dem 16. Jahrhundert ist bekannt, dass man auch da alle Lösungen in geschlossener Form aufschreiben kann.

Wie aber sieht es mit schwierigeren Gleichungen aus? Kann man eine zur p-q-Formel gleichwertige Formel immer finden, egal, wie groß die höchste auftretende Potenz der Unbekannten ist? Eine Frage, die die Mathematiker mehrere Jahrhunderte intensiv beschäftigt hat. Abel fand nun – immerhin im zarten Alter von knapp über zwanzig – die Lösung: Nein, es geht wirklich nur bis zu Gleichungen vierten Grades, für kompliziertere Situationen muss man sich in der Regel mit Näherungslösungen zufriedengeben.

Der zweite Grund, warum der Name „Abel“ häufig genannt wird, hängt mit Geld zusammen. Denn seit einigen Jahren wird der Abelpreis für herausragende mathematische Leistungen verliehen. Gestiftet von der norwegischen Regierung und dotiert mit knapp einer Million Euro. Die Nobelpreise lassen grüßen. Noch einmal Abel und Berlin: Die norwegische Botschaft vergibt jährlich den „kleinen Abelpreis“ für das Siegerteam beim „Tag der Mathematik“, den die Berliner Universitäten für die Schulen veranstalten.