Verborgene Emotionen im Klang der Worte
Psychologische Studie zeigt Zusammenhang zwischen emotionaler Erregung und der Zuordnung von Lautabfolgen sowie deren assoziativen Bedeutungen
Nr. 123/2020 vom 14.07.2020
Eine internationale Forschungsgruppe unter Beteiligung der Freien Universität Berlin hat durch psychologische Sprachexperimente nachweisen können, dass Emotionen eine zentrale Rolle für die Zuordnungen zwischen Wortklang und Wortbedeutung spielen: Harte Lautkombinationen wie „Kiki“ werden mit scharfen Spitzen und weiche Lautkombinationen wie „Bouba“ mit runden Formen in Verbindung gebracht. Der Klang sowie die ihm zugeschriebene Bedeutung wirken entsprechend aufregend oder beruhigend auf die Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer. Das Forschungsteam konnte durch die Experimente neue Erkenntnisse gewinnen über die Rolle der Emotion im Spracherwerb von Kindern sowie über die Entwicklung der Sprache im Laufe der Evolution. Die Studie wurde im renommierten Journal „Psychological Science“ veröffentlicht.
Die Kunstwörter „Bouba“ und „Kiki“ wurden schon in früheren Studien eingesetzt, und es wurde ein psychologischer Effekt beschrieben: Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer verknüpften das Kunstworts „Bouba“ eher mit runden Formen und verbanden „Kiki“ mit Spitzen oder Stacheln. Dieser Effekt lässt sich unabhängig vom Alter oder vom kulturellen Hintergrund der Probandinnen und Probanden beobachten. Bislang waren jedoch seine Ursachen unklar und seine genauen Ausprägungsformen kaum erforscht. In der neuen Studie konnten die beteiligten Psychologinnen und Psychologen nun tiefergehende Erkenntnisse über diesen Effekt gewinnen.
Die Ergebnisse der neuen Studie legen nahe, dass im sprachlichen Vokabular viele Zuordnungen zwischen Wortklang und Wortbedeutung durch Emotionen beeinflusst wurden und werden. Das Forschungsteam – geleitet von Dr. Arash Aryani vom Fachbereich Psychologie der Freien Universität Berlin sowie Erin Isbilen und Prof. Dr. Morten Christiansen von der Cornell University (Ithaca, New York) – vermutet, dass dieser Zusammenhang auch beim Spracherwerb von Kindern eine Rolle spielt. Darüber hinaus könnten die Erkenntnisse Hinweise darauf geben, wie überhaupt der Mensch im Verlauf der Evolution Sprache entwickelt hat. Die Forschungsarbeit unterstreicht somit die Bedeutung menschlicher Emotionen bei der Entstehung von Sprache und zeigt, wie der Klang von Wörtern unterschiedlich intensive Erregungen erzeugt und Gedankengänge vorzeichnet.
Die Forschungsgruppe um Arash Aryani, Erin Isbilen und Morten Christiansen vermutete, dass der Effekt – die gedankliche Verknüpfung von Konzepten, beispielsweise geometrischen Formen, mit dem phonetischen Klang der Kunstwörter – durch eine wichtige Variable beeinflusst wird – die Intensität der hervorgerufenen Emotionen bzw. der Grad der neuronalen Erregung bei den Betrachterinnen und Hörern. Mithilfe mehrerer psychologischer Experimente sollte diese These geprüft werden.
Die Studienteilnehmerinnen und Teilnehmer wurden gebeten, den Grad ihrer emotionalen Erregung beim Betrachten unterschiedlicher Formen und beim Hören bestimmter Wörter zu bewerten. Die visuellen und akustischen Stimuli, die Versuchsreize, stammten aus früheren Studien. In einem zweiten Experiment setzten die Forscherinnen und Forscher neu erstellte Lautabfolgen mit unterschiedlichem Erregungspotenzial als Stimulus ein. Dabei konnten sie einen deutlichen Zusammenhang feststellen und von ihnen erwartete Wirkungen messen: Spitze Formen und die mit ihnen assoziierten harten Lautkombinationen wirkten emotional sehr stimulierend auf die Probandinnen und Probanden. Abgerundete Formen und die mit ihnen verknüpften „Bouba“-ähnlichen Kunstwörter zeigten eine beruhigende Wirkung.
Diese Ergebnisse lassen auch Rückschlüsse auf die Ursprünge der Sprache zu. Der Zusammenhang zwischen Erregung, verbalen Lauten und deren Bedeutungen könnte es den frühen Menschen ermöglicht haben, ihr sprachliches Vermögen auszubilden. Demnach wäre es ihnen leichter gefallen, Laute mit Bedeutungen in Verbindung zu bringen, wenn die Zuordnung auch mit passenden emotionalen Regungen übereinstimmte.
Weitere Informationen
Publikation
Aryani, A., Isbilen, E.S. & Christiansen, M.H. (in press). Affective arousal links sound to meaning. Psychological Science. DOI: 10.1177/0956797620927967
Kontakt
Dr. Arash Aryani, Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-58194, E-Mail: Arash.Aryani@fu-berlin.de