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„Breiteres Wissen ermöglicht bessere Entscheidungen“

Die Graduiertenschule für Ostasien-Studien der Freien Universität Berlin bildet künftige Experten für eine der dynamischsten Weltregionen aus

29.11.2013

Die Sprecher der Graduiertenschule: Prof. Dr. Eun-Jeung Lee, Prof. Dr. Verena Blechinger-Talcott und Prof. Klaus Mühlhahn. Ezra Vogel (2.v.l.) emeritierter Harvard-Professor hielt den Festvortrag.

Die Sprecher der Graduiertenschule: Prof. Dr. Eun-Jeung Lee, Prof. Dr. Verena Blechinger-Talcott und Prof. Klaus Mühlhahn. Ezra Vogel (2.v.l.), emeritierter Harvard-Professor, hielt den Festvortrag.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Der amerikanische Ostasien-Wissenschaftler Ezra Vogel hielt den Festvortrag.

Der amerikanische Ostasien-Wissenschaftler Ezra Vogel hielt den Festvortrag.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Die Botschafter Koreas und Japans sowie der chinesische Gesandte begrüßten die Eröffnung der Graduiertenschule.

Die Botschafter Koreas und Japans sowie der chinesische Gesandte begrüßten die Eröffnung der Graduiertenschule.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Musik aus Japan, Südkorea und China begleitete den Festakt. Jingyu Zhang spielte die traditionelle chinesische Laute "Pipa".

Musik aus Japan, Südkorea und China begleitete den Festakt. Jingyu Zhang spielte die traditionelle chinesische Laute "Pipa".
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Zwölf Doktoranden haben im Oktober mit ihrer Dissertation begonnen.

Zwölf Doktoranden haben im Oktober mit ihrer Dissertation begonnen.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Einladung zur feierlichen Eröffnung der Graduiertenschule.

Einladung zur feierlichen Eröffnung der Graduiertenschule.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Die Graduate School of East Asian Studies an der Thielallee.

Die Graduate School of East Asian Studies an der Thielallee.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Es gebe heute zu viel akademisches Spezialistentum und zu wenig umfassend ausgebildete Kenner der Region, beklagte der amerikanische Ostasienexperte Ezra Vogel in seinem Festvortrag zur Eröffnung der Graduiertenschule für Ostasienstudien der Freien Universität Berlin. Diese Lücke zu schließen, ist das Ziel der neuen Ausbildungseinrichtung, die 2012 in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder eingeworben wurde. Im Oktober nahm sie mit zwölf Doktoranden ihre Arbeit auf. Die beteiligten Wissenschaftler haben ein innovatives Studienprogramm entwickelt, das die „Graduate School for East Asian Studies“ (GEAS) zu einem Zentrum der europäischen Ostasienforschung machen soll.

Wenn Verena Blechinger-Talcott, Professorin für Japanologie an der Freien Universität Berlin und Sprecherin der Graduiertenschule, auf ihre Ausbildung zurückblickt, erzählt sie, wie wichtig es für sie war, neben einer fundierten Ausbildung in einer Disziplin, in ihrem Fall der Politikwissenschaft, nicht nur Kenntnisse über Japan, sondern auch über andere Länder der Region zu erwerben. „Damals musste man sich das selbst suchen“, sagt sie, „für unsere Doktoranden ist das Teil des akademischen Programms“. Dabei sei es heute spannender und wichtiger denn je, Japan, China und Korea gemeinsam in den Blick zu nehmen, sich gerade in Zeiten der Globalisierung anzuschauen, ob sich die Dinge in allen ostasiatischen Ländern gleich entwickelten oder es national unterschiedliche Entwicklungspfade gebe.

Ein breites Spektrum an Doktorarbeiten

Die Dissertationsprojekte der zwölf Doktoranden, die ihre Ausbildung im Oktober begonnen haben, zeigen das große thematische Spektrum der Einrichtung. Politikwissenschaftler beschäftigen sich etwa mit der Außenpolitik Chinas oder der Parteienlandschaft in Korea, Japan und Taiwan. Ein Doktorand untersucht die Rolle von Printmedien in den Demokratisierungsprozessen in China und Taiwan; es entstehen kulturwissenschaftliche Arbeiten zum Thema Schenken oder zum Umgang mit dem kulturellen Erbe. Eine solche Vielfalt braucht eine gemeinsame Verständigungsbasis: In diesem Fall ist es die Institutionentheorie, die in den beteiligten Disziplinen wie der Politikwissenschaft, Geschichte und Ethnologie eine zentrale Rolle spielt. Umfassende Kenntnisse der Region und wissenschaftliche Genauigkeit sollen hier zusammengeführt werden.

