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Eine Alternative für Antibiotika

Internationales Forscherteam untersucht die antibakterielle Wirkung von antimikrobiellen Peptiden

Nr. 073/2020 vom 01.05.2020

Wissenschaftler der Cornell University, der Georgetown University und der Freien Universität Berlin haben analysiert und zusammengefasst, inwiefern antimikrobielle Peptide, wie sie in Pflanzen und Tieren vorkommen, eine Alternative für herkömmliche Antibiotika sein können. Antibiotikaresistenz ist weltweit eines der größten Gesundheitsprobleme. „Antimikrobielle Peptide schützen Tiere und Pflanzen Infektionen vor allem mit Bakterien, aber auch Pilzen, Parasiten und Viren“, sagt Jens Rolff, Biologe an der Freien Universität. Antimikrobielle Peptide hätten Eigenschaften, die sie weniger empfindlich gegen die Resistenzevolution von Bakterien machen als herkömmliche Antibiotika. Dazu gehört, dass sie im Gegensatz zu Antibiotika Bakterien sehr schnell töten und die Wahrscheinlichkeit von Mutationen nicht erhöht wird. Jens Rolff und seine Kollegen Brian Lazzaro (Cornell University) und Michael Zasloff (Georgetown University) diskutieren in ihrer Publikation die Evolution von antimikrobiellen Peptiden und die Möglichkeit mithilfe der daraus gewonnenen Erkenntnissen eine schnelle Resistenzevolution zu verhindern. Die Erkenntnisse könnten langfristig dazu führen, dass antimikrobielle Peptide beim Menschen gegen Infektionen eingesetzt werden können. Der Beitrag wurden in der renommierten Fachzeitschrift Science publiziert.

„Wird ein Tier, zum Beispiel ein Insekt, von Bakterien attackiert, antwortet es immer mit einem Cocktail aus antimikrobiellen Peptiden“, erläutert Jens Rolff. Dies stehe im Gegensatz zur Anwendung in der Medizin, in der häufig nur ein Antibiotikum eingesetzt werde. „Wir haben uns gefragt, warum die Natur diese andere Lösung immer wieder hervorgebracht hat“, sagt der Biologe. Eine Erklärung sei, dass diese Cocktails von antimikrobiellen Peptiden oft synergistisch sind, das heißt, die einzelnen Substanzen ergänzen sich, um die Wirkung zu verstärken. Kleinste Änderungen in den Sequenzen einzelner antimikrobieller Peptide könnten eine große Wirkung entfalten. „Diese Unterschiede treten vermutlich auf, weil unterschiedliche Tier-oder Pflanzenarten an spezifische Kombinationen von Mikroorganismen in ihrer Umwelt angepasst sind“, erklärt Rolff.

Wenn es gelänge, die Einsichten über die Evolution der antimikrobiellen Peptide und Ihre Vielfalt mit Anwendungen in synergistischen Cocktails zu verknüpfen, bestehe die Chance, antimikrobielle Peptide langfristig gegen Infektionen einsetzen zu können.

„Durch die Kombination aus evolutiver Einsicht und Kombinationstherapien könnte vermieden werden, dass die Resistenz von Bakterien die Medikamente innerhalb weniger Jahre unbrauchbar macht“, erläutert Jens Rolff. Eine weitere vielversprechende Perspektive sei es, antimikrobielle Peptide mit Antibiotika zu kombinieren. Dies könne möglicherweise sogar dazu führen, dass Antibiotika, die aufgrund verbreiteter Resistenzen nicht mehr eingesetzt werden können, in Kombination mit antimikrobiellen Peptiden wieder in Gebrauch genommen werden und damit das Arsenal zur Bekämpfung resistenter Keime erweitern können.

Ein Problem sei, dass antimikrobielle Peptide in ihren Wirkmechanismen oft sehr ähnlich seien und daher das Risiko von Resistenzen gegen die körpereigenen antimikrobiellen Peptide im Menschen sehr genau überprüft werden müsse. „Viele antimikrobielle Peptide, die derzeit klinisch geprüft werden, sind von menschlichen antimikrobiellen Peptiden abgeleitet,“ erklärt der Biologe. Dies sei kein unlösbares Problem, aber eines, das bisher nicht bedacht wurde.

Weitere Informationen

Die Publikation:

Brian Lazzaro, Michael Zasloff und Jens Rolff (1. Mai 2020): “Antimicrobial Peptides: Application Informed by Evolution”, in Science. DOI: 10.1126/science.aau5480

Kontakt

Prof. Dr. Jens Rolff, Institut für Biologie der Freien Universität Berlin, Telefon: +49 30 838 54893, E-Mail: jens.rolff@fu-berlin.de