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Einstein Stiftung Berlin fördert Forschung an der Freien Universität Berlin

Zwei Wissenschaftler, ein Forschungsvorhaben und eine Graduiertenschule werden unterstützt

Nr. 123/2022 vom 26.07.2022

Die Freie Universität Berlin profitiert von neuen Förderentscheidungen der Einstein Stiftung Berlin. Dazu zählen zwei Einstein International Postdoctoral Fellowships, in dessen Rahmen international herausragende junge Forschende an die Freie Universität kommen, sowie ein Einstein-Forschungsvorhaben zum Thema Remigration deutscher Jüdinnen und Juden. Ebenfalls unterstützt wird die Friedrich-Schlegel-Graduiertenschule; sie erhält Mittel aus dem Einstein Foundation Doctoral Programm. Zudem wird nach positiver Begutachtung die Literaturwissenschaftlerin Dr. Julia Weber weiterhin mit einem Einstein Visiting Fellowship gefördert. Insgesamt beträgt die Förderung der Einstein Stiftung für die Berliner Wissenschaftseinrichtungen rund fünf Millionen Euro.

Die Förderentscheidungen zugunsten der Freien Universität im Einzelnen:

Einstein International Postdoctoral Fellows

Der Mathematiker Tobias Hurth wird sich als Einstein International Postdoctoral Fellow an der Freien Universität mit zufälligen Prozessen befassen. Zufällige Prozesse und ihre parameterabhängigen Veränderungen sind in Wissenschaft und Technik allgegenwärtig, doch die mathematische Theorie der Bifurkationen in solchen Systemen ist bislang noch wenig erforscht. In dem Projekt, das Tobias Hurth gemeinsam mit dem Nachwuchsgruppenleiter am Excellenzcluster MATH+ Maximilian Engel verfolgt, geht es darum, wichtige Eckpfeiler der Ergodentheorie auf lokalisierte Zufallsprozesse zu erweitern und die stochastische Bifurkationstheorie analytisch und numerisch weiterzuentwickeln. Untersucht werden vor allem die sogenannten Lyapunov-Exponenten; anhand dieses Schlüsselobjekts soll ein geeigneter Begriff von Entropie- und Gleichgewichtsmaßen erarbeitet werden. Die theoretischen Erkenntnisse könnten zu einem besseren Verständnis von chemischen Reaktionsnetzwerken beitragen. Die Gruppe um Maximilian Engel wird stochastische Verzweigungen aufspüren, um die Analyse auszuweiten auf biologische Modelle der Genexpression, auf das Zellwachstum und auf die Zufallsdynamik in tiefen neuronalen Netzen.

Ebenfalls als Einstein International Postdoctoral Fellow kommt der Biologe Maxwell Ware von der Colorado State University (USA) an die Freie Universität Berlin. Dort wird er zusammen mit dem Emmy-Noether-Gruppenleiter Dennis Nürnberg an der Entwicklung eines Verfahrens forschen, das langfristig die konventionelle Produktion von Stickstoffdünger nach dem äußerst energieaufwendigen Haber-Bosch-Verfahren durch ein photosynthetisches Verfahren ersetzen soll. Maxwell Ware untersucht eine Symbiose zwischen Pflanzen und einem neu entdeckten Cyanobakterien-Stamm. Dieser kann, wie andere Cyanobakterien auch, atmosphärischen Stickstoff durch bestimmte Zelltypen reduzieren mittels eines natürlichen Enzyms – der sogenannten Nitrogenase –, das den Pflanzen fehlt. Das zum Einsatz kommende Cyanobakterium kann Photosynthese auch durch dunkelrotes Licht betreiben; es konkurriert also nicht mit Pflanzen um dasselbe Lichtspektrum. Um herauszufinden, ob sich dieser Prozess auch auf die Stickstoff-Fixierung dieser Organismen auswirkt, sollen die Bakterien und ihre Wirte künstlich verändert werden. Im Anschluss werden die molekularen, metabolischen und morphologischen Mechanismen unter verschiedenen Umweltbedingungen untersucht.

