Feuerwerk der Forschung
In der Langen Nacht der Wissenschaften lädt die Freie Universität Berlin zu mehr als 400 Veranstaltungen
Von Oliver Trenkamp
Seien Sie ehrlich, woran denken Sie beim Namen Casanova? Der Säulenheilige der Playboys ist für vieles in Erinnerung geblieben; das meiste spielte sich in Schlafzimmern ab. Giacomo Casanova war jedoch nicht nur ein großer Verführer, sondern auch ein hochkarätiger Schriftsteller und ambitionierter Wissenschaftler. Das weiß nur kaum jemand mehr. Schuld daran trägt auch die komplizierte Sprache, derer er sich bisweilen bediente: Wer versteht schon, worum es geht im Kollorarium zum Delischen Problem der Verdopplung des Hexaeders, das er verfasst hat?
Seit es sie gibt, müssen Forschung und Wissenschaft darum ringen, verstanden zu werden: Sie sind der Exaktheit verpflichtet, sie versuchen komplexe Zusammenhänge genau zu begreifen und zu beschreiben. Da bleibt die Verständlichkeit allzuhäufig – und manchmal zwangsläufig – auf der Strecke.
Doch heute Nacht wollen Wissenschaftler und Studenten der Freien Universität Sie verführen: Sie wollen Lust machen auf ihre Fächer und Forschungsprojekte. Zum achten Mal lädt die Freie Universität ein zur Langen Nacht der Wissenschaften: 70 Institute und Einrichtungen in Dahlem, Düppel und Lankwitz machen in 417 Einzelveranstaltungen Wissenschaft erlebbar und begreifbar – mit Experimenten, Vorträgen, Mitmachspielen. Vieles davon eignet sich auch für Kinder.
Bei der Science-Rallye lassen sich Chemie, Informatik, Mathematik und Physik spielerisch erkunden. Kinder und Jugendliche im Alter von 7 bis 17 Jahren wetteifern um Preise wie Freikarten fürs 3D-Kino, DVDs oder den Besuch in einer Feuerwache. Zehn Fragen sollen die Nachwuchsforscher beantworten. Und die zu entwickeln, das war die erste Herausforderung für den Organisator der Rallye, Christian Zick, Meteorologe und Experte für Neue Medien an der Freien Universität. Er und andere Wissenschaftler sind dafür zu Rätsel-Erfindern geworden. Mehrere Schwierigkeiten habe es dabei gegeben, sagt er. Erstens: Die Fragen müssten jederzeit zu beantworten sein – damit jeder mitspielen könne, egal wann er zur „Langen Nacht“ komme. Zweitens: Die Fragen dürfen nicht zu leicht und nicht zu langweilig sein. „Ja-nein-Antworten oder Multiple Choice, das entspräche auch nicht dem wissenschaftlichen Arbeiten.“ Drittens: Auch Siebenjährige müssen sie beantworten können. Deshalb werden die Kinder in zwei Bewertungsgruppen eingeteilt: unter 14 und über 14 Jahre.
Wer sich lieber in Debatten einmischen will, der ist bei der „Speaker's Corner“ richtig. Zur „Langen Nacht“ verlegen Wissenschaftler und Studenten des Instituts für Vergleichende Ethik der Freien Universität das Prinzip kurzerhand vom Londoner Hyde Park nach Berlin-Dahlem. „Wir wollen mit den Besuchern ins Gespräch kommen und über gesellschaftlich relevante Themen diskutieren“, sagt Michael Bongardt, Professor und Direktor des Instituts. Jeder Besucher kann sich zu Wort melden, spontan oder nachdem er sich in eine Liste eingetragen hat. Auch die Themen sind vorgegeben, sie wechseln stündlich: Es geht um „Olympia – Wie (un)politisch ist der Sport?“, um „Doping“, um den „Widerstand gegen rechte Gewalt“ und das „Pflichtfach Ethik“. Die Themen spiegeln das wider, womit sich das Institut auch sonst beschäftigt, zum Beispiel bei der Ausbildung von Ethik-Lehrern für Schulen.
Zu jedem Thema gibt es eine Einführung, dann bleiben jedem Redner drei Minuten, um seine Position zu vertreten. „Ich bin gespannt, ob wir eine konstruktive Diskussion hinbekommen“, sagt Bongardt. „Auch deshalb haben wir Regeln für die Redner aufgestellt, mit denen man sich einverstanden erklären muss.“ So müssen sie sich verpflichten, nichts Verfassungsfeindliches zu sagen und niemanden zu beleidigen. Er und die Studenten freuen sich auf vielfältige Meinungen und hoffen, dass es den Besuchern Spaß macht – und sie zum Nachdenken anregt.
Enden wird die „Lange Nacht“ mit einem großen Knall. Einer der erfahrensten Feuerwerks-Künstler wird den Himmel über der Freien Universität in prächtige Farben tauchen: Hans-Georg Kehse hat mit seiner Firma bereits die Feuerwerke für Michael Jackson, Rammstein und Marius-Müller-Westernhagen entworfen. Zu sehen sein wird die Farbenpracht des Höhenfeuerwerks vom gesamten Campus in Dahlem aus, der wahrscheinlich beste Platz zum Schauen ist allerdings der Parkplatz hinter der „Silberlaube“ in der Habelschwerdter Allee 45. Das Gebäude wird von Magnesiumfeuern in die Farben blau, grün und weiß der Freien Universität getaucht, römische Lichter und Batterie-Feuerwerk werden den Nachthimmel erleuchten. Lassen Sie sich von der Wissenschaft verführen!