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Spinat untermauert photosynthetische Braunstein-Produktion vor drei Milliarden Jahren

Interdisziplinäres Forschungsteam der Freien Universität zeigt mit Röntgenexperimenten am Berliner Elektronensynchrotron (BESSY), dass Photosysteme aus Spinat Manganoxid-Nanopartikel bilden können

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität um den Physiker Prof. Dr. Holger Dau und den Einstein-Fellow Prof. Dr. Robert Burnap aus Oklahoma haben nachgewiesen, dass Proteinkomplexe der heutigen Photosynthese unter Belichtung Manganoxid (Braunstein) bilden können. Das interdisziplinäre Forschungsteam untermauerte damit die Hypothese einer Manganoxid-bildenden Photosynthese in der frühen Erdgeschichte. Das interdisziplinäre Forschungsteam isolierte das sogenannte Photosystem II (PSII) aus Spinatblättern und entfernte die vier Mangan-Atome, die in der heutigen Photosynthese Wasser spalten und den atmosphärischen Sauerstoff bilden. Mit diesen Mangan-freien Photosystemen wurde rekonstruiert, was sich vor Jahrmilliarden in einer frühen Form der Photosynthese abgespielt haben könnte. Die Studie erschien im renommierten Wissenschaftszeitschrift „Nature Communications“.

Das Team belichtete eine „grüne Suppe“ der Mangan-freien Photosysteme in Anwesenheit von kleinen Mengen im Wasser gelösten Mangan-Ionen; die Forscherinnen und Forscher beobachteten, dass innerhalb weniger Minuten das Photosystem Manganoxid-Nanopartikel bildet – mit 50 bis 100 Manganatomen je Photosystem. Die so gebildeten Nanopartikel ähneln einem mineralischen Gestein mit dem Namen Birnessit. Der Nachweis der atomaren Struktur gelang mittels Röntgenspektroskopie am BESSY, einer Großforschungsanlage des Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) in Berlin-Adlershof.

Nach Entstehung der Erde vor etwa 4,5 Milliarden Jahren entwickelt sich vor mehr als drei Milliarden Jahren die Sauerstoff-bildende (oxygene) Photosynthese, wie sie heute in allen Land- und Wasserpflanzen, Algen und Cyanobakterien (Blaualgen) auftritt. Die oxygene Photosynthese war ein „Game Changer“ in der Erdgeschichte: Solarenergie wurde die nachhaltige Energiequelle für das Leben auf der Erde. Die Anreicherung des gebildeten Sauerstoffs (O2) in der Erdatmosphäre ermöglichte das Feuer, formte die oberflächennahen Gesteinsschichten und erlaubte durch Zellatmung die Weiterentwicklung des Lebens jenseits der Welt einfacher Bakterien. Die Evolution der heutigen Photosynthese sowie die Frage nach dem Davor ist jedoch noch weitgehend ungeklärt. Im Jahr 2013 folgerte ein Geologenteam um Prof. Dr. Jena E. Johnson, dass Manganoxid-Ablagerungen bereits gebildet wurden, bevor die oxygene Photosynthese zu einer Sauerstoffatmosphäre geführt hatte (Johnson et al., Proc. Nat. Acad. Sci. USA 110, 11238-11234).

Mangan ist ein chemisches Element, dass im Periodensystem der Elemente neben Eisen zu finden ist. Es kann zusammen mit dem Sauerstoff der Erdatmosphäre schwarzbraune Manganoxide (Braunstein) bilden, die den rotbraunen Eisenoxiden (Rost) ähneln. Die Manganoxid-Entstehung in einer Umwelt, die fast vollkommen frei von Sauerstoff-Molekülen ist, verlangte eine besondere Erklärung; das Johnson Team schlug daher vor, dass mineralische Manganablagerungen unmittelbar in einer evolutionär alten Variante der Photosynthese gebildet wurden.

Als der Biophysiker Prof. Holger Dau von Johnsons Hypothese hörte, entstand die Idee nachzuweisen, dass Photosysteme tatsächlich Manganoxide produzieren können. Für die Experimente wurden mehrere Kilogramm frische Spinatblätter püriert, deren Chlorophyll-haltige Photosysteme isoliert und anschließend durch das Entfernen von drei kleinen Chlorophyll-freien Proteinteilen geringfügig modifiziert. Unter Nutzung von Farbänderungen eines hinzugefügten Elektronenakzeptors wurde gezeigt, dass den gelösten Mangan-Ionen unter Belichtung Elektronen entzogen werden. Mit Röntgenanalytik und -spektroskopie gelang der Nachweis, dass Manganoxide-Nanopartikel vom sogenannten Birnessit-Typ am Photosystem gebunden sind. „Wenn auch die heutigen Spinat-Photosysteme nach Entfernen kleinerer Proteinteile in der Lage sind, Manganoxide effizient zu bilden, so ist zu erwarten, dass frühe Photosysteme dieselbe Fähigkeit hatten“, konstatiert Holger Dau. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität vermuten, dass die photosynthetische Manganoxid-Produktion in der O2-freien Welt der frühen Erdgeschichte einen effizienten Zyklus von Manganoxid-Bildung und -Veratmung ermöglichte. Auch ein schrittweiser Übergang von Manganoxid-Nanopartikeln zum heutigen Zentrum der photosynthetischen Wasserspaltung mit nur vier Manganatomen erscheint nun als ein möglicher evolutionärer Pfad.

Die Arbeiten zur photosynthetischen Manganoxidation wurden anfangs von Studierenden als Examensarbeiten sowie von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zweier Berliner Forschungsverbünde – dem Sonderforschungsbereich zur Proteinfunktion (SFB 1078) und dem Exzellenzcluster zur (bio)chemischen Katalyse (UniSysCat) – als ein spannendes Nebenprojekt verfolgt. Im Jahr 2018 stieß der Mikrobiologe Prof. Dr. Robert Burnap von der Oklahoma State University dazu, der ein ausgewiesener Experte für die lichtgetriebene Bildung des nativen Mangankomplexes der Photosynthese ist. Unterstützt durch die Einstein Stiftung des Landes Berlins leitet Robert Burnap seit Frühjahr 2018 als „Einstein Fellow“ im SFB 1078 zusammen mit Prof. Dr. Holger Dau und Dr. Dennis Nürnberg ein kleines Forschungsteam am Fachbereich Physik der Freien Universität Berlin, in dem die Rolle von Mangan in der Evolution der Photosynthese weiter erforscht wird.

Publikation

Petko Chernev, Sophie Fischer, Jutta Hoffmann, Nicholas Oliver, Ricardo Assunção, Boram Yu, Robert L. Burnap, Ivelina Zaharieva, Dennis J. Nürnberg, Michael Haumann, and Holger Dau.

Light-driven formation of manganese oxide by today's photosystem-II supports evolutionarily ancient manganese-oxidizing photosynthesis. Nature Communications 11, Article number: 6110 (2020).

https://doi.org/10.1038/s41467-020-19852-0 (Open Access)

Kontakt

Prof. Holger Dau, Fachbereich für Physik der Freien Universität Berlin, E-Mail: holger.dau@fu-berlin.de