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Punktlandung mit Polymeren

29.11.2013

Der Argentinier Marcelo Calderón erforscht mit seiner Arbeitsgruppe Trägersysteme zum Transport von Wirkstoffen, die etwa in der Krebstherapie eingesetzt werden können.

Der Argentinier Marcelo Calderón erforscht mit seiner Arbeitsgruppe Trägersysteme zum Transport von Wirkstoffen, die etwa in der Krebstherapie eingesetzt werden können.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Wirkstofftransporter sollen ihre Medikamentenfracht zielgenau im Körper entladen

Was passiert, wenn ein Stück Plastikfolie zu nah an eine Kerze kommt, weiß jedes Kind: Es schrumpft zunächst, bevor es irgendwann Feuer fängt und verbrennt. Marcelo Calderóns Experimente sind weitaus komplizierter und mit dem Auge nicht zu erkennen, doch in einem seiner Forschungsprojekte geht es ebenfalls darum, Kunststoffe bei einer bestimmten Temperatur schrumpfen zu lassen: Calderón untersucht Nanopartikel, Netzwerke aus winzig kleinen Polymeren, die weniger als 100 Nanometer messen.

Zum Vergleich: ein menschliches Haar misst etwa 50 000 Nanometer. Die winzigen Nanopartikel enthalten Wirkstoffe für dermatologische Therapien oder die Krebsbekämpfung und transportieren sie unter die Haut eines Patienten. Bei einer bestimmten Temperatur, so die Zielvorgabe, sollen die Nanopartikel so stark schrumpfen, dass der in ihnen eingeschlossene Wirkstoff förmlich herausgepresst wird.

Als Trägerstoff könnten die Partikel so in ferner Zukunft dabei helfen, wuchernde Tumorzellen zu bekämpfen. Die Nanotransporter sollen über den Blutkreislauf zum Tumorgewebe gelangen und dort durch sogenanntes Nahinfrarotlicht die in ihnen eingeschlossenen Chemotherapeutika selektiv und quasi als Punktlandung freisetzen.

„Unsere Hoffnung ist, Nebenwirkungen bei Krebstherapien zu minimieren und dennoch die Krankheit effektiv zu bekämpfen“, sagt der Juniorprofessor. „Noch stehen wir am Anfang unserer Forschung, aber wir konnten bereits kugelförmige Moleküle herstellen, die sich bei etwa 34-45 Grad Celsius schlagartig zusammenziehen“, sagt der in Argentinien aufgewachsene Calderón, der seit 2010 eine Gruppe von Nachwuchswissenschaftlern an der Freien Universität leitet.

Das Team erforscht im Spektrum von Biologie, Chemie und Pharmazie interdisziplinär die Einsatzmöglichkeiten neuartiger Polymere. Gefördert wird dieses Forschungsprojekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, das der Gruppe in den kommenden Jahren insgesamt rund 2,1 Millionen Euro zur Verfügung stellt. Sie ist angebunden an das Helmholtz Virtuelle Institut „Multifunktionale Materialien für die Medizin“ und den neuen Sonderforschungsbereich (SFB) 1112, der Nanocarrier erforscht, also Wirkstofftransporter in Nanogröße.

Sprecher des SFB ist Eckart Rühl, Professor für Physikalische Chemie an der Freien Universität Berlin (siehe nebenstehender Artikel). Regelmäßig präsentieren Calderón und die Studierenden ihre Forschungsergebnisse auf internationalen Kongressen. „Die Focus Area NanoScale hilft uns, Kontakte zu knüpfen und erfolgversprechende Forschungsansätze soweit zu verfolgen, dass wir Fördermittel beantragen können“, sagt der Chemiker.


Beispiele für Ausgründungen: Neue Lösungen für Flugzeugbau und Handyproduktion

CNTherm

Kohlenstoff-Nanoröhren gelten als Werkstoff der Zukunft: Sie sind reißfest, leiten Wärme und elektrischen Strom – und sie lassen sich mit anderen Trägermaterialien kombinieren. Es gibt nur ein Problem: Noch verklumpen die Kohlenstoffverbindungen, wenn man sie in andere Kunststoffe einarbeitet.

In CNTherm, einem Start-up-Unternehmen, das sich aus der Focus Area NanoScale gegründet hat, arbeiten Wissenschaftler daran, die Nanoröhren so zu verändern, dass sie vereinzelt in Trägermaterialien eingearbeitet werden können.

Praktisch nutzbar sind die neuen Werkstoffe beispielsweise im Flugzeugbau: Hier ersetzen Kohlefaserverbindungen zunehmend Leichtmetalle wie Aluminium. Doch weil der neue Werkstoff keinen elektrischen Strom leitet, muss er weiter mit Metall verkleidet werden, damit die Flugzeugtechnik gegen Blitzeinschläge geschützt ist. Mit Nanoröhren veredelte Werkstoffe könnten dieses Metall bald überflüssig machen.

Nanopartica      

Gold steckt in jedem Smartphone, es leitet Strom in den Schaltkreisen unserer Autos, und es ist aus der Medizintechnik nicht wegzudenken. Doch Gold ist ein teurer Rohstoff. Den Verbrauch durch intelligente Nano-Technologie zu reduzieren, ist Ziel der NanoScale-Ausgründung Nano-Partica: Die Forscher bauen leitfähige Goldschichten in einem speziell entwickelten Sandwichsystem in andere Trägermaterialien ein. Dabei bleibt die Leitfähigkeit des Goldes erhalten, gleichzeitig können bis zu 95 Prozent des Metalls eingespart werden. Ein weiterer Vorteil: Die neuen Materialien sind wesentlich härter als das doch recht weiche Metall Gold.