Innovatives akademisches Programm

Das akademische Programm der Einrichtung, die im Sommer in ein umgebautes Gebäude zwischen Hittorfstraße und Thielallee einziehen konnte, bündelt die an der Freien Universität Berlin sehr gut vertretenen Ostasienwissenschaften: Es sei sehr selten, sagt Verena Blechinger-Talcott, dass es an einer Universität Professuren für Japanologie, Sinologie und Koreanistik gebe. Die weiteren Sprecher der Einrichtung sind Eun-Jeung Lee, Professorin für Koreastudien und Klaus Mühlhahn, Professor für Sinologie an der Freien Universität Berlin. Auch unter den Postdoktoranden und den künftigen Juniorprofessoren findet sich jeweils ein Vertreter der drei zentral erforschten Länder.

Fest zum Programm der GEAS gehören auch Vorträge und Kontakte zu Praktikern wie Politikern, Diplomaten und Wirtschaftsvertretern. Zum einen sollen die Absolventen so nicht nur auf eine Karriere in der akademischen Welt vorbereitet werden, zum anderen erweitert das aber auch die Perspektive auf den eigenen wissenschaftlichen Untersuchungsgegenstand. Auch das ist eine Idee, die Verena Blechinger-Talcott von einem Auslandsaufenthalt als Postdoktorandin mitgenommen hat: Während ihrer Zeit als Research Fellow in Harvard empfand sie diese Begegnungen als große Bereicherung.

Bestehende Netzwerke zu kooperierenden Hochschulen in Ostasien ermöglichen den akademischen Austausch: Alle Doktoranden sollen während der Arbeit an ihrer Dissertation wenigstens sechs Monate an einer Partner-Universität in China, Japan oder Südkorea verbringen. Sommerschulen in den unterschiedlichen Ländern sollen überdies die Kenntnisse über alle ostasiatischen Länder, das Verständnis für historisch gewachsene und aktuelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede vertiefen.

Übergreifende Perspektiven bei der Eröffnung

Für die Verbundenheit der GEAS mit der Region standen auch die Grußworte des japanischen und des koreanischen Botschafters, ihrer Exzellenzen Nakane Takeshi und Kim Jae-shin, sowie des chinesischen Gesandten Li Xiaosi, bei der Eröffnung. Festredner Ezra Vogel entwickelte eine übergreifende Perspektive auf die Region, indem er Parallelen zwischen dem rasanten Aufstieg Japans in den 1960er Jahren zu einer der führenden Wirtschaftsnationen weltweit mit dem Aufschwung Koreas und dem derzeitigen Wirtschaftswachstum in China zog. Wie kaum ein anderer Ostasienwissenschaftler hat sich der emeritierte Professor aus Harvard in seiner akademischen Karriere um einen solchen übergreifenden Blick bemüht, seine Publikationen, die ihn auch außerhalb der akademischen Welt bekannt machten, reichen von einer 1963 veröffentlichten Monographie zur neuen japanischen Mittelklasse bis hin zu einer kürzlich erschienenen Deng-Xiaoping-Biografie.

Vogel bewertete das übergreifende Ausbildungskonzept der Graduiertenschule als große Chance und erklärte, sowohl die Politik- als auch die Wirtschaftswissenschaften setzen inzwischen viel methodisches und theoretisches Wissen voraus, sodass oftmals das Wissen über die Länder leide. Ostasienwissenschaftler mit einem genauen Verständnis der Region, mit Sprach- und Kulturkenntnissen würden jedoch dringend gebraucht, und die Absolventen der Graduiertenschule werden über beides verfügen, also disziplinäre und methodische Kenntnisse wie auch regionale Expertise und sehr gute Sprachkenntnisse aufweisen: „Auch ein Wirtschaftswissenschaftler sollte die Geschichte eines Landes kennen, wenn er sich mit dessen heutiger Wirtschaft beschäftigt“, meinte Vogel. „Ein breiteres Wissen ermöglicht bessere Entscheidungen.“

Weitere Informationen

Prof. Dr. Verena Blechinger-Talcott, Freie Universität Berlin, Ostasiatisches Seminar / Japanologie, Tel.: (030) 838-57104, E-Mail: vblechin@zedat.fu-berlin.de