Einstein-Forschungsvorhaben

Ein Team um den Lateinamerika-Historiker von der Freien Universität Professor Stefan Rinke und Professorin Stefanie Schüler-Springorum vom Zentrum für Antisemitismusforschung der Technischen Universität wird im Rahmen eines Einstein-Forschungsvorhabens „Selbstzeugnisse von Juden nach der Rückkehr aus Lateinamerika nach Berlin (1945/49-1970)“ untersuchen. Zwischen 1933 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs war Lateinamerika eine wichtige Destination für alle, die vor dem Nationalsozialismus flüchteten; nach dem Sieg der Alliierten über Hitler-Deutschland wurde es zum Versteck vieler NS-Täter. Die Remigration deutscher Jüdinnen und Juden aus Lateinamerika in die Bundesrepublik Deutschland zwischen 1945 bis etwa 1970 wiederum war oft von der Hoffnung begleitet, auf Grundlage des Bundesentschädigungsgesetzes geraubtes Eigentum wiederzuerlangen. Die Dokumente dieser Versuche lagern in Behördenkellern als Akten der Entschädigungsbehörde des Landes Berlin, in denen die Betroffenen Aussagen über ihre Lebensumstände im deutschen Nationalsozialismus und in Lateinamerika machen. Im Projekt werden anhand dieser Dokumente und von Quellen aus deutschen und lateinamerikanischen Archiven die Erfahrungen geflüchteter jüdischer Menschen im lateinamerikanischen Exil aufgearbeitet. Das Augenmerk liegt auf den familiären Situationen und Netzwerken, dem Wissenserwerb, auf den Kontinuitäten des Antisemitismus sowie der Problematik von Rückwanderung und Entschädigung im Berlin der Nachkriegszeit. Zentrale Kooperationspartner bei der Dokumentenrecherche und -analyse sind neben den genannten Instituten das Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg, die Universität Potsdam und das Ibero-Amerikanische Institut. Eingebunden werden sollen auch das Jüdische Museum, die Stiftung Exilmuseum und das Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung.

Einstein Foundation Doctoral Programm

Des Weiteren wurde als eines von zwei strukturierten Graduiertenprogrammen die Friedrich Schlegel Graduiertenschule (FSGS) ausgezeichnet; sie erhält Mittel aus dem neu aufgelegten Förderpreis Einstein Foundation Doctoral Programm. Die FSGSwurde im Rahmen der Exzellenzinitiative als strukturiertes Promotionsprogramm an der Freien Universität Berlin gegründet und von 2007 bis 2019 gefördert. Im Jahr 2012 kam die Humboldt-Universität zu Berlin als wichtige Kooperationspartnerin dazu. Seit 2019 ist die FSGS eng mit dem Exzellenzcluster 2020 „Temporal Communities. Doing Literature in a Global Perspective“ verbunden und für dessen Doktorandenausbildung zuständig. Die Graduiertenschule fördert Projekte, in denen Literatur vergleichend, zeiten- und sprachenübergreifend erforscht oder mit anderen ästhetischen Medien in Bezug gesetzt wird. Die Einstein-Förderung wird die FSGS nutzen, um ein digitales Prä-Doc-Programm für Studierende mit einem Masterabschluss aus dem Globalen Süden einzurichten. Die Programmteilnehmenden erhalten Unterstützung bei der Vorbereitung des Promotionsprojekts und der Einwerbung von Drittmitteln mithilfe von digitalen Kursen und Beratungsangeboten, die remote aus dem Heimatland besucht werden, sowie der Finanzierung eines zwölfmonatigen Aufenthaltsin Berlin.

Weitere Informationen

Pressemitteilung der Einstein Stiftung Berlin: www.einsteinfoundation.de/medien/pressemitteilungen/2022/26072022-0822/