Wie Lu Xun zum Weltliteraten wurde
Emily Mae Graf, Sinologin an der Freien Universität Berlin, mit Ruprecht-Karls-Preis ausgezeichnet
Nr. 394/2019 vom 18.12.2019
Emily Mae Graf, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sinologie der Freien Universität Berlin, hat für ihre Dissertation einen der diesjährigen Ruprecht-Karls-Preise erhalten. In ihrer herausragenden Arbeit untersucht die Sinologin, wie Museen und Gedenkorte an den bedeutenden chinesischen Schriftsteller Lu Xun (1881–1936) erinnern. Sie beschreibt, wie diese Institutionen die Rückschau auf die Vergangenheit sowie Kultur Chinas geprägt und den Status Lu Xuns als Weltliteraten mitbestimmt haben – Lu Xun gilt heute als Begründer der modernen chinesischen Literatur. In ihrer Dissertation vergleicht Emily Graf Lu-Xun-Museen unter anderem mit der Brecht-Weigel-Gedenkstätte in Berlin. So versucht sie, die Machtasymmetrien und -mechanismen offenzulegen, die über die Deklaration von Werken als Weltliteratur entscheiden. Die an der Universität Heidelberg eingereichte Dissertation trägt den Titel „Lu Xun on Display: Memory, Space and Media in the Making of World Literary Heritage“. Überreicht wurden die Preise in der Alten Aula der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Mit der Auszeichnung geehrt werden hervorragende Leistungen von Doktorandinnen und Doktoranden der Universität; der Preis ist mit 3.000 Euro dotiert.
Die Jury begründete die Preisvergabe an Emily Graf mit deren präzisem Blick auf komplexe und verflochtene Zusammenhänge, die die Entstehung und Weiterentwicklung eines kulturellen Gedächtnisses erklärten. Die Forschungsarbeit habe am Beispiel des chinesischen Schriftstellers Lu Xun die lokalen und globalen Formen des Schaffens, Veränderns und Vergessens nationaler Schriftsteller durch die Institution des Museums analysiert, hieß es weiter: „Die Choreographie der Musemsobjekte ist in dieser Dissertation Indikator für politische und ideologische Wetterlagen und -umbrüche. Zwischen Propaganda und Bildungspolitik wird so das differenzierte Bild einer aufstrebenden und sich drastisch verändernden Nation gezeichnet“, erklärte die Jury. Emily Graf gelinge die Hebung einer lokalen Mikrogeschichte auf die Ebene der Weltliteratur und globaler Erinnerungskulturen. Ihre Vergleiche erlaubten es zugleich, für die zumeist nordamerikanisch oder europäisch dominierte Diskussion über Weltliteratur einen alternativen Denkraum einzufordern und zu eröffnen.
Der Ruprecht-Karls-Preis wird jährlich von der Stiftung Universität Heidelberg an die fünf besten Doktorarbeiten verliehen. Dabei berücksichtigt das mehrstufige universitätsweite Auswahlverfahren wissenschaftliche Erstlingswerke aus allen Fächern. Die Entscheidung über die Auswahl der Preisträgerinnen und Preisträger trifft eine Jury, die auf Vorschlag des Rektors vom Vorstand der Stiftung Universität Heidelberg berufen wird.
Emily Mae Graf studierte Sinologie an der Universität Heidelberg und promovierte im Graduate Programme for Transcultural Studies (GPTS) am Exzellenzcluster „Asien und Europa im Globalen Kontext“. Sie arbeitete als Assistentin am Institut für Sinologie an der Universität Heidelberg, bevor sie im Jahr 2018 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an den „Arbeitsbereich Geschichte und Kultur Chinas“ der Freien Universität Berlin wechselte. In ihrem jüngsten Forschungsvorhaben untersucht sie die Bedeutung von „Barfußärzten“ in der Volksrepublik China im Verlauf der 1960er und 70er Jahre sowie deren Rolle im Diskurs über das globale Gesundheitswesen.
Weitere Informationen
www.foerderer.uni-hd.de/stiftung/preise.html
Kontakt
Emily Mae Graf, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ostasiatischen Seminar – Sinologie der Freien Universität Berlin, E-Mail: emily.graf@fu-berlin.de